51. Die beste Freundschaft

[427] Mel.: Gott Lob, ein Schritt zur Ewigkeit ... oder: Aus tiefer Not schrei ich zu dir ...


1.

Ich bin ein armes Waiselein,

Ein Fremdling hier auf Erden;

O Jesu, laß mich dir gemein

Und innig nahe werden!

Ich will mit dir vermählen mich,

Weg alles andre! Du und ich

Als Freunde wollen leben.


2.

Ich sage ab der Kreatur,

Mit Jesus will ich's wagen.

Gib, daß ich mich freundmäßig nur

Mög' gegen dich betragen,

Daß ich fein offenherzig sei,

In deiner Liebe fest und treu

Und all's in Liebe nehme!


3.

Was je ein Freund am andern hat,

Das soll mir Jesus werden,

Gesellschaft, Schönheit, Lust und Rat,

Und was man wünscht auf Erden.

Hat's dieser hier, hat's jener dort,

Das sollst du mir mit einem Wort

Allein und alles bleiben.


4.

Gib, daß ich keinem mehr vertrau

Und herzelicher meine,

Gib, daß ich keinen lieber schau[428]

Als dich, mein Schatz, alleine!

Mein Freund ist mein, und ich bin sein;

Ich freue mich in dir allein

Und deinem liebsten Willen.


5.

Ei, sag mir's doch, was dir mißfällt,

Zeig meine Fehler alle!

Ich hab's mir herzlich vorgestellt,

Daß ich nur dir gefalle.

Doch, werter Freund, hab auch Geduld,

Entzieh mir nimmer deine Huld,

Wo ich dich möcht' betrüben!


6.

Sag's nur, wo ich dir dienen kann,

Ich will dich gern vergnügen;

Ich will mich selbst nicht sehen an,

Kannst du nur Ehre kriegen!

Hast du nur Fried' und Freud' in mir,

So bin ich selig dort und hier;

Was ist an mir gelegen!


7.

Komm denn, mein Freund, nimm mich ganz hin,

Du bist mir g'nug alleine,

Laß mich in abgeschiednem Sinn

Dir bleiben stets gemeine;

Leist mir Gesellschaft durch die Zeit!

Bald werden wir in Ewigkeit,

Mein Freund, beisammen wohnen.

Quelle:
Gerhard Tersteegen: Geistliches Blumengärtlein. Stuttgart 1956, S. 427-429.
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