Der Sieg über sich selbst

[11] Hört zu! ich will die Weisheit singen:

Die Kunst, sich selbsten zu bezwingen,

Kenn ich, ich kenne sie allein.

Es lehrt kein Dockter und Professer

Sie leichter, gründlicher und besser:

Trinkt Wein!

Dieß lernt euch weise seyn.


Müßt ihr euch vor Markolphen beugen,

Seht ihr ihn täglich höher steigen,

Man weist euch ab, läßt Narren ein:

O laßt die Narren beyeinander,

Und schleichet aus der Antichamber

Zum Wein:

Da seyd ihr groß, er klein.
[12]

Zwingt euch Gelastens Glück zum Neide:

Euch kleidet Wolle: doch ihn Seide:

Ihr geht, er muß gefahren seyn.

Er fahre! und berechne Schulden!

Geht ihr, und gebt den letzten Gulden

Für Wein:

So schlaft ihr ruhig ein.


Wenn sich die Nachbarn mit euch zanken,

Und eure kämpfenden Gedanken

Den Tod zum mindsten ihnen dräun:

So lauft ja nicht zum Advocaten;

Ihr könnt euch selbst am klügsten rathen:

Trinkt Wein!

So werdet ihr verzeihn.


Wenn Chloris ewig grausam bleibet,

Und Spott mit eurem Feuer treibet,

Das eure Musen kläglich schreyn:

So zittert nicht vor euer Leben;

Eilt, ihnen gleich den Rest zu geben!

Trinkt Wein!

So wird es euch gereun.

Quelle:
Christian Felix Weiße: Scherzhafte Lieder, Leipzig 1758, S. 11-13.
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