Auf dem Balkon

Die beiden schauten, wie die Schwalben leicht entflogen,

Die eine rosig blond, bleich und mit schwarzem Haare

Die andre, und das matte Nachtkleid floss dem Paare

Sanft nieder, wolkengleich, in weichen, üpp'gen Wogen.


Und beide schmachtend, gleich dem Asphodelos, sogen,

Da weich der Mond gen Himmel stieg, der runde, klare,

Tief atmend die Erregung ein, die wunderbare,

Der Dämmerung, das Herz von trübem Glück durchzogen.


So träumten Arm in Arm geheimnisvoll durchschauert,

Ein seltsam Paar, das andre Liebende bedauert,

Am Rande des Balkons die beiden jungen Frauen.


Dahinter, tief im Zimmer, das in Nacht sich tauchte,

Erschloss, stolz wie ein Thron im Singspiel anzuschauen,

Sich das zerwühlte Bett, das süssen Duft enthauchte.

Quelle:
Verlaine, Paul: Ausgewählte Gedichte. Leipzig 1983, S. 110-111,113.
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