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[21] Friedreich, Faust, Mephistopheles.
FAUST. Ja, da kömmt ein Greis! – Ja ich erkenne seine Züge. Mein Herz empört sich noch bey seinem Anblicke. Er war mein Feind, aber ich habe ihn meine ganze Rache fühlen lassen.[21] Wie er aussieht! diese Lumden die ihn decken, dieser gekrümte Rücken, dieser Staab, der ihn stützt, sind die klarsten Zeichen meiner Rache. Ha, ich fühle noch ein süsses Vergnügen.
FRIEDREICH. Ja, ich erkenne ihn! meine Augen sehen meinen Wohlthäter. Sey mir gesegnet, Freund, sey mir tausendmal gesegnet! – Ich breite über diese wohlthätigen Hände meine grauen Haare, und wasche sie mit meinen Thränen.
FAUST. Was hör ich! Ich staune!
FRIEDREICH. Der Himmel wolle dir wieder vergelten, was du mir Gutes gethan hast.
FAUST. Ich habe dich ja deines Vermögens beraubt.
FRIEDREICH. Dafür dank ich dir tausendmal. Ich war ein reicher Schwelger, der Eckel begleitete mich überall; aber durch deine Güte trat ich in den glücklichen Stand, in dem ich der Reichste bin.
FAUST. Was besitzest du denn in diesem Stande?
FRIEDREICH. Nichts!
FAUST. Nichts! und du bist der Reichste?
FRIEDREICH. Aber setze hinzu, daß ich auch nichts bedarf. Der ist ein Bettler mit einem Königreich, der andere ein König mit einem Jochacker.
FAUST. Was macht denn dich reich?
FRIEDREICH. Dieß Herz! – In meinem Gemüthe herrscht eine Stille, diese würzet mir das Allmosen, das mir die Menschlichkeit zukommen läst.
FAUST. Geh, ich erkenne es, du bist reicher, glücklicher als ich jemals gewesen bin. Wenn ich[22] dich noch haßte; so gäb ich dir deine Reichthümer wieder. Geh hin in Frieden, und leb wohl.
FRIEDREICH. Leb ewig wohl, mein Wohlthäter, ich werde den Himmel für dich anruffen. Geht ab.
MEPHISTOPHELES. Was hab ich gesagt? Bist du überzeugt? Aber ich will dir noch mehr Beweise geben. Es kommen schon einige von denen, die du glücklich machen wolltest. Sey itzt ihr Vertrauter, ich werde einen Fremdling spielen. Sie werden uns ihr Herz eröfnen.
Ausgewählte Ausgaben von
Johann Faust
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