[26] Simon Morgaz! Ein verabscheuter Name bis hinab in die dürftigsten Hütten der canadischen Provinzen! Ein Mann, auf dem seit langen Jahren der Fluch des Volkes lastet! Ein Simon Morgaz, das ist der Verräther, der seine Brüder ausgeliefert und sein Vaterland verkauft hat!
Vor Allem wird man das in Frankreich verstehen, das »jetzt nicht mehr weiß, wie unversöhnlich der Haß ist, den der Verrath am Vaterland verdient.«
Im Jahre 1825 – zwölf Jahre vor dem Aufstande von 1837 – hatten einige französische Canadier den Grund gelegt zu einer Verschwörung mit dem Endziel, Canada der englischen Herrschaft zu entreißen, die so schwer auf ihm lastete. Unerschrockene, thätige, energische Männer mit weitem Blick, zum größten Theil Abkömmlinge der ersten Einwanderer, welche Neu-Frankreich gegründet hatten, konnten sie sich nicht mit dem Gedanken aussöhnen, daß der Verlust ihrer Colonie zu Gunsten Englands ein endgiltiger sein sollte. Selbst zugegeben, daß das Land nicht mehr an die Enkel eines Cartier und eines Champlain, die es im 16. Jahrhundert entdeckt hatten, kommen sollte, hatte es nicht wenigstens das Recht, unabhängig zu sein? Ganz gewiß; und um ihm diese Unabhängigkeit zu erwerben, setzten jene Patrioten ihren Kopf auf's Spiel.
Unter ihnen befand sich Herr de Vaudreuil, ein Nachkomme des früheren Gouverneurs von Canada unter Ludwig XIV. – aus einer jener Familien,[26] deren französische Namen zum großen Theil zu geographischen Namen in der canadischen Karthographie geworden sind.
Jener Zeit zählte Vaudreuil fünfunddreißig Jahre, denn er erblickte das Licht der Welt 1790 in der Grafschaft Vaudreuil, zwischen dem St. Lorenzo im Süden und dem Ottawa im Norden, an der Grenze der Provinz Ontario.
Die Freunde des Herrn Vaudreuil waren gleich ihm französischer Abstammung, obwohl vielfache Verbindungen mit anglo-amerikanischen Familien die allmähliche Veränderung ihrer ursprünglichen Namen herbeigeführt hatten. Hierzu gehörten der Professor Robert Farran in Montreal, François Clerc, ein reicher Grundbesitzer von Châteaugay, und einige andere, denen Geburt und Reichthum einen fühlbaren Einfluß auf die Bewohnerschaft der Flecken und Dörfer verlieh.
Der eigentliche Anführer der Verschwörung war Walter Hodge, von amerikanischer Herkunft. Obwohl er schon sechzig Jahre zählte, hatte das Alter die Wärme seines Blutes doch noch nicht zu vermindern vermocht. Während des Unabhängigkeitskrieges gehörte er zu jenen kühnen Freiwilligen, jenen »Skinners« deren etwas zu wilde Gewaltthaten Washington wohl oder übel tadeln mußte, denn ihre Compagnien waren sonst stets bei der Hand, die königliche Armee zu beunruhigen. Bekanntlich haben seit Ende des 18. Jahrhunderts die Vereinigten Staaten Canada mehrfach aufgefordert, sich der amerikanischen Föderation anzuschließen. Damit erklärt es sich, daß ein Amerikaner, wie Walter Hodge, sich an dieser Verschwörung betheiligt hatte und sogar deren Leiter geworden war. Er gehörte zu jenen Männern, welche als Wahlspruch die drei Worte angenommen hatten, welche die ganze Monroe-Doctrin enthalten: »Amerika den Amerikanern!«
Walter Hodge und seine Genossen hatten niemals aufgehört, gegen die Bedrückungen der englischen Verwaltung, welche allmählich unerträglich wurden, Einspruch zu erheben. Im Jahre 1822 fanden sich ihre Namen in dem Proteste gegen die Vereinigung von Ober- und Unter-Canada mit dem der beiden Brüder Sanguinet, welche achtzehn Jahre später neben so vielen anderen Opfern ihren Anschluß an die nationale Partei mit dem Leben büßen sollten. Sie führten den Kampf schriftlich und mündlich, als es sich darum handelte, gegen die ungerechte Vertheilung von Ländereien aufzutreten, welche ausschließlich Bureaukraten zugesprochen worden, um das englische Element zu verstärken. Persönlich kämpften sie ferner gegen die Gouverneure Sherbrooke, Richmond, Monk und[27] Maitland, betheiligten sich an der Verwaltung der Colonie und schlossen sich allen Handlungen der oppositionellen Abgeordneten an.
Uebrigens war die Verschwörung von 1825, welche ganz bestimmte Ziele im Auge hatte, ohne Mitwirkung der Liberalen der canadischen Kammer organisirt worden. Wenn Papineau und seine Collegen Cuvillier, Bédard, Viger, Quesnel und andere auch nichts davon wußten, so konnte Walter Hodge doch auf Jene zählen, um die Erfolge derselben, wenn solche errungen wurden, zu sichern. Vor Allem handelte es sich nämlich darum, sich der Person des Lord Dalhousie zu versichern, der 1820 für das Amt des General-Gouverneurs der canadischen Colonien Amerikas berufen worden war.
Bei seinem Antritt schien Lord Dalhousie eine nachgiebige Politik einhalten zu wollen. Ohne Zweifel verdankte man nur ihm die officielle Anerkennung des römischen Bischofs von Quebec, und Montreal, Rose, Regiopolis wurden bald darauf die Sitze der Bischöfe. Das britische Cabinet verweigerte aber Canada hartnäckig, sich selbst zu regieren. Die von der Krone auf Lebenszeit ernannten Mitglieder des gesetzgebenden Körpers waren alle Engländer von Geburt und legten die vom Volk erwählte Vertretung desselben vollständig lahm. In einer Bevölkerung von sechshunderttausend Seelen, welche damals fünfhundertfünfundzwanzigtausend französische Canadier zählte, wurden Dreiviertel aller Aemter allein von Leuten angelsächsischer Herkunft verwaltet. Endlich war auch von Neuem davon die Rede, den gesetzlichen Gebrauch der französischen Sprache in der ganzen Colonie ein- für allemal zu verbieten.
Um diese Anordnungen zu hintertreiben, bedurfte es nichts geringeren als eines Gewaltactes, und der Plan Walter Hodge's, Robert Farran's, François Clerc's und Vaudreuil's ging denn auch dahin, sich des Lord Dalhousie und der hauptsächlichsten Mitglieder des gesetzgebenden Körpers zu bemächtigen, darauf, wenn dieser Staatsstreich gelungen wäre, eine Volksbewegung in den Grafschaften des St. Lorenzo hervorzurufen, eine provisorische Regierung einzusetzen, bis durch allgemeine Wahlen eine Nationalregierung errichtet wäre, und endlich die canadischen Milizen der regulären Armee entgegenzuwerfen.
Die Verschwörung hätte auch vielleicht Erfolg gehabt, wenn nicht der Verrath eines der Theilnehmer sie zum Scheitern brachte.
Dem Walter Hodge und seinen franco-canadischen Parteigängern hatte sich ein gewisser Simon Morgaz angeschlossen, dessen Lebensverhältnisse und Abkunft wir hier kurz mittheilen müssen.[28]
Im Jahre 1825 zählte Simon Morgaz fünfundvierzig Jahre. Rechtsanwalt in einem Lande, wo es mehr Rechtsanwälte als Klienten gibt, ebenso wie weit mehr Aerzte als Patienten, lebte er in ziemlich dürftigen Verhältnissen zu Chambly, einem kleinen Flecken am rechten Ufer des Richelieu, etwa zehn Lieues (fünf deutsche Meilen) von Montreal, an der anderen Seite des St. Lorenzo.
Simon Morgaz war ein entschlossener Mann, dessen Energie besonders bemerkt wurde, als die Reformer gegen die Handelsweise des englischen Cabinets protestirten. Sein offenes Benehmen, sein ansprechendes Gesicht machten ihn Allen sympathisch. Niemals hätte Jemand geargwohnt, daß die Person eines Verräthers sich dereinst aus diesem verführerischen Aeußern entpuppen sollte.
Simon Morgaz war verheiratet. Seine um acht Jahre jüngere Frau zählte damals achtunddreißig Jahre. Bridget Morgaz, von amerikanischer Herkunft, war die Tochter des Major Allen, dessen Muth man im Unabhängigkeitskriege, wo er zu den persönlichen Adjutanten Washington's gehörte, schätzen gelernt hatte. Der vollendetste Typus der Loyalität in ihrer reinsten Gestalt, hätte er für ein gegebenes Wort mit der Ruhe eines Regulus das Leben geopfert.
In Albani, Staat New-York, war es, wo Simon Morgaz und Bridget sich begegneten und kennen lernten. Der junge Advocat war von franco-canadischer Abstammung, ein Umstand, der bei Major Allen ins Gewicht fiel, da dieser seine Tochter niemals einem Manne von englicher Abkunft gegeben hätte. Obwohl Simon Morgaz kein eigenes Vermögen besaß, war dem jungen Haushalt durch das, was Bridget als mütterliches Erbtheil zukam, wenn auch kein Reichthum, so doch eine gewisse Wohlhabenheit gesichert. Die Ehe wurde in Albany im Jahre 1806 geschlossen.
Das Leben der beiden Neuvermählten hätte ein recht glückliches sein können, war das aber keineswegs. Nicht daß Simon Morgaz die Rücksichten gegen seine Gattin aus den Augen gesetzt hätte, im Gegentheil, er bewahrte für sie eine innige Zuneigung – so verzehrte ihn doch eine Leidenschaft – die Spielwuth. Das Erbtheil Bridgets verschwand binnen wenigen Jahren, und obgleich Simon Morgaz den Ruf eines geschickten Advocaten besaß, reichte seine Thätigkeit als solcher doch nicht hin, um die Lücken in seinem Vermögen wieder auszufüllen. Litt seine Gattin nun zwar nicht geradezu Noth, so ertrug sie doch, und zwar mit einer gewissen Würde, so manche Qualen. Bridget machte ihrem Manne keinerlei Vorwürfe. Da ihre Ermahnungen fruchtlos geblieben waren, nahm[29] sie die ihr zugefallene Prüfung mit Resignation, ja mit rühmenswerthem Muthe hin, wenn die Zukunft auch schwer bewölkt vor ihr lag.
Bridget hatte diese wirklich nicht für sich allein zu fürchten. In den ersten Jahren ihrer Ehe hatte sie zwei Kindern das Leben gegeben, welche in der Taufe denselben, nur wenig veränderten Vornamen erhielten, was an ihre gleichzeitig französische und amerikanische Abstammung erinnerte. Der Aeltere, Joann, war 1807 geboren; der Jüngere, Johann, 1808. Bridget widmete sich ausschließlich der Erziehung ihrer Söhne; Joann war von sehr sanftem Charakter Johann sehr lebhaften Temperamentes, Beide aber energisch unter ihrer Sanftmuth und ihrer Lebhaftigkeit. Sie hielten sich sichtlich mehr an ihre Mutter, welche ernsten Sinnes und arbeitsfreudig war und eine liebenswürdige Art und Weise hatte, die Umstände und Verhältnisse anzuschauen, welche Simon Morgaz vollständig abging. Ihrem Vater gegenüber bewahrten die Söhne deshalb wohl einen gewissen Respect, zeigten aber nichts von der natürlichen Hingebung, von jenem unbegrenzten Vertrauen, welches sonst ein Ausfluß der nächsten Blutsverwandtschaft ist. Ihrer Mutter hingegen bewiesen sie eine Hingebung ohne Grenzen, eine Liebe, die aus dem Kinderherzen nur überquoll, um das ihrige zu erfüllen. Bridget und ihre Söhne waren verbunden durch das doppelte Band der kindlichen Liebe und der mütterlichen Zärtlichkeit, welches nichts zu zerreißen vermag.
Nach der ersten Periode ihrer Kindheit, traten Joann und Johann in das Colleg zu Chambly ein, in welchem sie mit einer Classe Unterschied einander folgten. Man zählte sie mit Recht zu den ersten Schülern der oberen Abtheilungen. Als sie dann zwölf und dreizehn Jahre alt geworden waren, besuchten sie das Colleg zu Montreal, wo sie sich ebenfalls rühmlich auszeichneten. Noch zwei Jahre, und sie sollten ihre Studien vollendet haben, als die Ereignisse von 1825 eintraten.
Wohnten Simon Morgaz und seine Frau auch nicht in Montreal, wo das Bureau des Advocaten mehr und mehr zurückging, so hatten sie sich doch noch ein kleines Haus in Chambly bewahrt. Dort trafen sich Walter Hodge und seine Freunde, als Simon Morgaz dieser Verschwörung beigetreten war, deren erste Handlung, wenn die Verhaftung des General-Gouverneurs geglückt wäre, in der Errichtung einer provisorischen Regierung zu Quebec bestehen sollte.
In dem Flecken Chambly und unter dem Schutze dieser bescheidenen Wohnung konnten sich die Verschwörer für sicherer halten als in Montreal,[30] wo die Polizei mit äußerster Strenge Alles überwachte. Trotzdem gingen sie stets mit größter Klugheit vor, um jeden Versuch einer Spionage auf falsche Fährte zu leiten.
Sie hatten auch Waffen und Schießbedarf bei Simon Morgaz untergebracht, ohne daß deren Transport je den geringsten Verdacht erregt hätte. In dem Hause zu Chambly also war es, wo die Fäden des Complots zusammenliefen und von wo das Signal zur Erhebung ausgehen sollte.
Indessen hatten der Gouverneur und seine Umgebung doch von dem gegen die Krone geplanten Staatsstreich Wind bekommen, und sie ließen vorzüglich diejenigen Abgeordneten scharf überwachen, welche sich durch ihre anhaltende Opposition gekennzeichnet hatten.
Es muß hier jedoch wiederholt darauf hingewiesen werden, daß Papineau und seine Collegen von dem Plane Walter Hodge's und seiner Parteigänger nichts wußten. Diese hatten den 26. August zur Ergreifung der Waffen bestimmt, welche ebenso ihre Freunde wie ihre Feinde überraschen sollte.
Am Vorabend des Tages wurde das Haus Simon Morgaz' plötzlich von den Agenten der Polizei, letztere unter der Leitung Rip's, gerade in dem Augenblicke gestürmt, wo die Verschworenen darin versammelt waren. Diese fanden nicht mehr Zeit, ihre geheimen Schriftstücke zu vernichten oder die Listen ihrer Anhänger zu verbrennen. Die Beamten bemächtigten sich auch der in den Kellern des Hauses versteckten Waffen. Das Complot war entdeckt; Walter Hodge, Robert Farran, François Clerc, Simon Morgaz, Vaudreuil und noch ein Dutzend anderer Patrioten wurden unter sicherer Bedeckung ins Gefängniß nach Montreal abgeführt.
Die Erklärung hierfür bietet Folgendes:
In Quebec befand sich jener Zeit ein gewisser Rip, von anglo-canadischem Herkommen, der ein Auskunfts- und Nachforschungsbureau für Private leitete, dessen sich aber auch die Regierung zu wiederholten Malen und nicht ohne Nutzen bedient hatte. Sein Geschäft arbeitete unter der Firma Rip & Cie. Eine polizeiliche Angelegenheit war für ihn nichts weiter als eine Geldangelegenheit und er trug dieselbe in die Bücher ein, wie ein Kaufmann, der Geschäfte in Pausch und Bogen abzuschließen pflegt – so viel für eine Auskunft, so viel für eine Verhaftung und so viel für eine Spionage u.s.w. Er war ein sehr verschlagener und daneben unerschrockener Mann und zu Allem zu gebrauchen, der die Hand oder vielmehr die Nase in unendlich vielen Privatangelegenheiten stecken hatte.[31] Ganz frei von jedem Scrupel, besaß er auch nicht einen Schatten von moralischer Empfindung.
Als Rip im Jahre 1825 seine Agentur begründete, zählte er dreißig Jahre. Schon hatte ihm seine bewegliche Physiognomie, sein Geschick sich zu verkleiden, Gelegenheit verschafft, in verschiedenen Verhältnissen unter wechselndem Namen aufzutreten. Seit einigen Jahren kannte er Simon Morgaz, mit dem er in einigen vor Gericht anhängigen Sachen zusammengetroffen war. Gewisse Eigenthümlichkeiten, die jedem Anderen ganz bedeutungslos gewesen wären, erweckten in ihm den Gedanken, daß der Advocat bei der Verschwörung von Chambly betheiligt sein müsse.
Er drängte sich nun an jenen mehr heran, suchte seine geheimsten Privatangelegenheiten auszukundschaften und stellte sich wiederholt in seinem Hause ein, obwohl Bridget Morgaz den Widerwillen kaum verbarg, den er ihr einflößte.
Ein auf der Post aufgefangener Brief bewies bald[32] die Betheiligung des Advocaten fast mit aller Bestimmtheit. Der Polizeiminister, der von Rip über das Ergebniß seiner Schritte unterrichtet worden war, empfahl ihm, recht[33] geschickt bezüglich dieses Simon Morgaz vorzugehen, von dem man wußte, daß er immer in drückender Geldverlegenheit schwebte. Da stellte ihm Rip eines Tages diese zwei Alternativen: entweder wegen Landesverraths in Untersuchung genommen zu werden, oder die ungeheuere Summe von hunderttausend Piaster zu erhalten, wenn er sich dazu verstand, seine Genossen zu nennen und die Einzelheiten des Complots von Chambly darzulegen.
Der Advocat schien wie vom Donner gerührt... Seine Gefährten verrathen!... Sie um Geld zu verkaufen!... Sie aufs Schaffot zu bringen!... Und doch, er unterlag, er nahm den Preis für den Verrath an, entschleierte die Geheimnisse der Verschwörung, nachdem ihm die Zusicherung geworden, daß sein gewissenloses Verhalten niemals bekannt würde. Gleichzeitig wurde verabredet, daß die Beamten ihn selbst mit Walter Hodge und seinen Freunden verhaften sollten, daß er von den nämlichen Richtern abgeurtheilt werden und das Urtheil, welches diese träfe – es konnte kein anderes als ein Todesurtheil sein – auch ihn treffen würde. Dann sollte ihm vor Vollstreckung desselben Gelegenheit zur Flucht geboten werden.
Diese verabscheuungswerthe Abmachung sollte also das Geheimniß des Polizeiministers, des Chefs vom Hause Rip & Cie. und des Simon Morgaz bleiben. Alles verlief zunächst wie besprochen. An dem von dem Verräther bezeichneten Tage wurden die Verschwörer ahnungslos in dem Hause von Chambly überrascht. Walter Hodge, Robert Farran, François Clerc, Vaudreuil nebst einigen ihrer Genossen ebenso wie Simon Morgaz selbst erschienen am 25. September 1825 auf der Anklagebank des Gerichtshofes.
Auf die Anschuldigungen, welche der Kronadvocat – der Richteradvocat, wie man ihn damals nannte – gegen sie vorbrachte, antworteten die Angeklagten nur mit ganz gerechten und directen Angriffen gegen das britische Cabinet. Den gesetzlichen Argumenten wollten sie nur Argumente, die ihrem Vaterlandsgefühle entstammten, entgegensetzen. Sie wußten ja, daß sie im Voraus verurtheilt waren und daß Nichts sie zu retten vermochte.
Schon währten die Verhandlungen mehrere Stunden und nahmen bisher ihren regelmäßigen Verlauf, als ein Zwischenfall unerwartetes Licht über das Verhalten Simon Morgaz' verbreitete.
Einer der geladenen Zeugen, ein Herr Turner aus Chambly, erklärte, daß der Advocat mehrmals mit dem Chef des Hauses Rip & Cie. verhandelnd gesehen worden sei. Das wirkte wie ein erlösender Blitz. Walter Hodge und[34] Vaudreuil, welche schon eine Zeit lang aus dem merkwürdigen Benehmen Simon Morgaz' Verdacht geschöpft hatten, sahen diesen jetzt durch die Aussagen des Zeugen Turner bestätigt. Um die mit so vorsichtiger Geheimhaltung vorbereitete Verschwörung so kurzer Hand zu entdecken, mußte ein Verräther die Uebrigen denuncirt haben. Rip wurde nun mit Fragen bestürmt, welche er nicht ohne Verlegenheit beantworten konnte. Simon Morgaz seinerseits sachte sich zu vertheidigen, verwickelte sich aber dermaßen in Widersprüche und gab so eigenthümliche Erklärungen ab, daß die Ansicht der Verschworenen ebenso wie der Richter bald vollkommen feststand. Ein Elender hatte seine Genossen verrathen, und dieser Verräther war Simon Morgaz.
Da entstand eine nicht einzudämmende Bewegung auf der Bank der Angeklagten und verbreitete sich unter die Zuhörer, welche sich im Sitzungssaale drängten.
»Herr Präsident, sagte Walter Hodge, wir verlangen, daß Simon Morgaz von dieser Bank, die durch unsere Gegenwart geehrt, durch die seinige verunglimpft wird, entfernt werde! Wir wollen nicht länger durch die Berührung mit diesem Menschen beschmutzt werden.«
Vaudreuil, Clerc, Farran, wie die Uebrigen schlossen sich Walter Hodge an, der sich nicht zu halten vermocht und sich auf Simon Morgaz gestürzt hatte, welchen die Wachtposten vor seiner Wuth schützen mußten. Die Beisitzer nahmen ebenfalls Partei gegen den Verräther und verlangten entschieden, daß man den Reclamationen der Angeklagten Folge gebe. Der Gerichtspräsident mußte Befehl geben, Simon Morgaz zu entfernen und ihn ins Gefängniß zurückzuführen. Die Flüche, welche ihn begleiteten, die Drohungen, welche so Viele auf ihn schleuderten, bewiesen, daß man ihn für einen Elenden hielt, dessen Verrath den begeistertsten Verfechtern der canadischen Unabhängigkeit das Leben kosten sollte.
Wirklich wurden auch Walter Hodge, François Clerc, Robert Farran, welche man als die Hauptführer oder Leiter der Verschwörer von Chambly erkannte, zum Tode verurtheilt.
Am zweitfolgenden Tage, am 27. September, starben sie nach einem letzten Appell an den Patriotismus ihrer Brüder auf dem Schaffot.
Was die anderen Angeklagten betraf, unter denen sich auch Herr de Vaudreuil befand, so schenkte man diesen, ob sie nun minder belastet erschienen oder die Regierung nur die hervorragendsten Anführer mit der Todesstrafe[35] treffen wollte, noch das Leben. Zu ewiger Kerkerhaft verurtheilt, erhielten sie die Freiheit erst 1829 zurück, als eine Amnestie für alle politischen Verbrecher erlassen wurde.
Was aus Simon Morgaz nach der Urtheilsvollstreckung geworden war? Nachdem ihm ein Freilassungsbefehl gestattet, dem Gefängnisse in Montreal den Rücken zu kehren, beeilte er sich von der Bildfläche zu verschwinden.
Der Fluch der Allgemeinheit lastete aber auf seinem Namen und traf dabei auch die armen Wesen, welche an seiner Verrätherei doch völlig unschuldig waren. Bridget Morgaz wurde mit roher Gewalt aus dem Hause gejagt, das sie in Montreal bewohnte, ebenso aus dem in Chambly, wohin sie sich während der Untersuchung der Angelegenheit zurückgezogen hatte. Sie mußte auch ihre beiden Söhne wieder aufnehmen, welche aus dem Colleg ebenso verdrängt worden waren, wie ihr Vater von der Bank der Angeklagten im Gerichtssaale.
Als seine Frau mit den Kindern wieder mit ihm zusammengetroffen war, suchte Simon Morgaz seine ehrlose Existenz erst in einem entfernten Flecken, dann aber ganz außerhalb des Districts von Montreal zu verbergen.
Bridget hatte jedoch an das Verbrechen ihres Gatten gleichwenig glauben wollen, wie die Söhne an das ihres Vaters. Alle Vier hatten sich nach dem Dorfe Verchères in der Grafschaft dieses Namens am rechten Ufer des St. Lorenzo zurückgezogen. Sie hofften, daß kein Verdacht sie der öffentlichen Mißfälligkeit überliefern werde. Die Unglücklichen lebten hinfort von den letzten Hilfsmitteln, welche ihnen geblieben waren; denn obwohl Simon Morgaz durch Vermittlung des Hauses Rip den ihm für den Verrath zugesicherten Betrag empfangen hatte, hütete er sich doch, davon gegen seine Frau und seine Söhne etwas merken zu lassen. Ihnen gegenüber behauptete er fortwährend seine Unschuld und verdammte die Ungerechtigkeit der Menschen, welche ihn und seine Familie ins Elend gebracht habe. Mußte er denn nicht, wenn er Verrath geübt hatte, beträchtliche Summen zur Verfügung haben, oder würde er es mit angesehen haben, so weit herunterzukommen, wo das schlimmste Elend sich ihm raschen Schrittes näherte?
Bridget Morgaz hielt an dem Glauben fest, daß ihr Mann unschuldig sei. Sie freute sich fast ihrer Armuth, welche seinen Anklägern doch offenbar Unrecht gab. Der Schein war wohl gegen ihn gewesen... Man hatte ihm aber nicht gestattet sich auszusprechen... Er fiel nur einem schrecklichen Zusammentreffen äußerer Umstände zum Opfer... Eines Tages wird er sich schon rechtfertigen... Er war ja schuldlos![36]
Die beiden Söhne angehend, so hätte man in ihrem Benehmen gegen das Haupt der Familie wohl gewisse Unterschiede wahrnehmen können. Der Aeltere, Joann, hielt sich meist sehr zurück und wagte gar nicht an den Schandfleck zu denken, der in Zukunft auf dem Namen Morgaz haften würde. Die für und wider sprechenden Umstände, welche sich seinem Geiste zuweilen aufdrängten, suchte er möglichst zu verscheuchen, um sie gar nicht mehr abwägen zu müssen. Er wollte über seinen Vater nicht zu Gericht sitzen, so sehr fürchtete er, daß sein Urtheil gegen ihn ausfallen könnte. Er schloß die Augen, schwieg und schlich von dannen, wenn seine Mutter und sein Bruder zu Jenes Gunsten sprachen... Offenbar befürchtete das bedauernswerthe Kind, den Mann, dessen Sohn er war, schuldig zu finden.
Johann dagegen nahm eine ganz abweichende Stellung ein. Er glaubte wirklich an die Unschuld des Genossen eines Walter Hodge, Farran und de Clerc, soviel Momente denselben auch zu belasten schienen. Erregbarer als Joann und minder Herr des eigenen Urtheiles, ließ er sich von den Instincten der Kindesliebe willenlos hinreißen. Er blieb eben gefesselt durch jene Bande des Blutes, welche die Natur so schwer löslich gemacht hat. Er wollte seinen Vater öffentlich vertheidigen. Als er die über Simon Morgaz geführten üblen Nachreden vernahm, drohte ihm das Herz zu zerspringen, und seine Mutter mußte ihn zurückhalten, um einen Scandal zu verhüten. So lebte die unglückliche Familie unter einem angenommenen Namen in Verchères – aber in tiefem moralischen und materiellen Elende, und man weiß nicht, zu welchen Excessen sich die Einwohnerschaft des Fleckens hätte hinreißen lassen, wenn ihre Vergangenheit zufällig entschleiert worden wäre.
So war in ganz Canada, in den Städten wie in den erbärmlichsten Dörfern, der Name Simon Morgaz zum entehrenden Schimpfworte geworden. Man stellte ihn ohne Bedenken mit dem eines Judas zusammen oder speciell mit den Namen Black's und Deins' de Vitré, welche in der Sprache der französischen Canadier schon längst mit der Bezeichnung Verräther gleichbedeutend waren.
Im Jahre 1759 nämlich hatte dieser Deins de Vitré, ein Franzose, die Infamie begangen, der englischen Flotte nach Quebec hinein als Lootse zu dienen und Frankreich dadurch diese Hauptstadt zu entreißen, und 1757 hatte jener Black, ein Engländer, den proscribirten Amerikaner Mac Long, der sich ihm anvertraut und der an der Bewegung der Canadier theilgenommen hatte, seinen[37] Feinden ausgeliefert. Der edle Patriot war gehenkt worden, und dann schnitt man ihm noch den Kopf ab und verbrannte seine Eingeweide, die aus dem Cadaver gerissen worden waren.
Wie man nun früher Black und Vitré gesagt hatte, so sagte man jetzt auch Simon Morgaz – drei Namen, welche dem öffentlichen Fluche verfallen waren.
In Verchères fingen die Bewohner jedoch bald an, sich über die Anwesenheit dieser Familie, deren Herkunft Niemand kannte, über deren geheimnißvolles Leben, über das Incognito, welches sie zu bewahren liebte, ernsthafter zu beunruhigen. Allmählich häufte sich gegen dieselbe ein gewisser Verdacht an, und eines Nachts wurde der Name Black an die Hausthüre Simon Morgaz' geschrieben.
Am folgenden Tage hatten seine Frau, die beiden Söhne und er Verchères verlassen. Nach Ueberschreitung des St. Lorenzo ließen sie sich einige Tage in einem der Dörfer des linken Stromufers nieder; dann als die Aufmerksamkeit der Leute sich mehr auf sie lenkte, vertauschten sie dieses mit einem anderen. Es war nur noch eine umherirrende Familie, an deren Sohlen sich die allgemeine Verwünschung heftete. Man hätte sagen können, daß die Göttin der Rache, eine lodernde Flamme in der Hand, sie ebenso verfolgte, wie in der biblischen Legende den Mörder Abel's. Da Simon Morgaz und die Seinigen nirgends festen Fuß zu fassen vermochten, durchzogen sie nacheinander die Grafschaften Assomption, Terrebonne, Deux Montagnes und Vaudreuil und gelangten so immer weiter nach Westen, in dünner bevölkerte Gegenden, wo ihnen endlich aber doch der wahre Name ins Gesicht geschleudert wurde.
Zwei Monate nach dem Urtheilsspruche vom 25. September hatten der Vater, die Mutter, Joann und Johann bis in die Gebiete von Ontario flüchten müssen. Von Kingston, wo sie in dem Gasthause, das ihnen Unterkunft gewährt hatte, erkannt wurden, mußten sie auf der Stelle weiter wandern. Simon Morgaz gewann kaum Zeit, unter dem Schutze der Nacht zu flüchten. Vergebens hatten Bridget und Johann sich bemüht, ihn zu vertheidigen. Sogar sie selbst konnten sich nur mit Mühe einer schlechten Behandlung entziehen, und Joann, der ihren Rückzug deckte, wäre dabei fast noch getödtet worden.
Alle Vier fanden sich am Rande des Sees, einige Meilen von Kingston, wieder zusammen. Sie beschlossen hier, dem Nordrande desselben zu folgen, um die Vereinigten Staaten zu erreichen, da sie selbst in Ober-Canada, welches eigentlich außerhalb des Einflusses der Reformer lag, keinen Schlupfwinkel mehr[38] fanden. Und doch erwartete sie jenseits der Grenze wahrscheinlich der nämliche Empfang, in einem Lande, wo man dem Verrathe eines Black gegen einen Bürger der amerikanischen Föderation nach immer fluchte.
Am besten wäre es also gewesen, ein unbekanntes Land zu finden, sich selbst inmitten eines Indianerstammes niederzulassen, bis wohin der Name eines Simon Morgaz jedenfalls noch nicht gedrungen war. Vergeblich. Der Elende wurde überall zurückgestoßen. Ueberall kannte man ihn, als ob er ein Kainszeichen an der Stirn trüge, das ihn der allgemeinen Verachtung bezeichnete.
Inzwischen nahte sich der November seinem Ende. Welch' mühselige Wanderschaft, wenn es nun galt, der schlechten Witterung, dem eisigen Winde, der schrecklichen Kälte Trotz zu bieten, welche den Winter in diesem Lande der Seen begleiten! Beim Durchzuge durch die Dörfer kauften die Söhne dann einige Lebensmittel, während der Vater sich außerhalb jener aufhielt. Sie schliefen, wenn es möglich war, im Grunde verlassener Hütten, sonst aber in Aushöhlungen von Felsen oder unter den Bäumen jener grenzenlosen Wälder, welche das Land bedecken.
Simon Morgaz wurde mit der Zeit immer düsterer und menschenscheuer; er hörte nicht auf, sich vor den Seinigen zu entschuldigen, als ob ein unsichtbarer Verfolger sich an seine Fersen geheftet und immer gerufen hätte: Verräther!... Verräther! Bald schien es, als wagte er gar nicht mehr seiner Frau und seinen Kindern ins Gesicht zu sehen. Bridget tröstete ihn wohl mit zärtlichen Worten, und wenn Joann noch immer Stillschweigen bewahrte, so hörte doch Johann nicht auf, sich auszusprechen.
»Vater!... Vater!... rief er wiederholt, lass' Dich nicht niederdrücken! Die Zeit wird die Verleumder noch entlarven!... Man wird erkennen, daß man sich geirrt... daß gegen Dich weiter nichts als der Schein spricht. Du, Vater, Du sollst Deine Freunde, Deine Heimat verrathen haben!...
– Nein!... Nein!... antwortete Simon Morgaz«, doch mit so schwacher Stimme, daß man ihn kaum verstehen konnte.
Von Dorf zu Dorf irrend, gelangte die Familie so bis zum nördlichen Ende des Sees, einige Meilen vom Fort Toronto. Folgte sie von hier aus dem Ufer weiter, so galt es nur bis zum Niagaraflusse hinunter zu gehen und diesen an der Stelle, wo er sich in den See ergießt, zu überschreiten, um endlich am amerikanischen Ufer zu sein.[39]
Wollte Simon Morgaz hier wohl Halt machen oder schien es nicht rathsamer, weit tiefer nach Westen hinaus zu ziehen, um eine so entfernte Gegend zu erreichen, daß das Gerücht von seiner Infamie noch nicht bis dahin gedrungen sein konnte? Doch welchen Ort würde er dann wählen? Seine Frau und seine Kinder wußten darüber nichts, da er immer schweigend vor sich hinwanderte und sie ihm nur zu folgen hatten.
Am 3. December gegen Abend machten die Unglücklichen von Hunger und Anstrengung erschöpft in einer Höhle Halt, welche von Buschwerk und Dornen halb verdeckt war – wahrscheinlich ein zur Zeit verlassener Schlupfwinkel eines Raubthieres. Die wenigen ihnen noch verbliebenen Nahrungsmittel waren auf dem Sande ausgebreitet worden. Bridget brach unter der Bürde der physischen und moralischen Anstrengungen fast zusammen. Jedenfalls war es unumgänglich, daß die Familie Morgaz im nächsten Dorfe einige Tage die Gastfreundschaft eines Indianerstammes genießen mußte – ein Wunsch, den auch die Canadier jenen niemals abschlugen.
Vom Hunger zernagt, genossen Joann und Johann ein wenig kaltes Wild. An diesem Abend aber wollten oder konnten Simon Morgaz und Bridget nichts zu sich nehmen.
»Vater, Du mußt Deine Kräfte erhalten!« bat Johann.
Simon Morgaz antwortete nicht.
»Mein Vater, sagte da Joann – und das war das erste und einzige Mal, daß er seit dem Fortgange aus Cambly das Wort an ihn richtete – mein Vater, wir können nicht mehr weiter... Unsere Mutter würde jeder ferneren Anstrengung unterliegen. Jetzt befinden wir uns ja nahe der amerikanischen Grenze; willst Du auch noch über diese hinausgehen?«
Simon Morgaz blickte seinen älteren Sohn an und seine Augen senkten sich fast sogleich wieder. Joann fuhr fort:
»Sieh doch, in welchem Zustand unsere Mutter sich befindet! Sie kann kaum noch eine Bewegung machen! Diese Erschöpfung raubt ihr auch noch den letzten Rest von Willenskraft, der ihr vielleicht geblieben... Morgen wird es ihr unmöglich sein, sich zu erheben. Mein Bruder und ich, wir werden sie natürlich tragen... Doch müssen wir nun wissen, wohin Du ziehen willst, und das darf auch nicht allzufern sein. Hast Du darüber einen Entschluß gefaßt, Vater?«
Simon Morgaz antwortete nicht; er beugte den Kopf herab und zog sich in den Hintergrund der Höhle zurück.[40]
Die Nacht war hereingebrochen. Kein Geräusch störte die Einsamkeit, dicke Wolken bedeckten den Himmel und drohten sich in einen gleichmäßigen Nebel umzuwandeln. Kein Windhauch strich durch die Luft, nur dann und wann unterbrach ein entferntes Geräusch das Todesschweigen dieser Einöde. Bald begann ein dichter Schnee zu fallen.
Da es ziemlich kalt war, sammelte Johann etwas dürres Holz, das er in einer Ecke nahe dem Eingang in Brand setzte, so daß der Rauch einen Abzug nach außen finden konnte.
Auf einem Lager von trockenem Laub, das Joann zusammengetragen, hingestreckt, blieb Bridget völlig unbeweglich. Das schwache Leben, welches noch in ihr wohnte, verrieth sich nur durch mühsame, von langen und schmerzlichen Seufzern unterbrochene Athemzüge. Während Joann ihre Hand gefaßt hielt, beschäftigte sich Johann, das Feuer zu schüren, um die Temperatur wenigstens auf erträglichem Grade zu halten.
Simon Morgaz, der sich halb liegend im Hintergrunde befand und dessen Züge die reinste Verzweiflung widerspiegelten, als habe er Abscheu vor sich selbst, machte ebenfalls keine Bewegung, während der Widerschein der Flammen sein krampfhaft zuckendes Gesicht beleuchtete.
Der Schein des Feuers verdüsterte sich allmählich und Johann fühlte, daß ihm die Augen wider Willen zufielen.
Er hätte nicht sagen können, wie viel Stunden er in dieser halben Betäubung verharrte, doch kaum erwacht, sah er, daß die letzten Kohlen eben verglimmen wollten.
Johann erhob sich, er warf einen Arm voll Zweige auf den Herd, den er durch Anblasen wieder in Brand setzte, und in der Höhle ward es wieder hell.
Bridget und Joann befanden sich nebeneinander wie vorher und verhielten sich noch immer regungslos. Simon Morgaz war nicht mehr da, ohne daß Jemand ahnte, wie er die Stelle verlassen habe, wo seine Frau und seine Söhne ruhten.
Von trübem Vorgefühl erfüllt, eilte Johann aus der Höhle, als ein scharfer Knall erfolgte.
Bridget und Joann richteten sich schnell auf; Beide hatten den Schuß vernommen, der offenbar nur in ganz geringer Entfernung abgefeuert wurde. Bridget stieß einen Schreckensschrei aus, sie erhob sich und trat, gestützt von ihren Söhnen, aus der Höhle.[43]
Alle Drei hatten noch keine zwanzig Schritte gemacht, als sie einen auf dem Schnee ausgestreckten Körper entdeckten.
Es war der des Simon Morgaz. Der Unglückliche hatte sich eine Pistolenkugel ins Herz geschossen.
Er war todt.
Joann und Johann wichen entsetzt zurück. Die Vergangenheit trat ihnen vor die Augen. Sollte es doch richtig sein, daß ihr Vater schuldig war, oder hatte er nur in einem Anfall von Verzweiflung diesem Leben, das er nicht mehr zu ertragen vermochte, ein Ende machen wollen?
Bridget hatte sich auf den Leichnam ihres Gatten geworfen, den sie in die Arme schloß... Sie wollte nicht an die Ehrlosigkeit des Mannes glauben, dessen Namen sie trug.
Joann hob seine Mutter auf und führte sie in die Höhle zurück, wo sein Bruder und er den Körper seines Vaters an derselben Stelle niederlegten, den dieser vor wenigen Stunden eingenommen hatte.
Eine Brieftafel war seiner Tasche entfallen; Joann hob sie auf, und beim Oeffnen derselben quoll ein starkes Packet Banknoten aus derselben hervor.
Das war der Preis, um den Simon Morgaz die Häupter der Verschwornen von Chambly verrathen hatte! – Die Mutter und die beiden Söhne konnten jetzt daran nicht mehr zweifeln.
Joann und Johann knieten neben Bridget nieder.
Jetzt gab es, angesichts der Leiche des Verräthers, der an sich selbst Gerechtigkeit geübt, nur noch eine gebrandmarkte Familie, deren Namen mit dem, der ihn entehrt, verschwinden sollte.
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Die Fledermaus ist eine berühmtesten Operetten von Johann Strauß, sie wird regelmäßig an großen internationalen Opernhäusern inszeniert. Der eingängig ironische Ton des Librettos von Carl Haffner hat großen Anteil an dem bis heute währenden Erfolg.
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
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