34. Tafellied

[272] 1787.


Odi profanum vulgus et arceo.

Horat.


Wie hehr im Glase blinket

Der königliche Wein!

Wie strömt sein Duft! O trinket,

Und laßt uns fröhlich sein!

Doch fälscht ein Rebenhasser

Den Feuertrank mit Wasser;

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Und reicht ihm klares Wasser!
[272]

Der edle Wein erweitert

Des edlen Mannes Herz,

Erhellt den Geist, und läutert

Des Wortes Ernst und Scherz.

Will jemand einen Sparren

Zu viel ins Dach uns narren;

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Und laßt ihm seinen Sparren!


Es strahlt, wie Gottes Sonne,

Die Wahrheit allgemein;

Nicht Kirche, Log' und Tonne

Des Denkers schließt sie ein.

Wenn etwa Schält' im Dunkeln

Von eigner Wahrheit munkeln;

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Und lacht der Schälk' im Dunkeln!


Kocht thöricht Gold im Tiegel,

Und blast den Diamant;

Raubt Salomonis Siegel,

Der Geister Graun, und bannt!

Doch wird zum Trank der Jugend

Gebraut der Sterne Tugend;

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Nur Wein ist Trank der Jugend!
[273]

Wer Messe liebt zu plärren

Am hellen Fronaltar,

Der spiel' auch Tempelherren

In weißem Amtstalar!

Doch trennt man uns vom Bunde

Der feuchten Tafelrunde;

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Und fei'rt die Tafelrunde!


Beim Trunk gehört ein König,

(So war's in alter Zeit!)

Der, trinkt ein Gast zu wenig,

Ihm Dreimaldrei gebeut!

Doch raunt man von Sankt Petern,

Und unbekannten Vätern;

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Trotz unbekannten Vätern!


Wir zechen gern in Frieden,

Und glauben, was man kann!

Im Osten auch und Süden

Wohnt mancher Biedermann,

Doch rühmt ein Schalk uns Kloster,

Tonsur und Paternoster;

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Und schickt ihn heim ins Kloster!
[274]

Auf! füllt das Glas, ihr Lieben,

Und trinkt den lieben Wein;

Sei's Dreimaldrei, sei's Sieben,

Die bös', auch Dreimalneun!

Doch sperrt ein Schalk den Schnabel

Zu Pfaffentrug und Fabel;

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Frisch!

Trommelt auf den Tisch!

Und schlagt ihm auf den Schnabel!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 272-275.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Mickiewicz, Adam

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.

266 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon