Männer und Schranzen

[663] In den Gängen des Schlosses

Drängt sich die bunte,

Farbig gekleidete Menge.

Schnurrbartstarrende,

Vorne bis hinten

Durchgescheitelte Offiziere

Werfen bedeutende

Blicke um sich.

Und die blitzenden Orden

Klirren vernehmlich

Auf den gewölbten

Soldatenbrüsten.

Neben ihnen die glattrasierten

Schlüsselgeschmückten Kammerherren

Mit dem erstarrten

Künstlichen Lächeln

Um die Winkel des lügenden Mundes.

Das flüstert und wispert,

Und grüßt sich mit kalten,

Katzengreulichen,

Falschen Augen.

Das windet und schiebt sich

Mit den höflichen Ellenbogen,

Das gleitet lautlos

Den glattgewichsten

Boden entlang.

Da!

Tiefe Stille.

Der hohe Adel

Reckelt die Hälse,

Richtet die scharfen,

Kritisch spähenden Höflingsblicke

Zur geöffneten Flügeltür.[663]

Drei Gestalten

In schwarzem Rock

Treten herein. Die blanken Augen

Gleiten ruhig

Die reich betreßte,

Ordenflimmernde Schar entlang.

Ganz unkundig der leicht gebückten

Vorgeschriebenen Rückenhaltung,

Aufrecht gehen sie, ehrenfesten

Schrittes einher.

Botha, Dewet und

Delarey.

Tänzelnd und hüpfend,

Hierhin und dorthin

Grüßend, führt sie der Hofmarschall.

Und er öffnet

Ehrfurchtschauernd

Die letzte Türe,

Läßt sie hinein,

Die Glückbegabten,

Vor das Antlitz der Majestät.

Hinter ihnen

Lautlos schließt sich die vielbegehrte,

Heiß umworbene

Hohe Pforte.

Wie im herbstlichen Buchenwalde

In den dürren,

Vergilbten Blättern

Raschelnd flüstert

Der leise Wind,

Also geht ein gedämpftes Raunen

Durch die Reihen des Hochgebornen.

Das flüstert und zischelt

Höhnisch lächelnd von groben Händen,

Und von derben

Festgenagelten Bauernstiefeln.

Aber mancher der seichten Spötter

Sagt sich selber,

Wenn er wirklich einmal nicht lügt,[664]

Daß er heute das sonderbare,

Nie gesehene Bild geschaut:

Ehrlich blickende

Feste Männer

Im Gewimmel der Hofeunuchen.

Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 6, München 1968, S. 663-665.
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