Sechster Auftritt.

[227] Woldemar und Herr von Wohlau.


WOHLAU. Nun Woldemar – ist nun die kleine Rebellin gebändigt? ich wünsche Ihnen Glück dazu, und mir auch. Wie sich das Mägdchen ziert und gebärdet, und das kann sich doch nur auf eine Weise endigen. – Aber was ist das? – ein finsteres Gesicht? Haben Sie sich mit Ihr gezankt?

WOLDEMAR. Sie haben eine vortreffliche Tochter.

WOHLAU. Die hab ich auch, bey meiner Ehre, und Sie sollen eine vortreffliche Frau kriegen, oder ich verstehe es nicht.

WOLDEMAR. Nicht ich.

WOHLAU. Was? – wie kommen Sie mir vor? – wollen Sie das Mägdchen nicht?

WOLDEMAR. Nein – ich kann es nicht wollen.[227]

WOHLAU. Ich begreife Sie nicht – Sie wollen mich also beschimpfen?

WOLDEMAR. Da sey Gott vor!

WOHLAU. Und was kömmt Ihnen denn an? Warum wollen Sie das Mägdchen nicht?

WOLDEMAR. Ich müßte ungerührt das Elend der Julie wollen – Nie war eine Leidenschaft heftiger; aber ein Bösewicht müßte ich seyn – wenn ich sie nicht wie eine Begierde zum Laster unterdrückte – O wenn Sie Sie gesehen hätten, mit der Angst in Ihrer Miene – wie das unschuldige Herz sich hob – wie die Seufzer sich drängten! Ihr Entsetzen vor der Zukunft; wie Sie mich, mich um Errettung bat – O Sie würden wie ich alles, alles weggegeben haben – Ich habe Sie unaussprechlich geliebt, und noch und ewig ist kein anderer Gegenstand, als Sie, in meiner Seele. Aber Ihr Mann zu seyn – verflucht sey der Gedanke.

WOHLAU. So haben Sie es also auch erfahren, was das Mägdchen mit ihrem Gewimmer vermag – Ich kann[228] es begreifen, denn wenn Sie weint, so bin ich auch weg. Aber Thränen, Woldemar, sind keine Vernunftschlüsse. Diesen Landläufer soll Sie bey Gott nicht haben.

WOLDEMAR. Und ich darf Sie – ich will Sie nicht haben.

WOHLAU. Sie sind ein furchtsamer Mann, Woldemar; wenigstens ein Versuch muß noch gewagt werden. Sie muß die Vortheile dieser Heirath noch einsehen. Nur Geduld, wir wollen Ihr nun ein wenig Ruhe lassen, oder auch mit der Zeit ein wenig mehr Schärfe gebrauchen, alles nachdem sie sich anläßt. Sieh, hier kommt mein Bruder.

WOLDEMAR. Der Todfeind Ihrer Tochter – hören Sie Ihn nicht. Ich beschwöre Sie, haben Sie Mitleiden mit Ihrem Kinde; ich betheure Ihnen vor Gott, Sie kann niemals die meinige werden. –


Geht ab.


Quelle:
Peter Helfrich Sturz: Schriften. Band 1, Leipzig 1779–1782, S. 227-229.
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