122. Auf seiner Tochter 7ten Geburts-Tag, am Tage der unschuldigen Kinder

[345] 1733.


Du von der Gnad erregte,

Mit Macht bewegte

Und in den Grund gelegte

Je mehr und mehr;

Du bey der kleinen Mägde

Beglüktem Heer

Aus Gnaden mit gehegte,

Bisher gepflegte

Und Christo eingeprägte

Benigna hör!
[345]

Der abgejagten Hündlein

Zum Würge-Stündlein

Mit Blut-verstellte Mündlein

Schreyn Himmel an,

Ein jedes hat sein Pfündlein

Wohl ausgethan.

Ihr, ihr ins Lebens-Bündlein

Mehr als in Windlein

Hinein gehüllte Kindlein,

Macht Jesu Bahn!


Indem nun wir vom Bunde

Aus Herzens-Grunde

Mit Lob-erfülltem Munde

Diß Heer erhöhn,

Und gleichsam ihre Wunde

Noch vor uns sehn,

Ruft zu derselben Stunde

Der Herr der Pfunde

Dir auf dem Erden-Runde

Hervor zu gehn.


Gleich ist Er mit Verlangen

Dir nachgegangen,

Und hat mit Siege-Prangen,

Zu deinem Glük,

Dein zartes Herz gefangen

Den Augenblik,

Da dich die Welt empfangen;

Und alle Schlangen,

Die sich an dich gehangen,

Trieb Er zurük.


Der Feind sucht jungen Herzen

Durchs eitle Scherzen

Und ein verführisch Herzen

Ein Gift zu sä'n,[346]

Die hellen Gnaden-Kerzen

Gar auszuwehn,

Die Unschuld zu verschwärzen,

Ja auszumerzen:

Dir mußten lauter Schmerzen

Durchs Herze gehn.


Gelobet seyn die Züge

Seit deiner Wiege,

Die das Gericht zum Siege

Hinaus gebracht,

Und deine Brust gefüge

Und sanft gemacht,

Und daß dein Geist sich schmiege,

Vor Christo biege,

Und Seine Salbung krige,

Das Fleisch geschlacht't.


Soll ich in diesen Tagen,

Anstatt zu klagen,

Dem Herrn ein Wörtlein sagen

Dir zum Behuf,

Und dessen Mund befragen,

Kind! der dich schuf,

Und über manche Plagen

Hinweg getragen:

Zu Amminadibs Wagen1

Geh dein Beruf.

Fußnoten

1 So heisset Hohel. 6, 11. der Wagen eines freywilligen Volks, das ist eine Gemeine Jesu.


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 345-347.
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