Die Räuber

[185] Uli, der als Pensionär des Schuldieners im Gymnasium wohnte, hatte Wendelin Flammer, Jahn und mich auf seine Bude eingeladen. Auch Enzio war gekommen; seine Begeisterung für Ritter Uli hatte etwas Klettenhaftes.

Uli imponierte uns durch studentenhaftes Auftreten. Trug auf seiner Bude eine Samtjacke mit Schnüren, rauchte lange Pfeife und hatte eine Kanne Bier holen lassen. Auf dem Tisch lag Schiller aufgeschlagen, qualmend legte Uli die Hand darauf: »Schaut, ihr Buebe! Deescht der Codex onsrer Begeischterung! Höret, waas dieser Prophet spricht.« Wie einen Feldherrnstab die Pfeife ausgestreckt, deklamierte Uli: »Mir äckelt vor onserm tintenklecksenden Säkulum! Schöner Preis für euren Schweiß in der Feldschlacht, daß ihr jetzt in Gymnasien lebet – eure Onsterblichkeit in eme Bücherrieme mühsam fortschleppend ... Also, Konpennäler! Da hänt mer's ja! Onser Pennal meint der Schiller. Die Gymnasien nennt er ausdrücklich, gelt? Ond mit dem Bücherriemen kann er niemand sonscht meine als ebe uns! Ja, Tinte tun mer kleckse – also könnt mer auf die Art zu onsterbliche Helde avanciere! Pfui! sag i ...« Und in heller Entrüstung spie Uli aus. Hob dann die Pfeife wie ein Schwert und brüllte: »Ein – Pereat – dem – Tinte-Zuchthaus!«

Wir waren verdutzt, erhoben uns aber und suchten mannhaft einzustimmen: »Pe – re – at!« – »Also!« quittierte Uli, »löffeln[186] mr uns mit eme Verachtungsschlock!« Auch das taten wir, und zwar im Bewußtsein, dem Feind eine böse Schlappe beigebracht zu haben. – Enzio hatte zu hastig getrunken und mußte aushusten. »Schwächling!« grunzte Uli, »Zeichen der Zeit sind so Kerle, wo von eme Bierjung in Ohnmacht falle. Aber die Schlacht bei Cannä, die können sie im Urtext lese – ond ihr Schulmeischter, der Esel, weiß nix Besseres zu tun als Lateinbrocke zu klaube! Tun mer spucke auf dees Kaschtratejahrhundert! Pfui, pfui!« – Wir echoten: »Pfui!« – »Sau – fet – den – Rescht!« kommandierte Uli. »Prosit!« erwiderten wir begeistert und kamen nach.

Jahn sprang auf: »I weuß ebbes! Idee von Schiller! Eine Räuberbande zwar, die derf onsereins net gründe – aber für Aehnliches hänt mer noch Kraft ond Mut, gelt? Tun m'r einen Bildungsverein gründe! Dees derf ons koiner verübeln. Deutsche Dichter wolle mr zsamme lese!« – »Sogar Philosophe!« fügte Wendelin mit Wichtigkeit hinzu. – Wie ein Schlot qualmte Uli – nachdenklich blickte er auf Wendelin und Jahn: »Kerle, dees seid ihr! Bloß noch zu zahm! Bildungsverein? Ha, warom net? Aber der Titel klingt zu spießerhaft! Müßte flotter lauten! Sage mer Freie Bande!«

»Glasbergritter!« schlug ich vor. – Sinnend nickte Uli. – »Glasbergritter paßt!« meinte Wendelin – »oder besser Knappen! Unser Glaasberg ischt die Schule mit ihren aufsteigenden Klassen. Eine Ssauerei, da hochzukommen.« – »Freile!« nickte Jahn – »mancher bleibt sitze!« – Enzio trumpfte auf: »Wenn i's Einjährige net krieg, gang i nach Ameriga. Ond werd i gschaßt, e Räuberbande tu i gründe!«

Ich hatte einen Einfall und sprang auf: »Zusammen wollen wir die ›Räuber‹ lesen!« – »So ischt reacht!« stimmte Wendelin begeistert bei – »ja, dees soll der Glaasbergritter erschte Tat[187] sein!« – »Ich selber«, gestand ich, »habe das Stück bloß mal durchgepeitscht. Wollte ein Puppenspiel draus machen.« – »Ein frommer Knecht war Fridolin!« höhnte Uli. »Puppenkomödie will der mache aus der bombenhaften Freiheitstragödie! Zom Kaschperle soll der Karl Moor werden, dieser speiende Vulkan? Blöd – sinn! Fahr' hin, lammherzige Gelassenheit! Zom Tiger soll das Lamm verwildern – jede Faser dieses Arms recke sich auf zu Grimm – ond – Ver – der – ben!« Auf den donnernden Helden, der die Faust schüttelte, blickten wir hingerissen. »Bravo!« meinte Wendelin, »tun mr die ›Räuber‹ mit verteilte Rolle lese!«

Aber Uli entgegnete: »Lese? Bloß lese? Dees wär zu zahm! Aufführe wolle mr die ›Räuber‹! Richtiges Theater mache!« – »Groß – artik!« schwärmte Jahn. – »Aber net in der Stub da!« fuhr Uli fort. »Schon weil mr da keine Kulisse hänt. Im Freie wollen mr's Theater mache! Im Bäregrabe die Räuber aufführe!« – »Dees wär kolossal!« jubelte Enzio. Wendelin schlug vor: »Für den Bäregrabe paßt die Szene am Hongerturm! Im Verlies schmachtet der alte Moor – na kommt der Baschtard Hermann, genannt mein Rabe. Ond der Räuberhauptma – der ischt onserm Uli auf de Leib gschriebe!« – »Ja, Uli! Uli muß den Karl spiele!« jubelten wir. Nur Enzio murrte: »Warum net i? I weiß scho, wie mr sich als Räuberhauptma zu benemme hat.« – »Spiegelberg bischt!« ordnete Uli an.

Nun berieten wir Einzelheiten der Aufführung. »Als Hintergrund« – sagte Jahn – »wähle mr den Sternwarte-Turm! Der hat e Schießschart in Mannshöh. Da kann sich der alte Moor bequem verstecke – e Brett tuet mer auße vor.«

Wir lasen hierauf die Szene mit verteilten Rollen. Uli schlug Kürzungen vor und Einschiebsel. Sofort wurde der Text entworfen und ausgeschrieben. Uli übernahm es, die Aufführung[188] zu leiten, insonderheit die Räuberbande einzudrillen. Wendelin hatte für die Requisiten zu sorgen. Am Sonntag abend sollte die Vorstellung sein.


*


Es war ein lauer, etwas windiger Aprilabend – mit Enzio und Jahn stieg ich von der Haaggasse zum Schloß hinan. Schwarz ragte die alte Feste in düster treibendes Gewölk. Hin und wieder lugte der Mond hervor. Bei einer Bank machten wir Halt, um dem mitgebrachten Paket unsere Kostüme zu entnehmen. Jahn machte sein Gesicht mit Kreide weiß, tat Bart und Locken von Watte um und zog ein langes Hemd seines Vaters über den Anzug. Eine rasselnde Pferdekette sollte die Vorstellung wecken, man habe den Greis in Ketten gelegt. Wie ein Gespenst sah Jahn aus. Aber diesen Effekt verhüllte er einstweilen durch umgelegten Mantel. Ich sollte den Räuber Schweizer spielen. Einen Ulanenhelm hatte ich auf und schwang einen Studentenschläger. Enzio behauptete, als Spiegelberg müsse er schon vorher im Publikum Faxen machen, um eine gruselige Stimmung zu wecken. Einen breitkrempigen Hut mit langer Feder ins Gesicht gezogen, hüllte er sich in faltigen Banditenmantel und zückte malerisch den Dolch.

Beim Sternwarten-Turm fanden wir die anderen Räuber versammelt – flüsternd gab ihnen Regisseur Uli letzte Weisungen. Das zahlreiche Publikum, von Ordnern zurückgehalten, bestand meist aus Schülern. Aber auch Pia und die kleine Schneckle waren da – scheu flüsterten sie im Hintergrunde. Zwei Räubermütter wollten es sich nicht nehmen lassen, ihre Buben in der romantischen Rolle zu bewundern.

Unsere Naturbühne entsprach der Phantasie des Dichters: Schutt und Gerümpel zwischen kahlen Rippen von Holundergesträuch. Schwermütig stöhnte der Wind, vom Turme kreischte[189] die rostige Wetterfahne. Dumpfe Glockenschläge zeigten die Geisterstunde an. Aus der Räubergruppe löste sich eine Gestalt – und den ritterlichen Karl Moor beleuchtete der Mond. Er hatte einen Christusbart, Federbarett, spanisches Mäntelchen, ein breites Heldenschwert.

»Guete Nacht, meine tapferen Räuber! Lagert euch ond schlafet – es ischt spät! I selber will bis zur Morgendämmerung die Wacht übernemme, gelt? Die Gegend da ischt mir bekannt. Deescht e verfallener Turm. Ganz in der Nähe befindet sich das Stammschloß meiner Väter. Mein greiser Vatter, der Graf, so vernahm ich heut, vor wenik Woche ischt er begrabe. Friede seiner Asche! Das Schloß hat mein jüngerer Bruder Franz in Besitz genommen. Meim Vatter hat er e Teschtament abgschmeichelt, das mich enterbt. Alles hat jetzt der Erbschleicher!« – »Zur Hölle mit dem Lumpen!« murrten die Räuber und lagerten sich ins Gesträuch – man hörte sie bald schnarchen.

Mit einer Blendlaterne kam jetzt ein Mann. »Hermann, der Baschtard!« tuschelte das Publikum. Eulen schrien. »Horch, horch!« begann Hermann dumpf. »Im fernen Dorfe schlägt's Zwölf – wohl, wohl! Das Bubenstück schläft – in dieser Wildnis gibt es keunen Lauscher. So darf i's wage, gelt?« Und Hermann pocht ans Brett der Schießscharte: »Turmbewohner! Komm an dei Pförtle! Jammermann! Deine Mahlzeit ischt ahngerichtet!«

»Waas bedeutet dees?« raunt der Räuberhauptmann und tritt ins Holundergebüsch zurück.

Abermals pocht Hermann; aus dem Turm antwortet eine hohle Stimme: »Wer pocht? Bischt du's, Hermann, mei Rabe?« – »Ja, i! Dei Rabe Hermann bringt dir zu essen, Alter. Durch die Lücke der Pforte will i dir's reiche, gelt? Aufzuschließe wag i diesmal net – 's könnt ebber in der Nähe laure – verdächtik Geräusch han i vernomme.« – »Bloß die Eulen sind's,«[190] erwiderte die Stimme im Turm – und abermals hört man den Eulenschrei. Dazu der Räuber Schnarchen.

»Schmeckt's, Alter?« sagt Hermann, und es versetzt die Stimme: »Wenn man vor Hunger fascht verschmachte tut, soll's wohl schmecke. Hab Dank für die leckere Küchle, die du, mei Rabe, mir in meine Wühschte bringscht! Aber sprich, gueter Hermann, hascht noch immer nicks in Erfahrung bracht über meinen verlorenen Sohn? Ischt es wahr, waas mr der Franz, mei Sohn, eröffnet hat? Fascht getötet hat mich diese Schreckensmär. Am Galge soll mei Karl verreckt sei? Mei Erschtgeborener als Räuberhauptma?« Bei diesen Worten machte der lauschende Räuber Moor eine Bewegung. »Still!« raunte Hermann – »da scheint wirklich ebber zu sein! Da tut jemand lauere! I mach mi aus em Staub!« – Wie er flüchten will, vertritt ihm der Räuberhauptmann den Weg, und Hermann schreit: »Weh! Alles ischt verrate!« – »Waas ischt verrate?« donnert der Räuberhauptmann – »gesteh, du Lausbub!«

»Erbarmen, gestrenger Herr! Oh, ich erkenne euch! Ihr seid Graf Karl von Moor. Vergebet mir! Ich bin onschuldik am Verbrechen!« In der Ruine unkt es: »Her – mann! Ischt mr doch, als ob du mit jemand redscht! Mit wem denn?« Und der Räuberhauptmann: »Waas gibt's da? Ein Mensch innen? Waas ischt mit dem? Weshalb hält mr den gfange? Dem Unseligen will ich die Ketten löse.« Und es reißt der Räuberhauptmann den Schlüsselbund aus Hermanns Hand und macht sich damit rasselnd beim Brette zu schaffen. Wie nun dies entfernt ist und der volle Schein der Blendlaterne auf die geöffnete Schießscharte fällt, schlüpft heraus eine unheimliche Gestalt: kreidebleich, ein Greis im Totengewand, klirrende Ketten an erhobenen Händen: »Wer du auch seischt, erbarme dich eines schuldlos Gefangenen!« Und zurück prallt der Räuber Moor:[191]

»Waas? Die Stimme kenn i! Ischt dees net –?« Hermann nickt: »Er ischt's, euer Vatter – der alte Graf Moor!«

»Der Geischt meines verstorbenen Vatters?« ruft Karl Moor. »Warom, mei Vatter, findescht du nach deim Tode kei Ruh im Sarge? Hascht du etwa eine Sünd in jene Welt gschleppt? Ebbes, das dir den Eingang zom Himmel verrammelt? Hascht du vielleicht Gold von Witwen und Waisen onter die Erd vergrabe, he? Verdächtik ischt's, daß du zur Gespenschterstond dich heulend hier herumtreibscht! So will i dir beistehe – will den vergrabenen Schatz aus den Klauen des hütenden Drachen reiße – mag er auch seine spitzige Zähn gegen diesen Degen blecke! Sprich, Vatter, waas soll i tun?« – »Du irrscht, mei Sohn! Gschpenscht bin i net! Tu mi ahntaschte, mei Karl! E Gerippe zwar bin i – aber bloß vor Hunger! Odem han i noch!« – »Waas? Du bischt kein Begrabener?« – »In diesem Turm lebendik begraben! Verhungern han i solle! Elend verhungere!«

»Aber wie kommt denn dees? Wer ischt solch Ohngheuer, einen ehrwürdigen Greisen zom Hungertode zu verdammen?« – Kläglich erwidert der alte Moor: »Wer? Gott sei's geklagt, mein eigen Fleisch ond Blut! Mei jüngschter Sohn ischt dees Ohngheuer!« – »Wie? Der Franz? Mei Bruder?« – »Derselbige! Franz, jetzt Schloßherr! Dich hat er verleumdet. Hat sich an deiner Stell zum Erben gemacht. Mich, der ich ihm zu lange lebte, hat er bei lebendigem Leib in einen Sarg packt ond hierher geschafft, ond verhungere han i solle, ver – hu – hu – hu!«

Der Räuberhauptmann hebt die Hand gen Himmel: »Der da oben beruft mich zum Richter über den Schurken Franz. Auf, meine Knechte! Net mähr gschnarcht! He! Will keuner erwache? Ihr Klötz! Eisklumpe!« Und aus des Räuberhauptmanns Pistole donnert ein Schuß. Die Räuber springen auf: »He, holla! Waas gibt's?« – Mit furchtbarer Stimme der Räuberhauptmann:[192]

»Waas es gibt? Das Band der Natur riß entzwei. Ein Sohn hat seinen Vatter zom Hungertod verdammt – bloß weil er die Zeit net abwarte konnt, ihn zu beerbe! Sehet, Leute, dieser Greis ischt der Vatter eures Hauptmanns! Der Schandbub aber, dessen Missetat gen Himmel stinkt, ischt mei Bruder Franz!« Mit einem Schrei der Entrüstung antworten die Räuber und drängen heran. Etliche Laternen brennen – rote Lichter spielen über die Szene.

Hier setzte nun der Hauptteil meiner Rolle ein: Ich, der tapfere Räuber, stürze dem greisen Märtyrer zu Füßen: »Vater meines Hauptmanns! Ich küsse dein Gewand! Zu gebieten hast du über diesen Dolch! Ich heiße Schweizer und bin deines Sohnes ergebenster Freund!« – »Das sind wir alle!« rufen die Räuber, eine aufgeregte Gruppe um die Jammergestalt des Alten und den reckenhaften Räuberhauptmann. Dieser hat seinen Mantel von der Schulter genommen und reißt ihn, ritsch, von oben bis unten entzwei: »Da schaut! Dees Bändle da, wo mich mit meim Bruder noch verbunde ghalte hat, so ischt es jetzt verrisse! Rachsucht allei sei das Gfühl, daas i für ihn übrik hab. Ihr aber, Leute, wollt ihr mir helfen? Gelt? So schwört Rache, schwört auf mei Schwert!« Im Kreise kniend, legen die Räuber die Linke auf das Schwert und heben die Schwurhand: »Rache für unsern Hauptmann und seinen ehrwürdigen Vatter! Rache an Franz von Moor, Teufel in Menschengestalt!«

Ich erhebe mich: »Nun, Hauptmann, befiehl, was ich tun soll!« Und der Räuber Karl: »Rühre dieses Greises heilige Locken ahn, mei Schweizer! Weißt du noch, wie du einscht jenem böhmischen Häscher den Kopf gespalten hascht, da er den Säbel über mich zückte? Dazumal verhieß ich dir eine könikliche Belohnung. Bisher wußt i sie net zu zahle. Doch jetzt weiß i's! Das Geschäft der Rache übertrag i dir! Lies die Würdikschten aus der Bande ond dringe in meines bübischen[193] Bruders gestohlenes Schloß! Schlepp' ihn vom Mahle, wenn er besoffen ischt! Reiß ihn vom Kruzifix, wenn er frömmelnd auf den Knien liegt! Eins aber merke: Liefre ihn mir beileibe net tot! Ganz muß i den habe – das Fleisch will i von ihm reißen, den Hunden ond Geiern zom Fraß. Wehe dir, Schweizer, so du ihm auch nur die Haut ritzest! Bringscht ihn aber lebendik, so geb i dir eine Millio zur Belohnung.«

Jetzt hatten die Räuber die Fackeln angesteckt, sie glühten und qualmten. In greller Beleuchtung sah man die bärtigen Gesichter mit den Federhüten. »Höret mich alle!« ruft der Räuberhauptmann feierlich: »Begreifet ihr nun, waas i mit onserm Räuberhandwerk meine! Gewidmet sei's der ewigen Gerechtikkeit! Wenn auch net auf die Art frommer Menschen. Mit dem Schwert will i helfen, wo die mißhandelte Natur gen Himmel schreit. Mit Raub ond Brand ond Mord! Mir gilt jenes Recht, das im Busen lebt. Net das Gsetz! Das hat die Welt verkrüppelt und zerrüttelt! Das Gsetz verhunzt zum Schneckengang, waas Adlerflug worde wär. Mir äkelt vor diesem tintenklecksenden Säkulum, wenn i in meim Plutarch lese von großen Menschen. Ha, daß der Geischt des Keruskerfürschten noch in der Asche glimmte! Ein Heer Kerls wie i – ond aus Deutschland wird e Republik, gegen die Rom und Sparta Nonneklöhschter send!«

»Es – le – be – der – Haupt – ma!« brüllten alle. Und während purpurn die bengalische Flamme glüht, gröhlt der Räuberchor unter martialischen Gebärden:


»Ein freies Leben führen wir,

Ein Leben voller Wonne,

Bei Sturm und Schnee marschieren wir,

Der Wald ischt onser Nachtquartier,

Der Mond ischt onsre Sonne!
[194]

Sei, deutscher Knab', kein Tugendbold,

Duckmäuserischer Graurock!

Siegfried den Hammer wohl schwingen kunnt,

Er schlug den Amboß in den Grund,

Dazu den Drachen-Ssaubock.


Sei du kein Knecht, sei du kein Hund!

Und droht der Tatzen-Haustock,

Zu Stücken schlag' ihn, Siegfried, und

Das Tinten-Zuchthaus in den Grund!

Ein Pereat dem Ssaubock!«


Unter donnerndem Beifall brüllten die Pennäler »Pereat!« und schwangen ihre Räuberschwerter. Ins Gelächter mischte sich die Kommandostimme Ritter Ulis, der sein Schlachtschwert zum Monde hob: »Ein Hoch der ganzen Frei – heits – ban – de!« Und »Hoch!« brüllte alles berauscht – es herrschte eine Begeisterung, als sei ein neues Zeitalter hereingebrochen.

Auf einmal war die blutige Beleuchtung erloschen – düster ragte die alte Burg, am Hungerturm blinkerte etwas Mondlicht. Dann kam eine abenteuerlich geformte Wolke geflogen: ein Drache war's, der den Mond verschlang.

Quelle:
Bruno Wille: Glasberg. Berlin [o. J.], S. 185-195.
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