109. Im Namen der Gemeine

[307] 1732.


O Du Hüter Ephraim,

Des geringsten Theils der Heerde

Deiner Erde,

Unser Auge sieht mit Schmerz,

Niederwerts;

Aber unsre Seelen blikken,

Mitten in dem Niederbükken,

In Dein hoch-erhabnes Herz.


Tödten ist dem Herrn erlaubt:

Denn Er tödtet nur (vom Bösen Zu erlösen)

Nichts als unheilsame Noth,[307]

Nichts als Tod,

Und der Lüste ihr Gehekke,

Und der Sünden Eiter-Stökke,

Und der Glieder Sterb-Gebot.


Ehmahls solts gestorben seyn,

Und dasselbige zur Strafe,

Für die Schafe,

Die sich von der Lebens-Bahn

Abgethan;

Doch die unverdiente Tödtung

(Wir bekennens mit Erröthung)

Ward dem Hirten angethan.


Seit der Zeit ist unser Ziel,

Das die Menschen Sterben nennen,

Dies nicht kennen,

Nur ein seliger Beschluß

Vom Verdruß,

Nur der letzte Schritt des Gauges,

Den man durch das Thal des Dranges

Hinter Christo gehen muß.


Schau auf Deine Herrenhut,

Haupt der Schwachen und der Kleinen,

Die dich meynen;

Itzt zehn Jahr sprach Deine Treu,

Plötzlich: SER!

Gnade, drinnen wir uns spiegeln,

Wunder, welche wir versiegeln,

Werden alle Morgen neu.


Ueber hundert hast Du schon,

Weiser Heiland! aufgehaben,

Und wir traben

Noch, solang es Dir gefällt,

Durch die Welt.

Die Vollendungs-Wolke taufet,[308]

Seit der elfte Jahr-Gang laufet,

Erstlich einen jungen Held.


Heute, Herr, gefiel es Dir,

Matthäs Linnern, Deinem Kinde,

Gnaden-Winde,

(In der Gottheit Meer zu gehn)

Zuzuwehn.

Solten wir uns unternehmen,

Deine Liebe zu beschämen,

Und zu sprechen: Laß ihn stehn:


Fahre hin ins Herz mit uns,

Inniglich geliebter Bruder!

Bleibt dein Ruder

Gleich in Einsamkeit zurük,

Weil das Glük,

Deine Stelle zu bedienen,

Unser keinem noch geschienen,

Wir erwarten Christi Blik.


Der gesegne dir den Schlaf,

Du gehst früh genug zur Ruhe,

Deine Schuhe

Sind nicht durch den langen Weg,

Rauhen Steg,

Noch vom Alter abgerissen.

Jesus wird die Ursach wissen,

Daß Er dich zu Bette leg'.


Danke unserm lieben Herrn,

Den die heilgen Seelen droben

Immer loben,

(Denn mit Dank erlanget man,

Was man kan:)

Danke Ihm, daß unsre Jugend

Deinem Glauben, Deiner Tugend

Nachzufolgen lieb gewann.
[309]

Nun, du zartes Knaben-Volk,

Laß dich doch zu Christi Sitten

Früh erbitten,

Denke, daß es Jesus Christ

Würdig ist.

Wer, wie unser Linner, stehet,

Wird, wie er, ins Licht erhöhet,

Und zum Hochzeit-Fest gerüst:


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 307-310.
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