Der Teich

[202] Der stille Teich von dunklem Schilf umflüstert

und alten überwachsnen Stämmen die seltsam rauschen

erglüht im sinkenden Abend. Leise flirrt

sein tiefer brauner Kelch im Nachtwind und umspült

der schlanken Gondel goldgezierten Bug

die schwer mit Tang und trüber Flut gefüllt

auf weichen Ufermoosen schaukelt wo

der schmale Kiesweg grün umwuchert

in fernes Dunkel taucht. Verschlafen gleiten

im Wellenrieseln weiße Wasserrosen

an dünnen schwanken Stengeln hin und strahlen

in blassem Feuer groß aus braunen Schatten die

von breiten Buchenkronen sinken und

der satte Abendhimmel überströmt

von Purpurwolken flimmert durchs Gewirr

der Äste schwer und brennend wie ein Schacht

mit funkelnden Juwelen übersät.

Quelle:
Ernst Stadler: Dichtungen, Band 2, Hamburg o.J. [1954], S. 202-203.
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