Andere Ecloga darin der hirt Damon, die schöne Osterliche Sommerzeit, vnd die vrstend Christi, gar Poétisch bereymet

[325] Eingang.


Nach den schönen Oster tagen/

Hirten zween in aller früh

Kamen auff die weyden schlagen

Jhre schäfflein/ jhre küh:

Damon/ Halton/ war jhr name/

Frisch/ vnd grün von jahren beyd;

Damon seine fidel nahme/

Striech mit wunder-liebligkeit.


Der Hirt Damon spielet allein.


Schaw die schöne Sonn sich strolet/

Krauset jhre gülden haar;

Sie die kräfften gantz erholet/

Schmidet gar ein schönes jahr:[325]

Sie die zeiten thut bereiten/

Nur von Perlen/ vnd Crystall;

Sie da lauffet/ nie verschnauffet

Webet/ schwebet/ vberall.

2.

Sich die schöne vöglein rüsten/

Schärpffen jhre schnäbelein/

Sie sich lan der sti i gelüsten/

Blasen jhre pfeiffelein/

Sie sich hoch in wolcken heben/

Spreiten jhre flügel franck/

Sie den reinen lufft durch-weben/

Sagen jhrem schöpffer danck.


3.

Wider wir die felder weissen

Mit gebleichten herden zart/

Wir mit schaffen/ wir mit geissen/

Gehn zur grünen sommer-fahrt.

Ich/ vnd Halton gleich von jahren/

Auch zu morgens gleichen früh/

Treiben keine gleichen schaaren;

Ich die schäfflein/ er die küh.


4.

Sich die felder wider zieren/

Thun die grüne läden auff;

Tausend blümlein da stoltziren;[326]

O wie wol gemahlter hauff!

Schaff/ v rinder nun verschnauffen/

Auff den wiesen wolgerüst/

Da der schöne säugend-hauffen/

Ründet seine flache brüst.


5.

Ich nun wider schaw vor augen

Tausent weisser Lämmerlein:

Halton wider lasset saugen

Tausent bunte kälberlein.

O wie wunder schöne zeiten!

O wie wunder feistes jahr.

Sieben troppen laß ich leiten/

Also groß ist meine schaar.


6.

Wider schöne wasser-stralen/

Wider kühle wasser-pfeil;

Sich versamblen in den thalen/

Bieten jhre bäder feil/

Brünnlein von den bergen spielen/

Starck mit rothem Ertz vergüldt/

So die Carwoch trawrig fielen/

Starck mit zähren angefült.


7.

Lieblich alle bäch/ vnd bächlen/

(Krum geführtes wasser-glaß.)[327]

Auff den grünen wiesen lächlen/

Vnd befeuchten laub/ vnd graß.

Zierlich wider kombt gekrochen

Manches rauschend wässerlein/

So mit steinlein vnderbrochen

Sausend lobt den schöpffer sein.


8.

Schaw nun wider tann- vnd linden/

Eich/ vnd stoltzer Cederbaum/

Jhre weg in lüfften finden/

Wachsen ohne schnur/ vnd zaum;

Strecken jhre grüne sprossen/

Breiten jhren grünen safft/

Zu den wolcken frewdig stossen/

Suchen hohe nachbarschafft.


9.

Wir die leyr auch wider schnüren/

Vnd in holem hirten Thal

Hochgereckte seiten rühren/

Spielen/ reymen ohne zahl.

Wir auff harpff- vnd lauten tasten/

Spielen jenem lieben Christ.

Der im grab nit wolte rasten/

Der dem todt entfahren ist.


10.

Schawet/ lieben hirten/ schawet/

Er der höllen pforten bricht.[328]

Waß der bleiche todt gebawet/

Er in eiffer macht zu nicht.

Schawet/ lieben hirten/ schawet/

Zeitlich für der morgen-röth/

Er von waffen vnbenawet/

Schröcket seine wächter blöd.


11.

Er auß tieffem schlaff erwecket

Lasset seine Ligerstatt/

Vnd mit armen außgestrecket/

Richt in lüfften seinen pfad.

Fla i/ noch fackel thut erklecken/

Gegen seinen hellen schein;

Sich die sternen gleich bedecken/

Zucken jhre stralen ein.


12.

Er hinauff zur Sonnen schwebet/

Machet selber seinen tag:

Sie der arbeit vberhebet/

Folget seinem wagen nach.

Er die beste baanen reyset/

Zeiget jhr den besten lauff/

Auch die längste strassen weiset/

Sie dan lasset wider auff.


13.

Er erleuchtet auch die nachten/

Heißt die sternen da en gahn/[329]

Lösets ab von jhren wachten/

Setzet andre liechter an.

Seine groß- vnd kleine wunden/

Er in himmel setzet ein;

Sie da werffen glantz hinunden/

Leuchten mit gantz rothem schein.


14.

Vnder dessen er die seinen

Auch besuchet offtermahl/

Laßt in jhren hertzen scheinen

Manchen süssen frewden stral.

Sie mit jubel vberladen/

Wegen seiner widerkehr/

Nur in lauter lüsten baden/

Jhm der vrstend dancken sehr.


15.

Jesu/ dir nun deine kinder/

Dir die wachtsamb hirten-zunfft/

Dir die schäfflein/ dir die Rinder/

Dancken deiner widerkunfft.

Dir die böcklein/ dir die geissen/

Dir die zarte Lämmerlein/

Hinn vnd wider vngeheissen

Hupffen/ springen in gemein.


16.

Schaw die schäfflein jhre wollen

Dir zum wilkom bieten dar/[330]

Vnd mit brüsten auffgequollen/

Dancken dir der weissen waar.

Sie nun deiner mit verlangen

Warten auff gemahlter weid/

Vnd mit lüsten sehr befangen/

Wären gern von dir geleit.


17.

Sie zu deiner sti i gewöhnet/

Kennen deinen hirten-steck:

Keine wölff so starck bezähnet/

Dir sie werden reissen wegk.

Schöner Jesu/ kom zur weiden/

Führ die zarte Lämmerlein;

Hirt der hirten/ komb zur heiden/

Führ auch jhre mütterlein.

Quelle:
Friedrich Spee: Trutznachtigall, Halle a.d.S. 1936, S. 325-331.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Trutznachtigall
Sämtliche Schriften: Trutz-Nachtigall: Bd 1

Buchempfehlung

Stramm, August

Gedichte

Gedichte

Wenige Wochen vor seinem Tode äußerte Stramm in einem Brief an seinen Verleger Herwarth Walden die Absicht, seine Gedichte aus der Kriegszeit zu sammeln und ihnen den Titel »Tropfblut« zu geben. Walden nutzte diesen Titel dann jedoch für eine Nachlaßausgabe, die nach anderen Kriterien zusammengestellt wurde. – Hier sind, dem ursprünglichen Plan folgend, unter dem Titel »Tropfblut« die zwischen November 1914 und April 1915 entstandenen Gedichte in der Reihenfolge, in der sie 1915 in Waldens Zeitschrift »Der Sturm« erschienen sind, versammelt. Der Ausgabe beigegeben sind die Gedichte »Die Menscheit« und »Weltwehe«, so wie die Sammlung »Du. Liebesgedichte«, die bereits vor Stramms Kriegsteilnahme in »Der Sturm« veröffentlicht wurden.

50 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon