[Epilog]

[117] DER HERROLT.

Nun hand ir gesehen frumme leut

Diß spil und was ein solchs bedüt

On allen zwivel wol verstanden

Wie diser sun in grossen schanden

Sein hab und gůt gantz hat verton

In hochmůt al sein freünd verlon

Sich böser gselschafft under gmengt

Darzů an falsche weiber ghenckt

Darbey hand ir auch wol vernummen

Was lons im zlest daraus sey kummen

Wie dan gwonlich eim jeden glingt

So noch yppiger gselschafft ringt

Darumb folgt mir ir jungen knaben

Der eltern gbot vor augen haben

Und hengt euch nit an solche rot

Sunst werd ir zletzt der welt zů spot

Von allen menschen gar veracht

Do bey gschumpfieret und verlacht

Als ir dan alhie hand gesehen

Wies dem verlornen sun ist gscheen

Der do vergaß der treywen leer

Sins vatters / und fůr von im feer

In frembde land hat mit seim gůt

Ein gar kleine zeit lichten můt

So lang das er gar aus hat getreschen

Do thet al sein gselschafft verleschen

Leid ellend hunger und armůt

Auff dletz er sich bekeren thůt

Kumpt zů seim vatter bgeret gnodt

Der vatter im entgegen godt

Empfocht den sun in groser gdult

Verzeücht im all sein sünd und schuld[117]

Bekleidet in mit reichem gwand

Mit ringlin schmuckt er im sein hand

Und schlachtet im ein feistes kalb

Und halt im groß fest allenthalb

Berieff darzů sein fründ alsand

Drumb frummen Christen sind ermand

Und thůnd kein sünder nit verachten

Der sein sünd hertzlich thůt betrachten

Und hat darüber rew und leidt

Bedenckt was Esaias seit12

Welcher verwůst / auch wüst wirt gmacht

Welcher verschmecht der wirt veracht

Der prophet David auch verkündt13

Das kein mensch leben thůt on sünd

Lis Matheum am sibden dort14

Und Marcum am zehenden ort15

Zůn Römern 14. dritten und zweiten16

Thůt uns Paulus auch wol bescheiden

Ouch dort zu den Corinthern stot17

Welcher mensch sich bduncken lot

Wie er gantz steif stand unbeweglich

Der sol vor dem fal hüten sich

Den Gallatern thůt er auch schin18

Spricht also lieben brüder min

So einen under euch by weilen

Etwan ein fal thůt übereilen

Den underweisen gantz senftmütig

Im geist und sind gen im gantz gütig

Ein jeder bdenck sein sitten gberd

Das er nit auch versuchet werd

Paulus Timotheum thůt lern

Wie sich sol haltn ein knecht des herrn19

Jacobus und Johannes beid20

Die geben uns auch waren bscheid

Das man kein sünder sol verachten[118]

Sunder mit allem fleiß drauff trachten

Das man sie von den sünden keer

Und sie fruntlichen weiß und leer

Weil wir dan sind al Adams kinder

Ungrecht für got und arme sünder

So wellend wir uns wenden nun

Zům vatter wie hat gdon der sun

So lange zeit verloren war

Und durch die sünd gestorben gar

Wan wir uns also thůn bekeren

Wirt uns der gnedig vatter hören

Wie dan Tobias sagt davon21

In seim bůch find ich geschriben ston

Er spricht ir sünder thůn euch bkeren

Und hoffend got werd euch erhören

Salomon in sein sprichn erzalt

Der grecht zů sibenmolen falt22

Ouch sibenmolen sich auffricht

Der gotlos fal in unglück beschicht

Das bůch der wißheit zeigt uns an

Das die bůß nimpt die sünd hindan

So thůt uns Esaias leren23

Wie wir uns zů got sollen keren24

Jonas Ezechiel Jeremias25

Lucas Marcus und Mathias26

Uns alle zů der bůs ermanen27

Dardurch wir kummen zů den fanen28

So uns Christus hat vorgetragen

Paulus thůt an vil orten sagen

Vom waren reywen rechter bůß

Die dan ein jeder haben můß

So er wil gon ins himmelreich

Johannes spricht auch des geleich

Das schreib ich euch mein lieben kindt

Das ir hinfür baß nit mer sindt29[119]

Das sond mir auß dem spil hie leren

Mit disem sun zům vatter keren30

Und gleich dem David zů Got schreyen31

Dan werden sich die Engel frewen

So sich ein sünder bkeret hat

Wie uns das Lucas schribet sat

Dann Gott ist also milt und gůt

Wann sich der sünder bkeren thůt

Wil er im sein sünd nimmer dencken

Und im sein schuld mitnander schencken

Der sprüchen alle gschrifft ist vol

Das wil ich brůgen lon diß mol

Und euch han gbetten in einr sum

Wie ir in gmein al stond hie um

Ir wölt von uns auff disen tag

Für gůt han / weils nit anders mag

Unsers verstands gehandlet werden

Ob mir an bossen und geberden

Gevelet hand das ist uns leid

Doch sey euch allen danck geseit

Das ir so fleisig züchtig still

Hand zugehört dem unsern spil

Hiemit hab euch in seiner hůt

Der himmel erd regieren thůt

Und der am Creütz erstorben ist

Ich mein den heiland Jesu Christ

Der wöl in unsern lesten zeiten

So mir jetz mit dem tod diend streiten

Für uns werffen des Crützes stam

Darzů helff uns sein hilger nam


Das wünscht zů Colmar Jörg Wickram
[120]

Amen.[121]

Fußnoten

1 Luce. XV.


2 Gene. 12.


3 Gene. 19.


4 Nume. 16.


5 2. Reg. 21.


6 2. Para. 19.


7 Mar. 14.


8 Lu. 18.


9 Deu. 4


10 1 Mach 2


11 Tobie 3


12 Esai. 33.


13 psa. 14. 32. 144.


14 Math. 7.


15 Mar. 10.


16 Rö. 14. 3. 2.


17 1. Corin. 10.


18 Gala. 6.


19 2. Timoth. 2.


20 Jaco. 5. 1. Jo. 6.


21 Tobias 13.


22 Pro. 24.


23 Esa. 45.


24 Je. 3. 18.


25 Jo. 3. Ez. 18


26 Lu. 3. 13. 15


27 Marc. 2.


28 Math. 3. 4. 11.


29 1. Jo. 2.


30 Lu. 15


31 2. re 24


Quelle:
Georg Wickram: Sämtliche Werke. Band 11, Berlin und New York 1971.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der verlorene Sohn
Sämtliche Werke, Bd. 11: Der verlorene Sohn. Tobias

Buchempfehlung

Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von

Gedichte

Gedichte

»Was soll ich von deinen augen/ und den weissen brüsten sagen?/ Jene sind der Venus führer/ diese sind ihr sieges-wagen.«

224 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon