Grablied auf einen in der Schlacht gebliebenen jungen Helden

[69] Jüngling.


Hier fiel der Jüngling unser Freund!

Der Held sank hier dahin!

Noch schlug er sterbend seinen Feind,

Fiel siegreich über ihn.


Mädchen.


Der Mädchen stiller Wunsch war Er!

Der jungen Manner Neid:

Der Kriegesgott im Helm und Speer,

Apoll im Friedenskleid.


Chor der Jünglinge und Mädchen.


Auf! stattet der Zärtlichkeit Pflichten ihm ab!

Umpflanzet mit düstern Cypressen sein Grab!

Erhebt ihn in Liedern, und baut ihm Altäre,

Und weint ihm der Liebe gebeiligte Zähre!


[70] Jüngling.


Voll Schweis und Blut riß seine Hand

Viel an ihr Lebensziel:

Für König und für Vaterland

Verblutet er und fiel!


Mädchen.


Da trug ihn hoch sein stolzes Roß,

Voll von des Jünglings Muth:

Für uns, für unsre Mütter floß

Sein edles Heldenblut!


Chor der Jünglinge und Mädchen.


Des Jünglings Verdiensten und Thaten getreu,

Erbaut ihm Tropheen und singt ihn dabey!

Und nennet ihn unter den Helden, den Größten,

Und unter den Freunden der Menschen, den Besten!


[71] Jüngling.


Nicht Wall noch Mauern schreckten ihn,

Er schwung sich kühn darauf!

Zuletzt riß ihn sein Muth dahin

In seines Ruhmes Lauf.


Mädchen.


Noch todt, schön, wie der Maja Sohn,

Lag er voll Blut besprützt:

Ein ewger Nachruhm bleibt sein Lohn:

Man sing ihn spät, wie itzt!


Chor der Jünglinge und Mädchen.


Pflückt Rosen und Veilchen sein Grab zu bestreun!

Umpflanzt es mit Rosen, begießt es mit Wein!

Umhänget die Urne mit blühenden Kränzen!

Sein Name wird bey den Unsterblichen glänzen!

Quelle:
Christian Felix Weiße: Scherzhafte Lieder, Leipzig 1758, S. 69-72.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Sophonisbe. Trauerspiel

Sophonisbe. Trauerspiel

Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.

178 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon