Die Silberpappel

[49] Pappel, in deren Schattenrevier

Still geborgen ich ländlich wohne,

Breitgewipfelte Silberkrone,

Endlich wieder daheim bei dir!

Segne die schmachtende Stirne mir,

Die in schwatzender Menge Gewühl

Staubig ward und taumlig schwül/

Segne sie mit dem Kusse des Friedens!


Holde Rast, wo gastlich die frischen

Blätterschatten auf Gräsern sich kräuseln/

Wo in wogendes Wipfelsäuseln

Hurtige Schwalben ihr jauchzendes Zischen,

Ähren ihr sanftes Gelispel mischen/

Während die Sonne hinunterrollt

Und verklärend mit Purpurgold

Zärtlich die Wolke von Laub umkost ...

Heimische Pappel, Freundin, mein Trost!


Wenn in stummer heißer Nacht,

Ganz verloren in Gram und Grimme,

Meine Seele weint und wacht:

Hebt erlösend vor dem Fenster

Sich der treuen Pappel Stimme

Und verscheucht die Gramgespenster.
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O du heimlich süßes Lauschen,

Ruhevolles Wipfelrauschen!

Dies Gewoge und Gewühle,

Aufgeregt vom hauchenden Wetter!

Dies Geplätscher derber Blätter/

Gleich dem Waldbach an der Mühle ...

O du Labetrunk voll Kühle!


Wenn aus Wolken Blitze lohen,

Reckt sich die Pappel ob Garten und Haus

Schirmend empor und spät hinaus

Weithin über die nebelgrauen

Wellenschlagenden Roggenauen,

Wo die flammende Wolke regnet/

Wie ein Patriarch

Seine schlafenden Völker segnet.

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 49-51.
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