Herbstwanderung

[173] Spürst du es herbsten, Wacholder?

Tiefdunkel grünen die Erlen/

Doch Sonne küßt immer holder.


Schwebt dorten nicht weiß Gespinnst?

Ach, Silberhaar, schweifende Wehmut

Ist all meines Sommers Gewinnst.


Wacholder, dir bleiben die Nadeln.

Laubherzlein mögen welken,

Uns beide soll Winterleid adeln.


Geistender Nebel auf Mooren.

Du Welt hast heimliche Schlüfte;

Wohin ging Jugend verloren?


Muß Moder denn alles beerben?

Hin rieseln die Augenblicke;

Ach, alles Leben ein Sterben.


Der Himmel mattrotes Gold.

O bliebe doch eine Treue

Dem Begrabenen ewig hold!
[174]

Abendfunken verglimmen.

Wie Flötenseufzer will endlos

Mein Sehnen ins Weite schwimmen.


Horch, säuseln nicht Friedhofs Cypressen?

Ich weiß eine Seele der Seelen,

Die kann kein Stäubchen vergessen.

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 173-175.
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