[403] Der alte Graf fuhr nach Hause; Natascha und Petja versprachen, ebenfalls bald heimzukehren. Die Jagd wurde fortgesetzt, da es noch früh war. Gegen Mittag wurden die Hetzhunde in eine mit dichtem, jungem Gehölz bewachsene Schlucht hineingeschickt. Nikolai, der auf einem Stoppelfeld hielt, konnte alle seine Jäger übersehen.
Ihm gegenüber lag ein Feld mit Wintersaat, und dort hielt ein Jäger Nikolais für sich allein, in einer Grube hinter einem daraus hervorragenden Haselnußstrauch. Sobald die Hunde in die Schlucht hineingelassen waren, hörte Nikolai das vereinzelte Jagdgebell eines ihm wohlbekannten Hundes, Woltorn; dann schlossen die andern Hunde sich ihm an, indem sie abwechselnd bald sich still verhielten, bald laut jagten. Eine Minute darauf ertönte aus dem ringsum von Feldern umgebenen Buschwald das Signal: »Fuchs gefunden!«, und die ganze Meute jagte in dichtem Schwarm den Abhang hinauf nach dem Wintersaatfeld zu, von Nikolai weg.[403]
Er sah die Hundewärter mit ihren roten Mützen, wie sie an den Rändern der buschigen Schlucht dahinsprengten; er sah sogar die Hunde und erwartete jeden Augenblick, daß der Fuchs auf jener Seite, auf dem Wintersaatfeld, ihm werde sichtbar werden.
Nun setzte sich der Jäger, der in der Grube hielt, in Bewegung und ließ seine Hunde los, und Nikolai erblickte einen Rotfuchs, der eigentümlich niedrig aussah und mit gesträubtem Schwanz eilig über das Wintersaatfeld lief. Die Hunde stürmten zu ihm hin. Nun waren sie ihm nahe, und der Fuchs begann zwischen ihnen kunstvolle Kreise zu beschreiben, immer schneller und schneller, und mit dem buschigen Schweif um sich zu schlagen. Da warf sich ein weißer Hund, welchen Nikolai nicht kannte, auf ihn und nach diesem ein schwarzer, und alles mischte sich durcheinander, und dann standen die Hunde sternförmig, mit den Hinterteilen nach außen, da, fast ohne sich zu rühren. Zu den Hunden sprengten zwei Jäger hin: der eine mit roter Mütze, der andere, ein fremder, in einem langschößigen, grünen Rock.
»Was ist da los?« dachte Nikolai. »Wo kommt dieser Jäger her? Zum Onkel gehört er nicht.«
Die Jäger nahmen den Hunden den Fuchs ab und standen längere Zeit zu Fuß da, ohne ihn an den Sattelriemen zu binden. Neben ihnen standen, an den Zügeln gehalten, die Pferde mit ihren hohen Sattelbögen; die Hunde hatten sich hingelegt. Die Jäger machten heftige Bewegungen mit den Armen und nahmen mit dem Fuchs irgend etwas vor. Da erscholl von dort ein Ton des Jagdhorns, das übliche Signal einer Rauferei.
»Da hat ein Jäger des Herrn Ilagin einen Streit mit unserm Iwan«, sagte Nikolais Leibjäger.
Nikolai schickte den Leibjäger ab, um die Schwester und Petja herbeizurufen, und ritt im Schritt nach dem Platz hin, wo die[404] Piköre die Hunde sammelten. Einige der Jäger sprengten nach dem Ort hin, wo die Schlägerei stattfand.
Nikolai stieg vom Pferd und blieb mit Natascha und Petja, die auch herbeigeritten kamen, bei den Hunden stehen, um auf Nachrichten zu warten, welchen Ausgang die Sache dort nehme. Hinter dem Waldsaum hervor erschien zu Pferd der Jäger, der an der Schlägerei beteiligt gewesen war; den Fuchs hatte er am Sattelriemen hängen; er ritt auf den jungen Herrn zu. Schon von weitem nahm er die Mütze ab und versuchte, respektvoll etwas zu sagen; aber er war blaß und außer Atem, und sein Gesicht hatte einen grimmigen Ausdruck. Das eine Auge war ihm blaugeschlagen; aber das wußte er wahrscheinlich gar nicht.
»Was habt ihr denn da gehabt?« fragte Nikolai.
»Na, so was! Er wird da unsern Hunden ihre Beute wegnehmen! Und gerade meine mausgraue Hündin hatte den Fuchs gegriffen. Komm an, wenn du Streit suchst! Er greift nach dem Fuchs. Ich schlage ihn dem Fuchs um die Ohren. Da hängt er am Sattelriemen. Aber den hier willst du wohl nicht kosten ...?« sagte der Jäger, indem er auf seinen Dolch wies; er hatte offenbar die Vorstellung, daß er immer noch mit seinem Feind spräche.
Ohne sich in ein weiteres Gespräch mit dem Jäger einzulassen, bat Nikolai seine Schwester und Petja, hier auf ihn zu warten, und ritt nach der Gegend hin, wo sich diese feindlichen Ilaginsche Jagdgesellschaft befand.
Der Sieger in der Schlägerei ritt in den Schwarm der übrigen Jäger hinein und erzählte diesen, die ihn voll Interesse und Neugier umringten, seine Heldentat.
Die Sache war die, daß Herr Ilagin, mit welchem Rostows eine Menge Streitigkeiten und Prozesse hatten, an Orten jagte, die nach alter Tradition der Familie Rostow gehörten, und jetzt,[405] anscheinend absichtlich, seine Leute nach dem freiliegenden Buschwald hatte reiten lassen, wo Rostows jagten, und seinem Jäger erlaubt hatte, unter widerrechtlicher Mitbenutzung fremder Hunde zu hetzen.
Nikolai hatte Herrn Ilagin nie gesehen; aber da er es überhaupt nicht verstand, in seinen Ansichten und Gefühlen den Mittelweg innezuhalten, so haßte er ihn aufgrund der Gerüchte von seiner Frechheit und Eigenmächtigkeit von ganzer Seele und betrachtete ihn als seinen ärgsten Feind. In zorniger Erregung ritt er jetzt zu ihm hin, die Hand fest um den Griff der Hetzpeitsche pressend und völlig bereit, gegen seinen Feind in der energischsten Weise vorzugehen.
Kaum war er um einen vorspringenden Teil des Waldes herumgeritten, als er einen wohlbeleibten Herrn erblickte, der ihm entgegengeritten kam; er trug eine Bibermütze, saß auf einem schönen Rappen und war von zwei Leibjägern begleitet.
Statt eines Feindes fand Nikolai in Herrn Ilagin einen stattlichen, höflichen Herrn, der den lebhaften Wunsch hegte, die Bekanntschaft des jungen Grafen zu machen. Zu Rostow heranreitend lüftete Ilagin seine Bibermütze und sagte, er bedauere das Vorgefallene außerordentlich; er werde Befehl geben, den Jäger zu bestrafen, der sich erlaubt habe, sich in eine fremde Hetzjagd hineinzumischen; er bitte den Grafen um seine Bekanntschaft und biete ihm sein eigenes Terrain zur Jagd an.
Natascha, welche fürchtete, ihr Bruder könne irgend etwas Schreckliches anrichten, war ihm in großer Aufregung in einiger Entfernung nachgeritten. Als sie nun sah, daß die beiden Feinde sich freundlich begrüßten, ritt sie zu ihnen heran. Ilagin hob vor Natascha seine Bibermütze noch mehr in die Höhe und bemerkte mit einem angenehmen Lächeln, die Komtesse gleiche der Göttin Diana sowohl hinsichtlich ihrer Leidenschaft für die[406] Jagd als auch hinsichtlich ihrer Schönheit, von der er schon viel gehört habe.
Um das Verschulden seines Jägers wiedergutzumachen, bat Ilagin seinen neuen Bekannten dringend, doch nach seinem eigenen, eine Werst entfernten Gehege mitzukommen, das er für seinen persönlichen Gebrauch reserviert habe, und in dem es seiner Versicherung zufolge von Hasen wimmelte. Nikolai nahm diese Einladung an, und die nun auf das Doppelte angewachsene Jagdgesellschaft zog weiter.
Um nach dem Ilaginschen Gehege zu gelangen, mußten sie über die Felder reiten.
Die Jäger verteilten sich in gleichmäßigen Abständen, die Herrschaften jedoch ritten zusammen. Der Onkel, Rostow und Ilagin musterten die fremden Hunde, aber nur verstohlen, damit es die andern nicht merkten, und suchten voll Unruhe aus diesen Hunden diejenigen herauszufinden, die sich als Rivalen ihrer eigenen Hunde entpuppen würden.
Rostow war besonders von der Schönheit einer kleinen rotgescheckten Hündin in Ilagins Koppel überrascht. Es war dies ein Tier von reiner Rasse, schmal gebaut, aber mit stählernen Muskeln, mit feiner Schnauze und vorstehenden, schwarzen Augen. Er hatte von dem feurigen Temperament der Ilaginschen Hunde gehört und sah in dieser schönen Hündin eine Rivalin seiner Milka.
Mitten in einem soliden Gespräch über die diesjährige Ernte, welches Ilagin angeknüpft hatte, zeigte Nikolai auf die rotgescheckte Hündin.
»Da haben Sie eine schöne Hündin!« warf er lässig hin. »Ist sie schneidig?«
»Die? O ja, das ist ein braves Tier, fängt gut«, antwortete Ilagin in gleichgültigem Ton mit Bezug auf seine rotgescheckte Jorsa, für die er im vorigen Jahr seinem Nachbar drei Familien[407] Leibeigene gegeben hatte. »Also bei Ihnen, Graf, ist der Erdrusch auch nicht zu rühmen?« fuhr er in dem begonnenen Gespräch fort. Da er es aber für ein Gebot der Höflichkeit hielt, dem jungen Grafen mit gleicher Münze zu zahlen, so musterte Ilagin dessen Hunde und wählte Milka aus, die ihm durch ihren breiten Körperbau in die Augen fiel.
»Eine schöne schwarzgescheckte haben Sie da; vortrefflich gebaut!« sagte er.
»O ja, es geht, sie jagt ganz gut«, antwortete Nikolai. Und im stillen dachte er: »Es sollte nur hier auf dem Feld ein tüchtiger Hase laufen, dann würde ich dir schon zeigen, was das für ein Hund ist!« Und sich zu dem Leibjäger umwendend, sagte er, er werde demjenigen einen Rubel geben, der einen liegenden Hasen auffinde.
»Es ist mir unbegreiflich«, fuhr Ilagin fort, »wie manche Jäger einander um das Wild oder um ihre Hunde beneiden können. Ich will Ihnen sagen, Graf, wie es in dieser Hinsicht mit mir selbst steht. Sehen Sie, mir macht es schon Vergnügen, nur so einen Ritt zu machen; da trifft man dann solche angenehme Gesellschaft ... was kann man sich Schöneres denken?« (Er nahm wieder vor Natascha seine Bibermütze ab.) »Aber daß ich die Felle zählen sollte, die ich nach Hause bringe, nein, das ist mir völlig gleichgültig!«
»Ja, gewiß.«
»Oder daß ich mich gekränkt fühlen sollte, wenn ein fremder Hund das Wild greift, und nicht meiner ... Ich will mich ja doch nur an dem Anblick der Hetze erfreuen; nicht wahr, Graf? Darum bin ich der Ansicht ...«
»Faß ihn!« erscholl in diesem Augenblick der langgezogene Ruf eines Hundeaufsehers, der stehengeblieben war. Er stand auf dem halben Abhang eines Stoppelfeldes, hielt die Hetzpeitsche[408] in die Höhe und wiederholte noch einmal gedehnt: »Fa-aß ih-ihn!« Dieser Ruf und die aufgehobene Hetzpeitsche bedeuteten, daß er einen liegenden Hasen vor sich sah.
»Ah, es scheint, er hat einen Hasen aufgefunden«, sagte Ilagin lässig. »Nun schön, dann lassen Sie uns hetzen, Graf!«
»Ja, wir wollen hinreiten ... Was meinen Sie, wollen wir zusammen hetzen?« antwortete Nikolai und warf einen Blick auf Jorsa und auf des Onkels roten Rugai, zwei Rivalen, mit denen er noch nie Gelegenheit gehabt hatte seine Hunde konkurrieren zu lassen. »Aber wenn sie nun meiner Milka eine böse Niederlage bereiten?« dachte er, als er jetzt neben dem Onkel und Ilagin nach der Stelle hinritt, wo der Hase lag.
»Ob es auch wohl ein tüchtiger Hase ist?« fragte Ilagin, während sie auf den Jäger zuritten, der den Hasen aufgefunden hatte, blickte sich unruhig nach seiner Jorsa um und pfiff ihr.
»Nun, und Sie, Michail Nikanorowitsch?« wandte er sich an den Onkel.
Der Onkel ritt mit mürrischem Gesicht neben den beiden andern.
»Wozu soll ich mich da hineinmischen! Eure Hunde haben ja, klar und selbstverständlich, jeder ein ganzes Dorf gekostet; das sind Tausendrubel-Hunde. Laßt eure miteinander wettkämpfen; ich werde zusehen!«
»Rugai! Hierher, hierher!« schrie er. »Rugajuschka!« fügte er hinzu und brachte unwillkürlich durch dieses Diminutiv seine Zärtlichkeit und die Hoffnung, die er auf diesen roten Hund setzte, zum Ausdruck. Natascha sah und spürte die Aufregung, welche diese beiden alten Männer und ihr Bruder zu verbergen suchten, und wurde selbst ganz aufgeregt.
Der Jäger auf der halben Höhe des Berges stand immer noch mit erhobener Hetzpeitsche da; die Herrschaften ritten im Schritt[409] zu ihm heran; die Hetzhunde, die man fern am oberen Rand des Berges gegen den Himmel sah, zogen in einer von dem Hasen abgewandten Richtung; auch die Jäger, mit Ausnahme der Herrschaften, entfernten sich von ihm. Alles bewegte sich ruhig und langsam.
»Wohin liegt er mit dem Kopf?« fragte Nikolai, als sie sich dem Jäger, der den Hasen entdeckt hatte, auf etwa hundert Schritte genähert hatten.
Aber der Jäger hatte noch nicht Zeit gefunden zu antworten, als der Hase, dem die Sache unheimlich wurde, das Stilliegen aufgab und aufsprang. Die Meute der Hetzhunde, noch an den Koppelriemen, stürmte mit Gebell bergab auf den Hasen los; von allen Seiten eilten die Windhunde, die nicht angekoppelt waren, zu den Hetzhunden und zu dem Hasen hin. Alle diese Jäger, die sich noch soeben nur langsam bewegt hatten, jagten nun über das Feld: die einen suchten mit dem Ruf: »Halt!« ihre Hunde von einer falschen Richtung abzubringen, die andern mit dem Ruf: »Faß ihn!« den ihrigen die Richtung zu geben und sie anzufeuern. Der ruhige Ilagin, Nikolai, Natascha und der Onkel flogen dahin, ohne selbst zu wissen, wohin und wie; sie sahen nur die Hunde und den Hasen und fürchteten weiter nichts, als auch nur einen Augenblick lang den Gang der Hetzjagd aus den Augen zu verlieren. Der Hase erwies sich als ein großes, kräftiges Tier. Nachdem er aufgesprungen war, lief er nicht sogleich los, sondern bewegte die Ohren und horchte auf das Geschrei und Pferdegetrappel, das auf einmal von allen Seiten ertönte. Dann machte er nicht besonders schnell etwa zehn Sprünge, während deren die Hunde ihm näher kamen, und nun endlich, nachdem er die Gefahr begriffen und die Richtung gewählt hatte, legte er die Ohren an und lief aus Leibeskräften. Er hatte auf dem Stoppelfeld gelegen; aber vor ihm befand sich ein Wintersaatfeld, dessen[410] Boden aufgeweicht war. Die beiden Hunde des Jägers, der den Hasen entdeckt hatte, waren, da sie ihm von allen am nächsten gewesen waren, auch die ersten, die ihn erblickten und sich an die Verfolgung machten; aber sie waren noch weit davon entfernt, ihn einzuholen, als von hintenher an ihnen vorbei Ilagins rotgescheckte Jorsa hervorschoß, sich dem Hasen auf eine Hundelänge näherte, nun ihre Geschwindigkeit ganz gewaltig steigerte, nach dem Schwanz des Hasen schnappte und, in der irrigen Meinung, ihn gefaßt zu haben, Hals über Kopf herumrollte. Der Hase bog den Rücken krumm und lief mit noch größerer Schnelligkeit weiter. An Jorsa vorbei stürmte nun die schwarzgescheckte Milka mit dem breiten Hinterteil vorwärts und begann schnell gegen den Hasen aufzurücken.
»Milka, mein braves Tier!« hörte man Nikolai triumphierend schreien. Es schien, daß Milka im nächsten Augenblick zupacken und den Hasen greifen werde; aber als sie ihn eingeholt hatte, schoß sie an ihm vorbei: der Hase hatte sich seitwärts geduckt. Nun setzte ihm wieder die schöne Jorsa zu und hing dicht über dem Schwanz des Hasen; um sich nicht wieder zu irren, beabsichtigte sie, wie es schien, nach dem einen Hinterlauf zu fassen.
»Liebste Jorsa! Mein Schätzchen!« rief Ilagin mit weinerlicher, fremdartig klingender Stimme. Jorsa hatte keine Zeit, auf sein Flehen zu achten. Aber gerade in dem Augenblick, wo man erwarten mußte, daß sie den Hasen packen werde, machte er einen Seitensprung auf den Grenzrain zwischen dem Wintersaatfeld und dem Stoppelfeld. Wieder liefen Jorsa und Milka Kopf an Kopf wie ein Zweigespann nebeneinander hinter dem Hasen her; aber auf dem Grenzrain wurde dem Hasen das Laufen leichter, und die Hunde kamen ihm nur ganz allmählich näher.
»Rugai, lieber Rugai! Klar und selbstverständlich!« schrie in diesem Augenblick eine neue Stimme, und Rugai, der rote,[411] bucklige Hund des Onkels, holte, sich abwechselnd streckend und den Rücken krümmend, die beiden ersten Hunde ein, überholte sie, steigerte mit furchtbarer Selbstaufopferung schon dicht bei dem Hasen sein Tempo noch weiter, drängte ihn von dem Grenzrain auf die Wintersaat, unternahm auf dem schmutzigen Wintersaatfeld, wo er bis an die Knie einsank, einen zweiten, noch grimmigeren Ansturm, und nun war nur zu sehen, daß er, den Rücken mit Schmutz besudelt, sich mit dem Hasen zusammen herumkugelte. Ein Stern von Hunden umringte ihn. Eine Minute darauf hielten alle Jäger um die dichtgedrängten Hunde. Nur der glückselige Onkel stieg vom Pferd und schnitt dem Hasen den einen Hinterlauf ab. Er schüttelte den Hasen, damit das Blut abliefe, blickte dann erregt mit umherirrenden Augen um sich, ohne zu wissen, wo er mit seinen Händen und Füßen bleiben sollte, und redete, er wußte selbst nicht mit wem und was. »Das war ein schönes Stückchen ... das ist mal ein Hund ... alle hat er sie geschlagen, die, welche tausend Rubel, und die, welche einen Rubel gekostet haben. Klar und selbstverständlich«, sagte er ganz außer Atem und blickte grimmig um sich, als ob er jemanden ausschelte, und als ob die Umstehenden sämtlich seine Feinde wären und ihn sämtlich beleidigt hätten und es ihm erst jetzt endlich gelungen wäre, sich zu rechtfertigen. »Da seht ihr, was eure Tausendrubel-Hunde leisten! Klar und selbstverständlich ...!«
»Rugai, da hast du einen Lauf!« sagte er und warf dem Hund den abgeschnittenen Hinterlauf des Hasen mit der daranklebenden Erde hin. »Hast es redlich verdient! Klar und selbstverständlich!«
»Sie war übermüdet; dreimal hatte sie ihn allein eingeholt«, sagte Nikolai, ebenfalls ohne zu hören, was ein anderer sagte, und ohne sich darum zu kümmern, ob man ihm zuhörte oder nicht.[412]
»Was ist das für ein Ruhm, von der Seite!« bemerkte Ilagins Leibjäger.
»Ja, wenn einem guten Hund ein Mißgeschick widerfahren ist, dann kann den müde gehetzten Hasen jeder Hofhund greifen«, sagte gleichzeitig Ilagin, der von dem schnellen Ritt und der Erregung ganz rot aussah und fast keine Luft hatte. Und in demselben Augenblick kreischte Natascha vor Freude und Entzücken, ohne dazwischen Atem zu holen, so durchdringend auf, daß den Hörern die Ohren gellten. Sie drückte mit diesem Kreischen dasselbe aus, was die andern Jäger gleichzeitig durch ihr Gespräch zum Ausdruck brachten. Und dieses Kreischen war so sonderbar, daß sie selbst sich dieser wilden Gefühlsäußerung hätte schämen müssen und alle sich darüber höchlichst gewundert haben würden, wenn dies sich zu anderer Zeit zugetragen hätte. Der Onkel band selbst den Hasen an den Sattelriemen, warf ihn mit einer geschickten, energischen Bewegung über das Hinterteil des Pferdes, als ob er durch diesen Schwung beim Hinüberwerfen allen einen Vorwurf machen wollte, setzte sich mit einer Miene, wie wenn er mit niemand weiter reden möge, auf seinen Hellbraunen und ritt für sich allein. Die übrigen, sämtlich verdrossen und sich gekränkt fühlend, brachen gleich falls auf und waren erst lange nachher imstande, sich wieder zu dem früheren gleichmütigen Wesen zu zwingen. Lange noch blickten sie von Zeit zu Zeit nach dem roten Rugai, der, den buckligen Rücken mit Schmutz bedeckt und mit dem Koppeleisen klirrend, mit der ruhigen Miene des Siegers hinter dem Pferd des Onkels herging.
Nikolai hatte die Empfindung, als besagte die Miene dieses Hundes: »Freilich, ich sehe aus wie jeder andere Hund, solange keine Hetzjagd in Frage steht; aber wenn das der Fall ist, dann nehmt euch zusammen!«
Als eine ziemliche Weile nachher der Onkel zu Nikolai heranritt[413] und ein Gespräch mit ihm anknüpfte, da fühlte sich Nikolai dadurch geschmeichelt, daß der Onkel nach allem Vorgefallenen sich herbeiließ mit ihm zu reden.
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