Erholung

[511] Sieh, wie die Erde wackelt,

Wie alles niederstürzt,

Die Sonne ängstlich fackelt

Und ihre Flammen kürzt,

Wenn ich dich halte Brust an Brust

Und du mit scharfen Zähnen

Verbissen dich in wilder Lust

In meine glühnden Venen.

Es wogt dein Leib, es dröhnt dein Herz,

Dein Odem züngelt höllenwärts,

Und aus der Tiefe steigen

Miasmen freud- und leidenschwer;

Dein Kichern tanzt darüber her

Den fahlen Elfenreigen.

Und zuckt die Flamme übers Haus,

Wie sinkt das All in Nacht und Graus;

Der Himmelslichter Glanz verblich,

Die Stürme heulen fürchterlich,

Es schmettern die Posaunen.

Die Jugend reißt die Ohren auf,

Das Alter hemmt den Tageslauf;

Sie schaudern und erstaunen.

Der Sieger nimmt ein Bad und blickt

Verächtlich nach dem Pfühle,

Die Seele frei, der Leib erquickt

Von frischer Morgenkühle.

Die ganze Welt ist Jubelsang,

Die Sonne lacht den Wald entlang;

Dann lacht auch der Verächter

Sein gellend Hohngelächter.[511]


Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1969, S. 511-512.
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