[Prolog]

DER HEROLT.

Im Namen Gottes heb ich an

Und wil euch all gebetten han

Ir seit hoch oder niders gradts

Geistlich / weltlich / eins jeden stadts

Von man und weiben in gemein

Sind still und hören mich ein klein

Domit ir waren bricht verston

Was in dem Spil hie für wirt gon

Den anfang mittel und das end

Sind in der urtheil nit zů bhend

Ob gleich sichs erstlich frölich eygt

Und sich an im selbs üppig zeigt

So werd ir doch zůlest bericht

Was trurigkeit am end beschicht

Dan gwonlich all weltliche freid

Irn außgang gwint in grosem leid

Derhalben solt ir nemmen acht

Wie und warumb diß spil sy gemacht

Lucas thůt uns beschryben das1

Eins mals ein richer vatter was

Der selb hat zwen gewachßner Sün

Der jünger aber under in

Zům vatter kam in hohem můt

Und fordret sin gebürend gůt

Domit zoch er in frembde land

Verpraßt das sein in groser schand

Mit böser gselschafft falschen weiben

Das im gar nichs thet über pleiben

Do ward er von sein gsellen glosen

Und gantz in das eilend verstosen

Ward gantz veracht von jeder man[5]

In dem fing ein groß türung an

Im selben land also das er

Ward hart getruckt von hunger schwer

In solcher seiner hungers not

Verdingt er sich allein umbs brot

Eim burger dem er hůt die schwein

Im feld und auff den Ackern sein

Also begert er mit den Süwen

Zů essen tröstern oder kleüwen

Sie aber wurden im verseit

In solcher not und angstbarkeit

Er wider in sich selber ging

Zu reden mit im selb anfing

Ach wie vil hat mein vatter doch

Taglöner under seinem joch

Die alsampt brot ein gnügen hand

Und ich hunger stirb in dem land

Ich wil hin zů meim vatter dretten

Und in mir zů verzeihen betten

Mich meines elends thůn beklagen

Gantz demütig zů im thůn sagen

Vatter ich hab gesündt in dich

Darzů auch in das himmelreich

Drumb ich fürbaß nit wirdig bin

Das ich dein Sůn sol geheißen sein

Ach mach mich ein auß deinen knechten

Fürbaß wil ich nim widerfechten

Als er nun zů seim vatter kam

Der vatter sein gar bald war nam

Lieff im entgegen auff der stroß

Und umbfieng in mit freuden groß

Der Sun fiel nider auff sein kny

Und sagt o vatter mir verzy

Ich hab in himmel gsündt und dich

Darumb so bin nit wirdig ich[6]

Das ich dein Sun fürbaß werd gnent

Doch bit ich mach mich an dem end

Das ich einr deinr taglöner sey

Der vatter rafft zůstundt harbey

Sein knechten welchen er gepot

Gond hin und bringt die beste wot

Bekleidet in mit schonem gwand

Steckt im ein ringlin an sein hand

Und legend im auch an zwen schů

Bringt mir ein feißtes kalb harzů

Schlachtens und loßt uns frölich sein

Dan diser ist der sune mein

Der was verlorn yetz ist er funden

Drum sind frölich zů disen stunden

In dem der ander sun kam zhus

Der fragt ein knecht so kam harus

Sag mir was bdithet doch das singen

Das seitenspil und raien springen

Der knecht sagt im die neiwe mär

So bald des ward berichtet er

Ward er erzürnt bleib hausen ston

Der vatter zů im raus ward gon

Bat in das er mit im nin ging

Der sun zů reden do anfing

Vatter ich war alweg bey dir

Thů alweg was du gebütest mir

Ich hab dein gebot gar nye verachtet

Hast mir doch nye kein bock gslachtet

Domit ich mit den fründen mein

Ein mol het mügen frölich sein

Mein brůder aber hat verton

Unnd ists seins gůtz gantz worden on

Mit bösen weiben und gselschafft

Hat auch dein willen nye geschafft

Und ist gantz nackend heimher kummen[7]

Dem hast ein gmestet kalb abgnummen

Der vatter sagt Ae sune mein

Alzeit bistu bey mir gesein

Bist mir ghorsam an allen orten

Ich bit welst losen meinen worten

Dein brůder was verloren gar

Und ist jetzt wider kummen har

Er dein brůder was vor gestorben

Ist jetzund wider leben worden

Darauff ir jungen nemmend war

Hüt euch vor böser gselschafft gar

Und thůnd euch nit zů den gesellen

So allem lasteren noch thůnd stellen

Dan solch gselschafft das gblüt vergifft

Kein gůtz auff erden sunst nit stifft

Wie ir dan jetz in disem spil

Der gleichnis werden sehen vil

Als die mit falschem spil sich neren

Nichs anders thůn dan spilen zeren

Der nempt eins jeden sunders acht

Dan hie wirt nichs vergebens gmacht

Drum fliehend böse gselschafft weyt

Der Abraham zů seiner zeit2

Mit seim volck auß Caldea floch

Sich böser gselschafft gantz entzoch

Loth thet auch von Sodoma ziehen3

Und ir sündtliches wesen fliehen4

Moises sin volck auch warnt trewlich

Das sie nit selten gsellen sich

Zů Chore und auch seiner rott

Die weil sie theten wider Gott

Als das volck duldet den Acham5

Der zorn Gottes auch über sie kam

Jehu strafft auch den Josaphat6

Als er in böse gselschafft thrat7[8]

Do Petrus kam zů böser schar8

Verleugnet er sins Herrn gar

Der gleichnis ich noch vil wolt sagen

Die zeit wils aber nit vertragen

Ich bit mit fleiß wolt hören zů

Vermeidt das lachen sind mit rů

Des wil ich euch gebetten han

Hiemit so wend wir fahen an

Quelle:
Georg Wickram: Sämtliche Werke. Band 11, Berlin und New York 1971, S. 5-9,122-123.
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Der verlorene Sohn
Sämtliche Werke, Bd. 11: Der verlorene Sohn. Tobias

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