Wasserschlebens Tod1

1787.


Elegie.


Wehmuth weinet dir nach, doch keine Thräne des Jammers

Stürz' entweihend, o Greis, dir auf die friedliche Gruft.

Selig war dein Loos, du Redlicher! So wie des Baumes

Zeitige Frucht in die Hand leise dem Pflückenden sinkt,

Also sankest, gereifet an achtzig Sonnen, dem Tode

Du, von dem Freunde berührt, sanft in die lösende Hand! –[21]

Freunde, ihr auch liebtet den Edlen, dem von der heitern

Weisheit glänzte die Stirn und von der Milde der Blick,

Seines Lebens freuten wir uns; o, laßt uns des schönen

Todes, den unsern im Sinn, schauend gen Himmel, uns freun!

Wie die Verlobte der Jüngling, so liebte der Greis, von des Winters

Reife bethaut, doch wie schön lockte sich silbern sein Haar!

Liebt' er die Frühlinge, liebte, wie Väter die Kinder, der Blumen

Holdes Geschlecht, und des Kerns pflegebelohnenden Stamm.

Freudig eilt' er entgegen dem Lenz zu der lieblichen Hütte,

Die sich der Siebziger erst, lächelnd und sorglos, erschuf,

Sorglos, ob Ihn schirme das Dach, Ihm dufte die Staude,

Nur von dem Schatten gewiß, den die Cypress' ihm versprach.

Freudig eilet' er heim, die Stadt2 und des Hafens Getöse

Nun im Rücken, ihn führt gleitend in säuselndem Hauch,[22]

Links das Waldgestad' und rechts das Meer und den Himmel,

Lind' ein Nachen, und schon freute des Gartens der Greis,

Freute der Blumen sich und der Sonn' am Rebengeländer,

Und schon dröhnte der Kahn über die Kiesel des Strands.

Heiter betrat er die Erde, da sank er leis' in der Seinen

Arm, und sank – und entflohn war aus der Hülle der Geist!

Dankend blickte des Sterbenden Auge, dankend gen Himmel,

Und zu den Seinen umher blickt' es, erlöschend, noch Dank. –

Schnell wie der Tode schönster, wenn Gottes feuriger Wagen

Heim den Erkornen im Strahl fliegendes Blitzes entführt,

War dein Tod, doch es grüßte dich nicht dein Engel im Donner,

Sanft im säuselnden Hauch lispelt' er leise dir zu:

»Komm, du hartest der Ruh' und der Freude des irdischen Gartens;

Ruhe des Himmels sei dein, komm! und ein ewiger Lenz!« –

Fußnoten

1 Der aus dem Halberstädtschen gebürtige dänische Conferenz-Rath Wasserschleben war ein vieljähriger Freund und Hausgenosse Berstorff's und dessen würdigen Neffen und Nachfolgers gewesen. In seinem hohen Alter zog er zur Unterstützung seiner Angehörigen nach Flensburg. Ein zwei und zwanzigjähriger Aufenthalt in Paris hatte nicht vermocht, seine Einfalt und Unschuld zu trüben.


2 Die Stadt Flensburg.


Quelle:
Gesammelte Werke der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg, Band 2, Hamburg 1820, S. 21-23.
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