Phaethon an Theodor

[194] Übermorgen ist meine Abreise bestimmt. Mir ist fürchterlich bange darauf.

Atalanta ist wie ein andres Wesen. Ihr Angesicht ist blaß wie der Mond. Sie weint fast immer und spricht wenig. Aber in ihrem Auge schwimmt der ganze Schmerz der Seele. Sie scheint ihn mit Gewalt zu unterdrücken. Nur manchmal bricht er hervor in heißen Tränen, wenn ich zu wild bin und die Bebende ans Herz presse. Katon ist wenig um mich.

Alles zu verlassen! Das alte Mausoleum, das Schlößchen, die drei Säulen, den Tempel des Eros, den heitern See, meine Polyxena, Katon, Cäcilie und sie, sie! Ach, Theodor, das kann ich nicht denken! Auch sie, mein Leben, meinen Himmel!

Menschen, die mich nicht kennen, nicht lieben, nicht verstehen! O, da steh' ich stille!

Das Wörtchen Tod war für mich Unsinn! Aber nun? O!

Reiße mich los von Gott wie von ihr, dann bin ich – tot!

Quelle:
Wilhelm Waiblinger: Phaeton. Teil 1 und 2. Dresden 1920, S. 194-195.
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