An meinen Freund Hrn. G.R.R. Boden

[70] Als du, o Freund! gebohren wardst,

Da weih'ten Engel Gottes Dich

Zum Segen für die Menschheit ein;

Sie senkten in die junge Brust

Ein Herz voll reinen Schönheits-Sinns,

Das mitleidsvoll bei fremdem Schmerz

Wie bei dem eignen Leiden schlägt,

Und rastlos ihn zu lindern strebt.

Als ich an jener Urne einst

Mit thränenschwerem Blicke stand,

Und in die Zukunft dunkel sah,

Da wünscht' ich mich in's Schattenreich

Und wankte schon dem Orkus zu,

Da kamst Du, wie ein Genius,

Und reichtest helfend mir die Hand,

Und sich'rer ward mein matter Schritt

Und heller mein bethränter Blick;

Er schaute hoffnungsvoll empor[71]

Zu des Olympos goldnen Höhn.

In Deiner Freundschaft fand ich Trost

Und Schutz im Sturme der Gefahr,

An Deiner edlen treuen Brust

Vergaß ich alles um mich her,

Und fühlte nur das hohe Glück,

An eines Engels reiner Brust,

Im seligsten Gefühl zu ruhn.

Die Sprache dünkt mir arm, sehr arm,

Wenn sie Dir treu erklären soll,

Was ich in Deiner Freundschaft fand

Und wie in diesem Busen hier

Ein Herz voll reger Dankbarkeit,

Voll treuer Freundschaft für Dich schlägt.

Den besten Dank für Dich, o Freund!

Heb' ich zu beß'ren Welten auf,

Vor allen Engeln werd' ich dort

Dich meinen theuren Boden sehn;

Da nenn' ich Deinen Namen laut

Vor Geistern, die Dir ähnlich sind.

Schon seh' ich froh das Diadem

Das Dir Dein guter Engel reicht;[72]

Er sammelte die Thränen auf,

Die Du mit liebevoller Hand

So still bereit zu trocknen warst.

Auch jede Freudenthräne, die

Dem frohen Blicke im Genuß,

Den ich in Deiner Freundschaft fand,

Entsank mit süßem Wonn'gefühl,

Die müsse einst zum Freudenquell

Dir werden in Elysium!

Quelle:
Elise Sommer: Poetische Versuche, Marburg 1806, S. 70-73.
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