Münchner Sittlichkeitsverein

[686] O Marie, Fanny, Kathl, Susi,

Ihr blonden, braunen, runden Gspusi,

Las't ihr, was jetzt geschrieben war?

Ihr dürfet keinen Schatz mehr kriegen,

In keinem fremden Bett mehr liegen,

Das ist für immer aus und gar.


Ach ja, wenn man an Ausgehtagen

Als ein »Verhältnis« sozusagen

Beim Pschorr und Augustiner saß,

Wie war man glücklich da von Herzen,

Daß man darüber alle Schmerzen

Und alle Mühen schnell vergaß!


Die ganze Woche das Gemuddel

Und hinter einer Ladenbuddel;

Nur einen Tag, da war man frei

Und durfte Einem etwas gelten

Und hört' was Liebes nach dem Schelten

Und glaubte, daß man glücklich sei.


Und wenn wir dann nach Hause kamen,

Nun freilich und in Gottes Namen, –

Man war so jung und war allein.

Was schiert die Welt sich um uns beide?

Geschah doch niemand was zuleide!

Warum denn soll es Sünde sein?


O Kathi, das ist schlecht verteidigt!

Wer nicht mehr kann, ist bald beleidigt,

Die Tugend liegt im Wackelbein.

Das Zitterknie ist's, was uns heiligt;

Lies nur, wer alles sich beteiligt,

Die Liste sagt es schon allein.

Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 6, München 1968, S. 686-687.
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