Veränderte Scene.

[175] Sonnenaufgang; Eiland im adriatischen Meere.


FAUST. Verfluchter Teufel, Du hast mich betrogen! Nicht errettet hast Du sie; in Deinem Arm, Du Scheusal, ist sie gestorben!

SATAN. Meint Ihr, Herr Faust, Herr Philosophus, Herr Wundermann, meint Ihr, Satan gebe Vorschuß? Satan leiste, wo er nichts empfangen hat? Ei, das wäre in der That ein dumm Capitelchen aus der Hölle Gedenkbuch! Nicht so, Freundchen; das Spiel geht anders. Erst das kleine Titelchen mit Blut nach altem Brauch; dann Dein die Braut, und lebendig Wort ist Schall; Name ist Dunst; Eid ist leerer Rauch und Hohn. Blut allein ist der Mensch selbst[175] mit seinem Willen und Begehren, mit seinem Hoffen und Verheißen, mit seinem Sein und Wesen, mit seiner Gegenwart und Zukunft; mit seiner Zeitlichkeit und ganzen Ewigkeit! Blut, Faustus, gib Dein Blut! Sobald es rosenroth strömt auf dieses Pergament, sobald wird diese leben und in Deiner Umarmung athmen.

FAUST. Und wie lange athmen?

SATAN. So lange Dein und ihr Leben dauert; Satan, weißt Du, kann nicht vernichten. Muß ich Dich, Zögling der Natur, erinnern, an ihre ewigen unabänderlichen Gesetze?

FAUST. Du sprichst wahr, Teufel! Hier ist mein rothes Herzblut!


Gesang höhnender Geister.


Herr Oluf that's, Herr Oluf that's, weit riß er die Ader auf;

Da ström' hinaus, Du rother Saft, das geb' ich Dir zu Kauf.

Herr Oluf that's, Herr Oluf that's, auf's Herze er sich schlug:

Hab' ich verspielt die Ewigkeit, die Zeit ist mir genug!

Hab' ich verlor'n mein Paradies, meine künft'ge Seligkeit,[176]

Ei lustig; denn die Höll' ist nah', der Himmel ist so weit. –

Der Himmel ist so kühl und grau, die Hölle ist so warm.

Leb' wohl, Gott Vater, Sohn und Geist – kann nicht mehr sag'n: Erbarm'!


Quelle:
Marlow, F. [d.i. Ludwig Hermann Wolfram]: Faust. Ein dramatisches Gedicht in drei Abschnitten, Neu herausgegeben und mit einer biographischen Einleitung versehen von Otto Neurath, II. Teil: Text des Faust, Berlin [1906], S. 175-177.
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