Die Sonne kommt

[74] Willkommen, Ritter Morgen!

Vor deinem güldnen Haupt

Entfliehn die Wölfe Sorgen,

Die mir den Schlaf geraubt.


Der Fels vor meiner Klause

Starrt feierlich mich an.

Die Wipfel mit Gebrause

Wiegt unter mir der Tann.


Steingraue Wolkenwogen

Verhüllen noch das Tal.

Darob der Himmelsbogen

Matt leuchtender Opal.


Und aus dem Dunstmeer ragen

Die Riesenberge steil.

Ihr Stirnenglanz will sagen:

Ganz oben thront das Heil!


Nun blüht von Purpursonne

Das Nebelmeer wie Klee;

Und auch mein Gram ward Wonne,

Weil ich darüber steh.


Als Lerche schwebt mein Schauen

Hoch ob dem Erdennest

Durch selig freie Auen ...

O Himmel, halt mich fest!

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 74-75.
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