Christnächtliche Ecloga, oder Hirten-gespräch, darin zvveen Hirten Damon vnd Halton das Christkindlein besucht haben, vnd gegen jhm mit Liebe befangen, auch jhren Brandt entdecken

[203] [203] Der Hirt Damon hebet an.


Ach Halton/ lieber Halton mein/

Wen schatz han wir gefunden?

Wen schatz im holen krippelein/

In windlein eingewunden?

O Gott/ wie schönes kindelein!

Wie gülden-gelb an haaren!

Wie perlen-weiß an äugelein!

Kein zung mags offenbahren.


Der Hirt Halton.


Ach Damon/ liebster Damon mein/

Als wir den schatz gefunden/

Den schatz in holem krippelein/

In windlein eingewunden.

Das kleinlein ich in armen band/

Wolt jhm die wänglein küssen/

Da netzet ich die wieg zu hand

Mit zarten augen-flüssen.


Damon.


Auch ich als jhm wolt pressen ein

Auff seine purpur wangen

Ein dreyfach dupples mündelein/

Mir zähr von augen sprangen/

Doch ließ ich nit mich schröcken ab/

Mit keinen augenflüssen;

Ja mehr ich jhm der bäcklein gab[204]

Vnd mehr/ vnd mehr thät küssen.


Halton.


Auch ich nit hab mich treiben lan

Von seinen wänglein beyden:

Ich satt ließ meine lefftzen gan

Aldort in Rosen weiden.

So frisch die saugend Lämmerlein

Noch nie zun brüsten sprangen/

Als lieffen frisch die lefftzen mein

Zur weid auff seinen wangen.


Damon.


Ach Halton als ich jmmerdar

Das kind wolt lieblich pressen/

Vnd jhm die wänglein also gar

Mit bäcklein ab wolt messen/

Es gleich mit süssem honig-mund/

(O wee waß freundlich possen!)

Mich hat mit süssem pfeil verwund/

Mit süssem pfeil durchschossen.


Halton.


Ach Damon als auch ebenfals

Das kleinlein ich thät fassen/

Vnd jhm von augen/ stirn/ vnd halß

Der bäcklein satt wolt prassen/

Es mir mit gleichem hertzen-fewr

Thät marck/ vnd bein verletzen/[205]

Dem Brand nun find ich keine stewr

An keinen ort- noch plätzen.


Der Damon.


Jhr Hirten auff gemeinem Feldt/

Solt jemand Fewr begehren:

Nur mir es gleich werd angemeldt/

Will jhm dan gnug bescheren.

Deß Fewrs ich gnug im Busen trag/

Vnd lebts in rothen Kohlen/

Wer sein bedarff/ mirs kecklich sag/

Mags hie zur notturfft holen.


Der Halton.


Jhr Hirten/ solt auch jemand sein/

So reinen1 Born käm suchen?

Weist jhn gerad zur Hütten mein/

An jener grünen Buchen.

Alsbald ich jhm dan geben wil

Born/ vber Born zu niessen/

So stündlich mir in aller still

Von Augen ab kombt fliessen.


Der Hirt Damon.


Daß Fewr in meinem hertzen süß/

Daß Fewr in Marck vnd Beinen/

Wolt Gott michs ewig quälen müß/

Mit seinen süssen peinen.

Gantz wol mir ist bey solcher pein/[206]

Bey süssem Brand/ vnd Wunden/

So mir gemacht daß Kindelein/

Im Kripplein eingebunden.


Der Hirt Halton.


Die flüß von meinen augen beyd

Die beissend wasser-stralen/

Auch kräncken mich mit süssen Leyd

Mit sanfft- vnd süssen qualen/

Wolt Gott auch bliebens allemahl

In stätem lauff vnd rinnen/

Gantz wol mir ist bey solcher qual/

Bey feuchtem Hirn/ vnd Sinnen.


Der Hirt Damon.


O Gott/ wie schönes Kindelein!

Ich sein werd nie vergessen:

Ich stäts werd in verlangen sein/

Wer liebt mags mir ermessen.

Nach jhm nun werd ich seufftzen stäth/

Wan früh die Sonn sich hebet/

Auch wan sie späth zu gnaden geht/

Vnd müd in Westen schwebet.


Der Halton.


O Gott/ wie schönes Kindelein!

Nach jhm ich werd verlangen/

Wan Mon/ vnd alle Sternen rein

Auff runden Wiesen prangen.[207]

Nach jhm ich werd mit Lieb verwundt

Beyd arm/ vnd hertz erstrecken/

Wan zeitlich auch die Rosen-stundt

Den tag vns an kombt stecken.


Damon.


Von jhm bey meiner weissen Heerd/

Bey meinen Schaff- vnd Geissen/

Ich offt/ vnd offt nun spielen werd/

Vnd manche seiten schleissen.

Mit Seiten wil ich kleiden an

Die Leyren/ Harpff/ vnd Geigen/

Vnd jhm zu lieb auff grünem plan

Der stücklein vil noch zeigen.


Halton.


Auch ich zu lieb dem Gottes Kind

Wil offt auff runden pfeiffen/

Mit süssem blasen manchen wind

Zu runden liedlein schleiffen.

Der pfeiffen ich noch sieben hab/

Von lauter horn/ vnd beinen:

Ein hirt sie mir zur letzen gab/

Vnd warlich weichens keinen.


Damon.


Wan dan die Geissen steigen an

Zun felsen hoch vnd hauffen/

Vnd weiches laub/ so für thut gahn/[208]

Von zarten stauden rauffen:

Wil nur von Jesu spielen dar/

So werd ichs wunder locken/

Vnd werdens klimmen ohn gefahr

Auff jhren hörnen socken.


Halton.


Wan dan die Schäfflein ebenfals

Den flachen grund bescheren/

Or jenseit eines holen thals

Gahn weiden in der ferren/

Wil auch von Jesu spielen ich/

Wil nur von jhm erklingen/

So werdens gleich versamblen sich

Vnd mir zun händen springen.


Damon.


Wan auch zur heissen Sommerzeit

Begrillt mit Hirnen-mücken/

Die Böck in stoltzem stirnen-streit

Mit Köpffen sammen rücken/

Wil ich von jhm noch spielen auff/

Nit werdens weiter zörnen:

Ich weiß dan gebens besser kauff/

Der streit fält ab von hörnen.


Halton.


Wan auch der bößwicht vngehewr

Solt je zum weiden kommen/[209]

Die Schäfflein mir zu machen thewr/

Vnd kürtzen mir die summen;

Von Jesu will ich spielen schnell/

Der Schalck wirds lassen bleiben;

Vnd ob noch hund/ noch hündlein bell/

Wil jhn doch gnugsam treiben.


Der Hirt Damon.


Wan auch dan werden je zu mahl

Die warme Wolcken brommen/

Vnd rother Blitz/ vnd Donnerstral

Gen vnß mit kräfften kommen/

Von Jesu wil ich spielen gleich/

Die Schäfflein ihm befehlen;

So werd ich jhrer nach dem streich

Wol eben viel noch zehlen.


Der Hirt Halton.


Wan auch die Schäfflein vbel auff

Sich jemahl solten legen/

And auff dem Feld mit holem bauch

Der Weid noch Brunnen pflegen/

Wil ich von Jesu spielen an/

Bald werdens wider grasen;

Bald wider weidlich scheren gahn

Auff Blumen-reichen wasen.


Der Hirt Damon.


Von Jesu wil ich vberall[210]

In Feld/ vnd Wälden singen:

Von jhm soll schall/ vnd widerschall

In Lufft/ vnd Klufften ringen.

Doch Halton schaw/ dan meine Reym

Zusampt dem Tag ermatten:

Laßt vnser Herd nun führen heim/

Vnd jhr die ruh gestatten.


Der Hirt Halton.


Ja Damon/ schaw dan meine Reym

Schon auch es mir versagen/

Drumb so nur du wilt treiben heim/

Nit muß es mir mißhagen.

Auff/ auff/ jhr meine lautbar Hund/

Die Schaff thut sammen bellen:

Vnd allgemach bey guter stund

Begleitet sie zun Ställen.

Fußnoten
1

quellendes Wasser.

Quelle:
Friedrich Spee: Trutznachtigall, Halle a.d.S. 1936, S. 203-211.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Trutznachtigall
Sämtliche Schriften: Trutz-Nachtigall: Bd 1

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Reigen

Reigen

Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.

62 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon