Zwölfter Auftritt

[79] Emmy, Ruthwen zu ihrer Linken.

Nr. 16. Duett.


RUTHWEN zeigt nach links.

Leise dort zur fernen Laube!

EMMY.

Gnäd'ger Herr!

RUTHWEN.

Wo wir ungestörter sind.

EMMY sich immer angstvoll nach rechts umsehend.

Gnäd'ger Herr, man kommt, ich glaube –

RUTHWEN.

Nicht doch, liebes süßes Kind!

EMMY.

Ja, ja, man kommt!

RUTHWEN.

Folge mir nur wen'ge Schritte –

EMMY.

Gnäd'ger Herr! ach nein, ich bitte –

George wird mich im Saal vermissen!

RUTHWEN.

Furchtsam Närrchen, laß dich küssen!

Emmy will sich losreißen.

Ruthwen hält sie fest umschlungen.


EMMY.

Nein, ach, laßt zurück mich gehen,

Gnäd'ger Herr, ach, schonet mein!

Würde George bei Euch mich sehen,

Nimmer könnt' er mir verzeihen.

RUTHWEN.

Soll ich, ach, noch länger klagen?

Emmy wendet sich einige Schritte nach rechts.


RUTHWEN.

Wird mir nie dein Auge sagen,[79]

Daß für mich dein Herzchen spricht?

EMMY für sich.

Ach, ich fühl's, mit tausend Banden

Hängt mein ganzes Herz an ihm. – Ach!

RUTHWEN für sich.

Lange hat sie widerstanden,

Doch sie weicht dem Ungestüm.

EMMY für sich.

Ach, ich fühl's, mit tausend Banden –

RUTHWEN.

So komm doch –

EMMY wie oben.

Hängt mein ganzes Herz an ihm!

RUTHWEN.

O komm doch, komm, mein süßes Leben!

Meiner Augen holdes Licht!

EMMY für sich.

Seinen Bitten widerstreben,

Ich vermag es länger nicht.

RUTHWEN nähert sich ihr erst jetzt wieder.

Nun, so komm, noch wen'ge Schritte –


Er umfaßt sie.


EMMY.

Nein, ach, gnäd'ger Herr, ich bitte –

RUTHWEN.

Süßes Mädchen, folge mir!

EMMY.

Gnäd'ger Herr!

RUTHWEN.

O folge mir!

EMMY.

Ach, ich zittre!

RUTHWEN.

Folge mir!

EMMY.

Ach, ich zittre!

RUTHWEN.

Folge mir!


Er läßt sie wieder los.


Kannst du länger grausam sein?

EMMY einen Schritt von ihm.

Grausam, gegen Euch? Ach, nein!

RUTHWEN.

Folge mir!

EMMY.

Wohl, es sei! – Ich folge dir!


Sie sinkt an seine Brust.


BEIDE.

Leise, leis' im Mondenschimmer,

Still und heimlich ziehn wir fort

Nach dem süß verschwiegnen Ort;

Du bist mein, ich dein auf immer!

Mond und Sterne mögen lauschen,

Wie wir Seel' um Seele tauschen,

Und in Liebe uns berauschen.


Sie eilen links vorn ab.


[80] James Gadshill, Richard Scrop, Robert Green, Toms Blunt alle etwas angetrunken, am meisten Blunt, kommen, jeder mit einer Weinflasche in der Tasche, von rechts vor der Terrasse.


Quelle:
Heinrich Marschner: Der Vampyr. Dichtung von Wilhelm August Wohlbrück, Leipzig [o. J.], S. 79-81.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Meine Erinnerungen an Grillparzer

Meine Erinnerungen an Grillparzer

Autobiografisches aus dem besonderen Verhältnis der Autorin zu Franz Grillparzer, der sie vor ihrem großen Erfolg immerwieder zum weiteren Schreiben ermutigt hatte.

40 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon