Die Tote mahnt

[28] Wenn die unsichtbare Hand

Dich aus meinen Armen wand,

Fragt dein Grübeln wohl beklommen,

Wie ins Öde du gekommen ...

Weißt du, Liebster? Weißt du wohl?


Wenn ums Schloß der Nachtwind rauscht,

Seufzend deine Sehnsucht lauscht/

Horch, ein Riegel geht verstohlen,

Und es schleicht auf scheuen Sohlen ...

Weißt du, Liebster? Weißt du wohl?


Wenn die Traufe wimmernd tropft,

Und das Herz zum Springen klopft,

Wenn vom Schluchzen hingerissen

Sich dein Antlitz birgt im Kissen/

Weißt du, Liebster? Weißt du wohl?


Wenn im Regensturm der See

Wogend raunt, wie alles Weh

Wiegeselig dir entschliefe

In der todeskühlen Tiefe ...

Weißt du, Liebster? Weißt du wohl?


Wenn dann blüht aus Wolkendunkel

Trostgesang und Sterngefunkel/

Weißt du, was so zärtlich zittert

Und wie Odem dich umwittert?

Weißt du, Liebster? Weißt du wohl?

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 28-29.
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