Phaethon an Theodor

Sieh, das ist doch nicht recht, Theodor, daß ich so absterbe für jede unschuldige Freude und immer weniger Kind werde!

Es ist ein Fest heut im Dorf. Alles freut sich. Alles eine Seele! Die muntern Leute tanzen um die Linde. Überall klingen Flöten und Schallmeien. Ich saß wieder unter meiner Eiche. Der offene Platz um die Linde lag frei vor mir. Auch mein Johannes war unter der Masse. Nur ein paarmal sah ich ihn, wie er, seinen Arm um das schlanke Mädchen geschlungen, den fröhlichen Reigen tanzte. Alles, alles ein Jubel! Theodor, und ich nahm keinen Teil daran! Was sollt' ich auch unter ihnen tun? Mich liebt ja niemand! Es hätt' ihnen ihre Freude nur gestört, hätten sie den trauernden Jüngling gesehen. Und laß mich's Dir nur gestehn: ich sah ihre Freude mit Neid, wollte mich zwingen, traurig zu sein, und wäre doch so gerne fröhlich gewesen.

Ach, glücklicher Johannes! seufzt' ich, hättest Du ein Königreich zu Deinem liebenden Mädchen und ließest[53] mir die Wahl, was ich möchte: ich nähme das liebe zarte Geschöpf.

Und ich ward wieder still. Ja, ja, rief ich dann wieder aus, ich will mir's nur recht oft vorsagen: ich bin ungeliebt, ungeliebt!

Ich war wie aufgelöst, konnte mich nimmer halten. Ich Armer weinte laut.

O Theodor, aus der Welt hätt' ich mögen gehen!

Quelle:
Wilhelm Waiblinger: Phaeton. Teil 1 und 2. Dresden 1920, S. 53-54.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Phaeton
Phaeton: Roman