Sechstes Buch

[75] Noch lag die halbe Welt im frühen Schlaf verborgen,

Anstatt des Morgenroths sah man die blassen Sorgen,

Die in der stillen Nacht die matten Menschen fliehn,

Den grauen Orient mit wildem Schritt beziehn.

Kaum heißt der junge Tag die grausen Schatten weichen,

So sieht man diese schon um unsre Lager streichen.

So bald der Mensch sie sieht, empöret sich sein Haar,

Und selbst der träge Schlaf flieht vor der falben Schaar.

Sie regten insgesammt ihr fürchterlich Gefieder,

Arminde glitt hierauf mit einem Lichtstral nieder.

Sie fuhr mit diesem Stral ins leere Schlafgemach,

Wo sie mit leisem Ton dieß zur Rothmündinn sprach:

»O Schöne, kannst du noch in süßem Schlummer liegen,

Da ein Jenenser droht, Sylvanen zu besiegen?

Du schläfst noch, da sein Geist, vielleicht schon abgetrennt,

Um deinen Nachttisch schwärmt und unsichtbar dich nennt?

Erwache! fühlst du noch das Mitleid in der Seele,

So wein um den Sylvan, daß sich sein Geist nicht quäle.

Bewein ihn! war er nicht der Schönste dieser Stadt,

Und der bis in den Tod dich treu geliebet hat?«

Ein Seufzer flog sogleich von der bedrängten Schöne;

Das Meißner-Porcellan macht ein betrübt Getöne;

Den Caffee, den man sonst nur dunkelbraun gesehn,

Sah man jetzt dick und schwarz in weiten Schälchen stehn;

Ja selbst auf dem Clavier zersprangen zwanzig Saiten,

Und ein Glocke fing von selbsten an zu läuten.

Arminde floh von hier zu der Galanterie;

Sie schlummerte zwar noch, doch sie erweckte sie.

Drauf sprach sie: »treuer Putz, versammle meine Schaaren,

Die Nachttisch, Spiegel, Kleid, und die Allee bewahren.

Geh hin, bewaffne sie, thut eure Rüstung an,

Du sollst ihr Führer seyn, beschützet den Sylvan.

Ich selbst will, doch verstellt, im Rosenthal mich zeigen.[76]

Geht, eilt und kämpft vereint, so ist der Sieg euch eigen.«

Der schnelle Putz gehorcht und eilt zu der Allee,

Er sank mit schnellem Flug zu einer Lindenhöh,

Von der er dieses rief: »getreue Sybariten,

Wo seyd ihr? Kommt und hört, was ich euch will gebiethen.«

Wie wenn ein Sänger oft von einer Mordgeschicht,

Von Särgen in der Luft mit grauser Stimme spricht,

Der träge Landmann auch aus seinen Hütten eilet,

Und voll Verwunderung den sachten Schritt verweilet;

So kam auch auf sein Wort die ganze Schaar herbey,

Zu der er also sprach: »Seyd ihr mir noch getreu?

Seyd ihr annoch wie sonst der feste Schutz der Linden1,

So laßt euch auch jetzund, ihr Geister, willig finden.

Kommt, eilt und schützt und helft dem ehrlichen Sylvan,

Noch heute trefft ihr ihn erzürnet fechten an.

Folgt der Galanterie, sie will, ihr sollt mich rüsten,

Beschützet den Sylvan, verfolgt den Renommisten.

Wir sind zum Kampf bereit, war ihres Führers Wort,

Wir brennen, führ uns nur an den bestimmten Ort.

Sieh, hier ist Lindamor und seine treuen Brüder.

Ist unser Muth vereint; was stürzen wir nicht nieder?

Auf! folgt mir! Und sogleich eilt das gesammte Heer«

Nach Leipzig und wählt hier das trefflichste Gewehr.

Der Putz, ihr Führer, stund in einem seltnen Schimmer.

Die Schnürbrust nahm er sich von einem Frauenzimmer.

Sie stund, vom Fischbein steif, von seinen Gliedern ab,

Daß sie an Panzers Statt den zarten Leib umgab.

Der Geister erste Reih bewaffnet sich mit Scheeren,

Die andre war bemüht, mit Nadeln sich zu wehren,

Der dritten Faust bewehrt des Kräuseleisens Brand,

Und Puderpüstriche sind in der vierten Hand.

Die letzten wollen sich mit Sonnenfächeln schlagen,

Dem Feind damit den Wind in das Gesicht zu jagen.[77]

»Hier, o Galanterie, hier steht Sylvanens Schutz,

Hier steht, hier steht dein Heer, des wilden Schlägers Trutz,

Das zwar verschieden ist an fürchterlichen Waffen,

Doch einig, deinem Sohn den Lorber zu verschaffen.«

So sprach der Putz und schwieg. Indem beglänzt ein Stral,

Der Schlag und Donner zeigt, der Geister laute Zahl,

Und eh sie nach dem Licht die starren Blicke drehen,

So sahn sie schon vor sich den Schutzgeist Leipzigs stehen.

Wie, wenn ein junger Held sonst zum Turniere zog,

Ein krauser Federbusch um seine Haube flog,

Den oft gewagten Leib ein schuppicht Eisen schützte,

Und ein geübtes Schwerdt in festen Fäusten blitzte;

So sah der Schutzgeist aus, der Muth war hier vereint.

Auf seine Waffen stolz, gieng er auf seinen Feind.

»Er sah sein Heer und sprach: Ihr tapfern Sybariten,

Ihr, die ihr stets voll Muth und stets beglückt gestritten,

Wie sehr bin ich erfreut, da euch mein Aug erblickt,

Da ihr auf meinen Markt zum Kampf gerüstet rückt.

Doch, Brüder, hier wird uns der Schläger nicht bekriegen,

Geht, eilt zum Rosenthal, dieß ist der Ort zum siegen.«

Sogleich begab er sich zum schlafenden Sylvan,

Der Sybariten Heer rückt auf den Kampfplatz an.

Der Stutzer ruhte noch, doch sah man schon die Waffen,

Die er zurecht gelegt, den Schläger zu bestrafen.

Vom steifen Handschuh war der Nachttisch fast bedeckt,

Ein Degen lag darbey, der ihn entblößt erschreckt.

Die Peitsche, hiebevor sein jenisches Vergnügen,

Sah er hier ebenfalls in stolzen Krümmen liegen.

Als dieß der Schutzgeist sah, fieng er unwillig an:

»O was erblick ich hier, o Nachttisch, o Sylvan!

Wie sehr, wie sehr hat sich dein Schlafgemach verändert?

Den Nachttisch, den zuvor dein bunter Staat bebändert,

Den Nachttisch, welchen sonst Romane nur geziert,

Den sonst kein Eisen noch, als Scheeren nur, berührt,

Den muß ich jetzt, o Zeit, von Waffen furchtbar sehen?[78]

Ja um den soll sich noch die größte Peitsche drehen?

Sieh, o Galanterie, sieh Mode, sieh Roman!

Dieß hat ein Renommist, ein Feind, von uns gethan.

Er machts, daß sich Sylvan in große Handschuh zwinget,

Und heut im Rosenthal den langen Degen schwinget.

Jedoch so wahr man mich ein Feind von Schlägern nennt,

So wahr mein Leipzig mich als seinen Schutzgeist kennt.

So wahr soll Raufbold auch vor meinem Sohne fliehen,

Ich selbst will meinen Arm für seinen Sieg bemühen.«

Er schwieg. Der Federbusch, der seine Haube ziert,

Wird, da er sich bewegt, sanft durch die Luft berührt.

Er spielt auf seinen Helm in tausend lichten Farben,

Die doch bey jedem Schritt in Pracht und Glanz erstarben.

Er nahte sich darauf zum Himmelbett und sprach:

»Sylvan, du giebst allhier dem faulen Schlummer nach;

Du schläfst noch, da dein Feind schon auf den Kampfplatz eilet,

Und mit dem Stal die Luft an deine Statt zertheilet?

Auf, Stutzer, waffne dich! Der nahe Sieg ist dein.

Von mir sollst du beschützt, von mir gewaffnet seyn.

Ich bin der sichre Schutz der anmuthsvollen Linden,

Und jeder Stutzer wird bey jeder Noth mich finden.

Wenn er mir rühmlich ist, und seiner Mode treu:

So steh ich ihm gewiß bey jedem Kampfe bey.

Auch dich will ich, Sylvan, im Fechten unterstützen.

Zorn, Rach und Eifersucht mag Raufbolds Arm erhitzen,

So wird er doch besiegt. Erwache nur, Sylvan,

Erwach und kleide dich zum Kampf gerüstet an!«

Sogleich faßt er ihn sanft bey seiner Federmütze.

Der Schlaf floh alsobald von seinem alten Sitze.

Gleich zieht Sylvan sich an, den Stal macht er bereit,

Und alles zielt bey ihm auf den beschloßnen Streit.

Die Sonne stieg indeß blutroth zum Horizonte.

Kaum daß ihr trüber Stral auf Leipzig blicken konnte,

So sah sie schon die Noth, die ihr der Kampf gebracht,

Drum hüllte sie sich schnell in Wolken, Dunst und Nacht.[79]

Jedoch den Renommist weckt auch ihr falber Schimmer;

Er stund gestiefelt auf, es zitterte sein Zimmer.

Zuerst besah sein Blick der Handschuh großes Paar,

Zu dem von einem Hirsch das dickste Leder war.

Er fand sie stark genug, Jenenser abzuhalten,

Wie willst du sie, Sylvan, mit deinem Stal zerspalten?

Indem sie seine Hand erfreut zusammen führt,

Ward ein betrübter Schall in dem Gemach verspürt.

Drauf sah man seine Hand die große Peitsche fassen,

Die Peitsche, die so oft durch die durchsprengten Gassen

Mit wildem Laut geknallt, wenn sein ermüdet Roß,

Mit wankendem Galop, nach dem Philister schoß.

Indem er durch die Luft dieß wilde Leder treibet,

Ertönt ein krauser Schall, der selbst sein Ohr betäubet.

Wie wenn im Morgenschlaf von dem bewehrten Wall

Aus holer Stücke Schlund der fürchterliche Knall

In stille Lüfte fährt, die Menschen schnell erwachen,

Und bey noch fernerm Schuß sich aus den Lagern machen:

So sprang der Secundant von seinem Hut auch auf.

»Das Wetter und der Blitz! sprach er erzürnt darauf.

Warum erweckst du mich durch dein verflucht Geknalle?

Darum, damit mein Feind durch meinen Stal bald falle,

War Raufbolds lächelnd Wort. Auf, mache dich bereit!

Ich geh zu meinem Roß, zum Kampf ists jetzo Zeit.«

Er gieng. Kaum hat sein Pferd ihn in dem Stall erblicket,

Als es sich muthig schon von glatten Steinen rücket.

Sein wieherndes Geschrey ergetzte Raufbolds Ohr;

Er streichelts mit der Hand und sagt ihm dieses vor:

»O Gaul von seltner Treu, du, den ich schon geritten,

Da ich bey Jena noch ein ganzes Dorf bestritten.

Du, dessen schneller Fuß mich noch davon gebracht,

Wenn schon der Feinde Stal auf meinen Kopf gekracht;

Ja, du getreuer Gaul, der mich in vollem Jagen,

Von Jena bis hieher in kurzer Zeit getragen,

Sey mir von neuem treu, du siehst heut einen Kampf,

Wo dir zwar kein Pistol in dickem Pulverdampf[80]

Den Kopf durchbohren wird, noch wo ein Lanzenbrechen,

Im fehlgeschlagnen Stoß, dir wird den Hals durchstechen.

Nein, wo man deinem Herrn den Kopf zu spalten sucht:

So spalt ich ihn dem Feind, so nimm mit mir die Flucht.

Dieß ist dann deine Pflicht, durch dein geschwindes Rennen,

Von Leipzig, Häschern, Straf und Carcer mich zu trennen.

Flieh, was du fliehen kannst, damit ich Halle seh.

Zwar thut mir schon zuvor dein schnelles Laufen weh;

Jedoch für deine Treu und für dein leichtes Traben,

Soll dich in Hall ein Brodt mit kaltem Biere laben.

Du bist ein edles Roß, du bist ein jenisch Pferd,

Drum mache dich des Ruhms, der dich erwartet, werth.«

Der Gott der Schlägerey befahl dem Gaul zu sprechen.

Es wiehert und fing an: »dich Renommist zu rächen,

Dich, Raufbold, in dem Kampf beglückt und groß zu sehn,

Nur darum wünsch ich mir dir heute beyzustehn.

Auf! schwinge dich auf mich«. Er warf mit muntern Blicken,

Den rothen Zaum an Kopf, den Sattel auf den Rücken.

Er rief den Secundant, er kam und Raufbold sprach:

»So halte dich denn wohl, gieb nie dem Feinde nach.

Ein Fluch, ein Hieb, ein Stich begleite stets den andern.

In Leipzig schlugst du dich; dieß ist genug zum wandern.«

Ein fliegender Galop trug beyde Ritter fort,

Sie eilen durch die Stadt nach dem bestimmten Ort.

Da, wo vor Ranstädts Thor der krummen Pleiße Wellen

Nicht mehr an dürres Land, an grüne Küsten schwellen,

Ist ein geweihter Hayn, den schon die alte Zeit

Des Umgangs süßen Scherz, den Liebenden geweiht.

Man hat dieß Lustgehölz das Rosenthal benennet,

Und welcher Leipziger ist, der den Ort nicht kennet?

Hier sieht auf ihrer Fluth die Pleiße Gondeln gehn,

Die unter Spiel und Scherz und blasendem Getön,[81]

Von dem beschilften Rand auf Golitz2 freudig eilen.

Ihr aufgeklärter Blick sieht an den vordern Theilen

Die Völker seltner Art. Ein Türk in fremder Tracht,

Der durch sein breites Schwerdt sich groß und furchtbar macht;

Ein Mohr, der in der Hand die bunte Fahne schwinget;

Ein muthiger Husar, der in die Feinde dringet,

Des schreckerfüllter Bart die wilden Lefzen ziert;

Dieß ist der bunte Schmuck, den jede Gondel führt.

So bald man linker Hand ins Rosenthal gelanget,

So sieht der steife Blick, wie alles lächelnd pranget.

Da thürmet sich das Grün der Buchen in die Höh,

Da wird der Haseln Laub zur schattigsten Allee;

Da suchet hellgrün Gras, durch seine lichten Flächen,

Der Linden Dunkelgrün, der Eichen Nacht zu brechen.

Dort zeigt ein volkreich Dorf des Thurmes steile Pracht,

Dort ist die Pleißenburg, von der manch Erzt gekracht.

Und kurz, man irret hier in volkerfüllten Gängen,

Die sämtlich ihre Pracht zu einem Dorf erlängen.

Da war der Tummelplatz, wo Jena seinen Held,

Den artigen Sylvan, zu rächen, aufgestellt.

Hieher kam Raufbolds Roß nebst seinem Secundanten.

Ihr rauschender Galop, die Augen, die schon brannten,

Ein ausgestoßner Fluch, ein siegendes Geschrey

Zeigt der Galanterie, daß dieses Raufbold sey.

Drum sprach sie dieses noch zu ihrem nahen Heere:

»Ihr Geister, wo euch nicht der Trieb nach Ruhm und Ehre,

Wofern euch mein Befehl zum Kampf nicht nützen kann,

So seht auf eure Stadt und dann auf den Sylvan.

Wie? wollt ihr, daß dem Fürst der Stutzer meiner Reiche,

Ein steter Feind von uns mit einem wilden Streiche,

Die Schönheit rauben soll, die sein Gesicht geziert?

Ihr Geister, wo ihr noch der Geister Namen führt,

So hört und thut mein Wort, dieß will ich euch gebiethen,[82]

Du tapfrer Lindamor, du Fürst der Sybariten,

Dir will ich des Sylvans geweiht Gesicht vertraun.

Will es der Renommist mit seinem Stal zerhaun,

So dient dir dieser Schild von meinen eignen Händen,

Den wiederholten Stoß geschicklich abzuwenden.

Empfang ihn, brauch ihn wohl, dem nahen Feind zum Trutz;

Doch meinem Sohn, Sylvan, zum unfehlbaren Schutz.

Ihr andern aber kämpft, bezwingt auf dieser Fläche,

So, wie den Renommist, auch seiner Geister Schwäche.«

Sie schwieg, und Lindamor empfing von ihrer Hand

Den wunderbaren Schild, vor dem kein Feind bestand.

Er war von glattem Stal, im innersten Gehäuse

Lag die verborgne Kraft, die uns zwar jeder Weise,

Doch ungewiß beschreibt. Es war die Fliehungskraft3,

Die, was den Schild berührt, auch von dem Schilde schafft.

Indeß verwandelte die Göttinn selbst ihr Wesen.

Ein glänzender Fasan ward von ihr ausgelesen,

In den verstellt sie sich. Der Federn bunte Tracht

War jeder Mod ein Trieb, der sie verändert macht.

Ein Vogel, den zuerst Canarien gesendet,

Der durch den weißen Schmuck die Europäer blendet,

Und durch den reinen Schall uns oft entzücket hat,

In den verwandelt sich die Mod in unsrer Stadt.

Sie flog auf ein Gerüst im Rosenthale nieder,

Und putzt auch da bemüht ihr blendendes Gefieder.

Vom bunten Stieglitz wählt der Franzen Mod ihr Kleid.

Dieß macht auch jetzt, wie sonst, der andern Vögel Neid.

Es ist im Rosenthal ein alterbaut Gerüste,

Zu diesem kam nunmehr der kühne Renommiste,

Mit ihm die Geisterschaar, der Geist der Schlägerey,

Der Kobold und zuletzt von jenschen Geistern drey.

»O Muse, sage mir die fürchterlichen Namen

Von Geistern, die allhier zuerst zum Kampfe kamen.«[83]

Der Geist der Schlägerey, der schreckliche Pandur,

Um dessen wilden Mund ein lüftger Schnurrbart fuhr;

Der Raufbolds breiten Stal in festen Fäusten führte,

War allen fürchterlich und schlug, was er berührte.

Der Kobold, Raufbolds Schutz, der starke Warasdin,

Führt einen seltnen Stal, der wie ein Feuer schien.

Schnell, wie der krumme Blitz, fuhr er auf seine Feinde,

Und schnell beschützet er die ihm ergebnen Freunde.

Der dritte, Danathos4, ist der, den alles scheut.

Oft treibt er Dichter an, daß sie die Zärtlichkeit,

Mit einem blauen Qualm, ja mit dem Tode schrecken,

Und oft ein ganzes Blatt mit Staub und Graus bedecken.

Ferondal und Algest benannte man noch zween,

Die, an Trabanten statt, dem Geist zur Seite stehn,

»Pandur fing also an: dieß ist der Ort zum kämpfen.

Hier, Brüder, wollen wir den Stolz der Stutzer dämpfen,

Sylvanen und zugleich das nackte Geisterheer,

Das zwar mit großem Schwarm, doch kindischem Gewehr,

Vor uns erschienen ist. Folgt mir, wir müssen siegen!

Wie leicht ist nicht ein Heer mit Fächern zu bekriegen?«

Auf jener Seite sprach der Putz zu seiner Schaar:

»Ihr Geister, nehmt ihr auch der Feinde Schwäche wahr?

Wie? wollen fünfe denn uns allen widerstreben?

Nun können wir getrost um unsern Stutzer schweben.

Kommt! ist ein Schlägergeist so kühn und greift uns an,

So fallet auf ihn zu, es ist um ihn gethan.«

Der Stutzer kam indeß zu dem verlangten Streite,

Der Schutzgeist Leipzigs gieng an seiner rechten Seite,

Und auf der linken ritt ein junger Secundant,

Der, den Husaren gleich, auf seinem Pferde stand.

Ein zugerittnes Roß trug, durch die gleichen Wiesen,

Den Stutzer muthig fort; es schien mit seinen Füßen

Die Erde fast zu fliehn; den glatten Kopf umzirkt

Ein purpurfarbner Zaum von Seid und Gold gewirkt.[84]

»Sieh, Bruder, sprach Sylvan, sieh dort die Renommisten,

Die sich zum nahen Kampf zu unserm Tode rüsten.

Sieh, das ist Raufbold dort, dort in dem kahlen Hut.

Sein Blick ist schon erhitzt und er schon voller Muth.

Doch, Bruder, denk an mich, wir wollen ihn verjagen,

Sein Wetter und sein Blitz wird uns wohl nicht erschlagen.

Verwegen scheint er zwar, wofern man vor ihm flieht;

Allein er fürchtet sich, sobald er Wunden sieht.

Vermagst du deinen Feind nur erst zu überwinden,

Soll mich der Renommist auch nicht erschrocken finden.

Vor solchen Helden hält auch wohl der Feigste Stand.

Setz dein Vertraun auf dich und deinen Secundant.

Viel lieber wollt ich nie ein Lied aus Frankreich singen,

Könnt ich nicht meinen Feind auf einen Stoß bezwingen;

O Bruder, schlägest du den stolzen Renommist,

So denk auch, daß mein Feind von mir bezwungen ist.«

Er schwieg. Indeß erblickt sie Raufbold alle beyde.

Er nahm mit krummer Hand von seinem kurzen Kleide

Die große Peitsche weg, die er zurechte macht,

Daß sie auf den Sylvan, an statt des Grußes, kracht.

»Dich, sprach er bey sich selbst: dich will ich wieder brauchen,

O Peitsche, die ich oft, by meines Pferdes Rauchen,

Durch leichte Lüfte trieb, daß Straß und Markt erschallt,

Wenn du vor meinem Roß geschlängelt hast geknallt.

Mein Seel! wie oft hab ich mit dir die Magd zerschlagen,

Wenn sie mir den Taback nicht bald gnug zugetragen?

Wie oft macht ich durch dich die schwarzen Schnurren scheu?

Wie oftmals machtest du mich von den Schulden frey?

Ja, hab ich mich durch dich nicht auf dem Markt gerochen,

Da ein noch neuer Fuchs mir hönisch zugesprochen?

Sieh! heute führ ich dich von neuem wieder an.

Zertheile du die Luft, zerschmeiße den Sylvan.

Die Kraft empfängest du von meinen starken Händen,

Ich will dich voller Grimm nach seiner Larve wenden!«[85]

Er sagt es, und ein Knall beweiset seinen Zorn.

Sein ihm getreues Roß, gereizt vom scharfen Sporn,

Springt durch das rothe Land. Mit aufgesträubten Mähnen,

Scheint es sich gegen ihn gebiethrisch aufzulehnen.

Die Peitsche folget ihm in tausend Krümmen nach.

Er eilt zu dem Sylvan, zu dem er dieses sprach:

»Hiermit will ich, Sylvan, an jenem Hohn mich rächen,

Womit du mich beschimpft«. Und ohne viel zu sprechen,

Schlug er ergrimmt auf ihn: jedoch Sylvan entwich,

Durch sein geschicktes Roß, der Peitsche wildem Strich.

So wie Dragoner schnell von starken Pferden springen,

Und mit gezücktem Schwerdt in dicke Glieder dringen:

So sprang der Renommist, und auch Sylvan herab,

Der sein geschmücktes Roß dem Diener übergab.

Sie ziehn sich schleunig aus, und in dem Augenblicke

Trat Raufbold, wie Sylvan, in seinen Stand zurücke.

Zuerst wagt Raufbolds Faust den ausgedachten Streich

Auf des Sylvans Gesicht; doch er verdarb sogleich.

Der treue Lindamor hielt dem geschärften Degen,

Mit ausgestreckter Hand, den Götterschild entgegen.

Dieß sah der Geist, Pandur, sein trotziges Gesicht

Erschreckt die Geister schon, obgleich er noch nicht spricht.

Dann rief er ihnen zu: »Ihr seht, getreue Schaaren,

Die Geister, die Sylvans umzirkt Gesicht bewahren.

Ihr seht es, daß der Hieb, den unser Raufbold that,

Den Stutzer kraftlos floh, weil ihn ein Geist vertrat.

Doch, Geister, sind wir hier, noch länger dieß zu sehen,

Und zwar, von Muthe voll, doch ohne Kraft zu stehen?

Nein, nein, kommt, folgt mir nach mit blitzendem Gewehr,

Erschreckt die nackte Schaar, brecht in ihr offnes Heer!«

So sprach er, und stürzt sich mit fürchterlichen Schritten,

In das erstaunte Heer der kleinen Sybariten.

Der starke Warasdin folgt mit dem Feuerstal,

Und diesem wilden Geist folgt die gedritte Zahl.

Wie wenn ein schneller Schwarm verwüstender Husaren,

Die schon mit breitem Schwerdt aus eisern Scheiden fahren,[86]

Auf ein erblicktes Heer verhaßter Franzen eilt,

Sich in den Feind die Schaar schnell wie der Blitz zertheilt:

So schnell zerstreuten sich die Geister in die Glieder

Und was sich widersetzt, wirft ihre Hand auch nieder.

Schon sah der Putz vor sich den Kobold Warasdin.

Er lacht' ihn hönisch an und sprach: »Putz, willst du fliehn,

So thu es, aber bald; sonst will ich dich zerhauen,

Und deine ganze Schaar soll dich zertheilet schauen.

Du denkst zwar, daß du, Geist, nicht zu verwunden bist;

Allein mein Degen thuts, weil er von Feuer ist.«

Er sagts, und fährt sogleich nach seinen bunten Haaren.

Sein Stal verbrennt sie auch, weil sie von Bande waren.

Doch der geschwinde Putz verwandelt alsobald

Durch seiner Göttinn Macht in Puder die Gestalt.

Er führt den leichten Staub dem Kobold in die Augen,

Daß sie auf einmal blind, nichts zu erblicken taugen.

Zwölf Geister fielen drauf auf einmal über ihn,

Sie stürzen ihn zuletzt durch wiederholt Bemühn.

Wie, wenn der Hauer Fuß zur hohen Buche steiget,

Die als der ältste Baum Kiefhausens sich gezeiget,

Der Äxte wilder Hieb, der in die Runde prallt,

Von dem berühmten Schloß durch hole Forste schallt,

Und endlich, wenn sie noch den Gipfel wankend weiset,

So vieler Bauren Macht sie brechend niederreißet:

So sinkt auch dieser Geist. Jetzt fiel ein ganzer Schwarm

Bald auf die feste Brust, bald auf den starken Arm,

Und kurz, da sich auf ihn fast zwanzig Geister legen,

So kann er nicht einmal den Mund zum Rufen regen.

Indessen wüthete der schreckliche Pandur.

Wohin er in den Feind mit Raufbolds Degen fuhr,

Floh alles, was ihn sah. Schon wollt er die verjagen,

Die auf den Warasdin statt schwerer Fesseln lagen,

Jedoch indem war auch der Schutzgeist Leipzigs da,

Er rief mit starkem Ton, da er ihn kämpfen sah:

»Wo ist Pandur, wo ist dein fürchterliches Drohen?

Denkst du, daß weil vor dir ein Sybarit geflohen,[87]

Der jetzt zum erstenmal mit Schlägergeistern kämpft,

So sey auch meine Macht und auch mein Zorn gedämpft?

Nein, nein, wofern du willst ein Geist der Schläger heißen,

So komm, ich will mich nicht vor dir verzagt erweisen.«

Er schwieg, und sieht den Geist, der bey sich brummend schilt.

Pandurens erster Hieb zerspaltet ihm den Schild.

Indem er aber denkt als Sieger fort zu eilen,

So sieht er von dem Geist sich auseinander theilen.

Ein Bach ätherisch Blut, das aus der Wunde schoß,

Macht, daß sein reger Zorn vergebens sich ergoß.

Jedoch weil aus der Luft der Dichter Geister stammen,

So wuchs sein halber Leib auch wiederum zusammen.

Zwölfmal flucht er ergrimmt, da er durchschnitten war,

Und zwölfmal streubte sich des Barts ätherisch Haar.

»So siehst du denn, Pandur, bey allen deinem Drohen,

Daß Leipzigs Schutzgeist nicht vor deinem Arm geflohen.

Er hat mit dir gekämpft, er hat dich auch gestürzt,

Allein er ist es auch, der deine Schmach verkürzt!

Komm, hiermit wollen wir uns wiederum versöhnen,

Was wollen wir uns denn zum steten Kampf gewöhnen?

Dein Raufbold wird nunmehr von mir und Leipzig fliehn,

Und du wirst den Sylvan doch nicht nach Jena ziehn.«

So wie das trübe Meer die wilden Wellen leget,

Doch noch den Furchen gleich die grüne Fluth beweget:

So war des Geistes Zorn zwar mehrentheils gestillt.

Allein er murrte noch, von innrer Rach erfüllt.

Schon da von neuer Wuth die Geister wieder brannten,

Erblickte man den Kampf der beyden Secundanten;

Sie trieben sich ergrimmt durchs ganze Rosenthal.

Jedoch wenn dieser stieß, wich jener jedesmal:

Wie wenn zween Widder sich auf einer Wies entzweyen,

Sie erst mit krummem Horn einander schüttelnd dräuen,

Der starke drauf den Feind durch alle Wiesen jagt,

Der niemals stille steht und fest zu streiten wagt.[88]

Dieß macht, daß jeder Geist auf diese Kämpfer blicket,

Bis sie der leere Streit dem starren Aug entrücket.

Indeß da Raufbold noch mit Drohn und Fluchen ficht,

Jedoch der starke Schutz der Geister ihm gebricht,

Wächst seines Feindes Muth. Er schickte dieses Flehen

Zur Mod im härtsten Streit: »O Göttinn, laß geschehen,

Daß der, der gestern dich um deinen Beystand bath,

Sich heute wiederum zu deinem Throne naht.

Du siehst hier, Göttinn, selbst, du siehst den jenschen Krieger;

Sein Hochmuth hält sich schon gewiß für meinen Sieger.

Doch, Göttinn, steh mir bey, vollführe du den Hieb,

Den ich zwar oft gethan, doch der entkräftet blieb.

Vollführ ihn, so kann ich dem wilden Schläger zeigen,

Daß sich auch Stutzer nicht vor Renommisten beugen.

Dafür soll, Mode, dir mein Nachttisch heilig seyn;

Ich will zu deinem Dienst den ganzen Tag dir weihn.

Den ganzen Tag soll mich mein Spiegel vor sich sehen,

Und stets soll sich mein Haar in runde Locken drehen.

Ja, Göttinn, thust du es, so trink ich den Caffee

Nunmehr des Morgens früh, des Mittags aber Thee.«

Er sagts, und folgt sogleich dem innerlichen Triebe.

Ein Stich durch Raufbolds Hand folgt einem starken Hiebe.

Durch seiner Stulpe Spalt spritzt das erzürnte Blut;

Er wirft den Degen hin, und auch zugleich den Muth.

»Das Wetter und der Blitz, Sylvan, ich bin verletzet!«

So wie ein Jagdhund schnell durch leere Felder setzet,

Wenn er von fern den Schall des lauten Hifthorns spürt:

So eilt auch auf den Fluch, den Raufbold grimmig führt,

Der Geist Pandur herbey; er sah den überwunden,

Den er noch nie verzagt und nie verletzt gefunden.

Sein Eifer, den er fühlt, sprach dieß zum Renommist;

»Wie, Raufbold, ists auch wahr, daß du verwundet bist?

Ists möglich, soll dich nun ein Stutzer überwinden?

Wie lässest du dich denn so feig und zaghaft finden?

O Raufbold, wenn dich noch der Ruhm von Jena rührt,[89]

Wofern sich nicht der Muth aus deiner Brust verliert;

So laß dich doch dein Wohl, dein eignes Wohl bewegen,

Und eile noch einmal nach dem verlohrnen Degen.

Sieh! hiermit heil ich dir die kleine Wunde bald.

Verletze den Sylvan, stoß zu und mach ihn kalt!«

Darauf führt ihn der Geist auf den Sylvan zurücke,

Und Raufbold rief ihm zu: o preise nicht dein Glücke!

»O Stutzer, komm und sieh, wer jetzo siegen kann.

Mit dir fang ich den Streit, obgleich verwundet, an!«

Der Geist der Schlägerey führt selbst den starken Degen;

Er selbst will den Sylvan mit Raufbolds Arm erlegen.

Kaum daß, vom Siege voll, sein Schutzgeist seitwerts wich,

Fühlt er schon durch den Arm den angebrachten Stich.

»Nunmehr bin ich vergnügt, nunmehr bin ich gerochen,

Da ich den Arm verletzt, der mich zuvor durchstochen.«

So sprach der Renommist. Er sang, indem er lacht:

»Der Abschiedstag ist da. Mein Leipzig gute Nacht!«

Er sagts, und jaget fort; der Peitsche freudig Knallen

Macht, daß im grünen Forst die Eichen wiederschallen.


Fußnoten

1 Gemeint ist Leipzig, die ›Lindenstadt‹.


2 das ehemalige Dorf Gohlis, ein Ausflugsort nahe dem Rosental.


3 Vis fugitiua.


4 Thanatos (griech.: Tod), vgl. S. 12, Anm. 14.


Quelle:
Just Friedrich Wilhelm Zachariä: Zwei polemische Gedichte, Berlin 1903.
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Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

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Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

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