Fünfter Auftritt.

[101] Rosamunde und Flodoardo.


ROSAMUNDE betroffen.

Signor ...

FLODOARDO eben so.

Mein erlauchtes Fräulein ...

ROSAMUNDE.

Ah, wie bin ich überrascht!

Eben, Signor, war't Ihr noch

Mein Gespräch mit Iduella.

Doch wir ahneten so nah uns

Nicht den Helden dieses Tages.

FLODOARDO.

Ueberglücklich preis' ich mich,

Im Geheimniß Eurer Seele

Fortzuleben, ...

ROSAMUNDE mit verbindlichem Lächeln.

Mein Herr Ritter,

Wohl beneidenswürdig wäret Ihr,

Wenn Euch das beglücken könnte!

Denn, so lang' ich nicht vergesse,

Daß ich Ehre, Freiheit, Leben,[101]

Euerm Muthe danken muß,

Werdet Ihr in vollem Maße

Jenes Ueberglücks genießen.

Fast indessen will es scheinen,

Ist's mit der Genügsamkeit,

Die Ihr äußert, kaum ein Ernst.

Es sind angenehme Worte.

Worte tauscht man aus wie Münzen,

Achtet einzig aufs Gepräge,

Wenig auf den innern Werth.

Doch zuletzt bei Tausch und Täuschung

Findet jeder seine Rechnung.

FLODOARDO.

Glaubt Ihr? – Gönnet mir's, zu zweifeln.

Keiner lernet vom Gepräge

Schöner Worte, schöner Münzen,

Wie er steht, wie reich er ist.

ROSAMUNDE.

Niemand auch, der leicht sich dünket,

Weiß dabei, wie arm er ist:

Alles wohnt in Täuschung glücklich.

Doch die Täuschung, die uns treu bleibt,

Gilt der besten Wahrheit gleich.

FLODOARDO mit wachsender Lebhaftigkeit.

Nimmermehr. O, das ist Hofgeist,

Denkart aus der feinen Welt;

Oder eines Menschenfeindes,

Dessen Herz die Welt belog.

Nein, der Thau der Morgenröthe,

Wenn er auf der Lilie bebt,[102]

Glänzt so lauter nicht, so klar,

Wie in Stimme, Blick und Zügen

Euer ganzes Wesen lebt.

Dieses Aug', aus dem der Himmel

Reiner Güt' und Unschuld lächelt, –

Warum wollt' es denn betrügen?

O wenn solche Lippen lügen,

Glaub' ich keinem Himmel mehr.

Alles Heil'ge, alles Wahre,

Ist dann hohle Gaukelei;

Und die Tugend bloß ein Irrlicht

Uns'rer kranken Phantasie.

ROSAMUNDE.

Welch ein Aufruhr eines armen,

Mißverstandnen Wörtchens willen!

Sagt' ich denn, ich woll' Euch täuschen?

Würd' ich's dürfen, wenn ich's wollte?

Wer in Wahn und Täuschung fällt,

Hat sich, glaubt es, seine Falle

Meist mit eigner Hand gestellt.

FLODOARDO.

Nun denn, mag auf dieser Erde

Alles eitel Blendwerk sein,

Und der blöde Geist oft irren:

Doch das Wahre, doch das Schöne

Und das Heil'ge ist kein Wahn.

Darum will ich an Euch glauben,

Und in diesem Glauben mich,

Ueber Wahn und Trug im Leben,

Zu dem Wahren und dem Schönen,

Und dem Heiligen erheben.[103]

ROSAMUNDE verlegen und erröthend, indem sie eine Rose von ihrem Busen nimmt und damit spielt.

Lieber Ritter ... wenn ich ... laßt uns

Dies Gespräch ... und diese Richtung ...

Meine Hochachtung für Euch

Will mir nicht erlauben ... Ritter ...

Worte, wie die Euern, schwächen

Meine Zuversicht in Euch.

FLODOARDO betreten.

Fräulein, Ihr verkennt mich schwer!

Treues Zeugniß von dem Innern

Meines Herzens legt' ich ab; –

Und Ihr wähnt, gemeines Schmeicheln

Eines Höflings anzuhören;

Und vermengt mich mit dem Haufen

Fader Süßlinge, die Euch

Täglich ihren Weihrauch opfern.

Oder, was in meinen Worten

Hat die Achtung, die die Welt,

Hat die Ehrfurcht, die mein Herz

Für Euch fordern kann, verletzt?

Euer Mißtraun ... nehmt es von mir,

Denn es stürzt mich in Verzweiflung.

ROSAMUNDE.

Nicht doch! Warum gebt Ihr

Meiner Rede diesen Sinn?

Nein ... nur wenn Ihr jene Sprache

Schwärmerischer Trunkenheit ...

Mein Verhältniß, und ... das Eure ...[104]

FLODOARDO mit Ehrerbietung.

Niemals werd' ich mich vermessen

Fräulein, Eurer Fürstlichkeit,

Und der Stellung zu vergessen,

Daß Ihr meine Herrin seid.

ROSAMUNDE lebhaft.

Nein! O das nicht! Warum zürnet Ihr?

Warum spottet Ihr mich Herrin? – –

Edler Retter meines Lebens,

Ich beschwör' Euch, seid nicht grausam.

Sprecht, was fordr' ich denn? Nur Schonung,

Nur Beachtung einer Grenze,

Die um uns die Sitte zog;

Einen heiteren Verkehr nur

Zwischen Euch und mir, den nicht

Die Verleumdung lästern darf.

Zweifelt nicht an meines Herzens

Ewiger Erkenntlichkeit.

Mein Gebet preis't Euch vor Gott

Flodoardo Mocenigho,

Nein, verkennet mich nicht länger,

Glaubet mich nicht undankbar.

Viel schon habe ich gesonnen,

Nicht, wie ich vergelten könne,

Was Ihr einst für mich gewagt;

Sondern einzig ...

FLODOARDO.

Haltet ein!

Könnt' Ihr mich betrüben wollen?

Nichts hab' ich für Euch gewagt.[105]

ROSAMUNDE.

Nichts, als Euer eignes Leben.

FLODOARDO.

Es gehörte mir nicht an,

Seit ich Euch gesehen hatte.

ROSAMUNDE.

Nun, verschmähet Euer Stolz denn

Die Beweise meines Dankes,

O so, bitt' ich, helft mir sinnen,

Daß ich Euch ein Zeichen gebe,

Wie ich, edler Mann, Euch ehre.

FLODOARDO schüchtern.

Darf ich kühn ein Zeichen fordern,

Nur ein Zeichen Eurer Huld?

Sorglicher, als je ein König

Seinen Schatz bewachen ließ,

Als die Kirch' ihr Heiligthum,

Werd' ich's hüten und bewahren.

Wie die Andacht vor dem Bilde

Ihres Heil'gen kniet und betet,

Will ich, wenn ich Euch nicht sehe,

Vor der Gabe Eurer Hand

Meinen Geist zu Euch erheben ...

Darf ich ... Fräulein ... darf ich fordern?

ROSAMUNDE.

Und was muß ich ...

FLODOARDO.

Diese Rose,

Die in Euern Händen blüht!

ROSAMUNDE.

Diese Blume nur?[106]

FLODOARDO.

Betrachtet

Die Bedeutungsvolle wohl.

Nicht umsonst führt sie den Namen

Einer Königin der Blumen,

Denn sie trägt die schönen Farben

Dessen, was die Welt beherrscht.

Diese süße Glut, im Innern

Ihres Busens, nennt sich


Halblaut.


Liebe;

Und das dunkle Grün der Blätter

Deutet auf die stille Hoffnung.

ROSAMUNDE erröthend.

Warum wollt Ihr ... warum wendet

Ihr Euch stets zu dieser Sprache?

Ritter ... müßt' ich den Tod

Für Euch wandeln, o wie freudig!

Aber ... nur nicht diese Sprache!

Wählt, erhöret meine Bitte,

Wählt Euch Andres ...

FLODOARDO zu ihren Füßen mit flehender Stimme.

Diese Rose!

ROSAMUNDE hinwegblickend.

Stehet auf, so sollen wir

Nicht beisammen sein.

FLODOARDO.

Verstoßt mich,

Aber lasset mir die Rose,

Und die Blume wird mich trösten,

Wird zu dem Verbannten sagen:[107]

Rosamunde denket dein!

Darf ich ...


Er streckt die Hand zur Blume.


ROSAMUNDE will ihm die Blume rasch entziehen. Die Rose fällt vom Stengel zu Boden.

Ach! Sie ist gebrochen!

FLODOARDO nimmt die Rose von der Erde, steht auf und betrachtet schweigend die Blume.

Ach, ihr laßt mir wohl die Liebe,

Aber traurig – ohne Hoffnung!

ROSAMUNDE halblaut mit gesenkten Augen.

Und die Ros' habt Ihr genommen,


Sie drückt den grünen Stengel an ihre Brust.


Und – die Dornen mir gelassen.

FLODOARDO.

Nein, laßt mich die Dornen tragen,

Gebt sie mir, und mir die Hoffnung!

O, ich will die Schmerzen segnen,

Welche solche Hoffnung bringen.

ROSAMUNDE traurig.

Bald verdorrt das grüne Laub,

Und die Rose wird entblättert;

Nur die Dornen bleiben immer!

Nur die Dornen! – Wehe mir!


Sie verhüllt das Gesicht.


FLODOARDO mit ängstlichem Ungestüm.

Fräulein! Fräulein! – Höret mich!

Nein, ich wollt' Euch nicht beleid'gen.[108]

O verzeiht. Ich war im Wahnsinn

In den tiefsten Abgrund wünsch' ich

Meine Unbesonnenheit und mich.

Weinet nicht. Denn jede Zähre

Steigert meine Schuld und klagt

Meinen Frevel herber an.

Ich will fliehn mit meiner Liebe

In die weite, öde Welt;

Will, die Sünde abzubüßen,

Ewig Euer Antlitz meiden. –

Wein't nicht! Lebet wohl! Verzeiht!

ROSAMUNDE ihn anlächelnd.

Zögert einen Augenblick! –

Thränen sind der Zoll der Schwäche.

Und Ihr waret nur der Zeuge

Weiblicher Gebrechlichkeit.

Kaum noch Eurer Achtung würdig,

Steh' ich hier vor Euch verrathen. –

Ja, Ihr wißt, an wen ich glaube!

Unter allen Sterblichen

Hab' ich meine Ruh' und Ehre

Euch, nur Euch anheimgestellt.

Ja, Ihr wißt, in wem ich lebe;

Daß mir Erd' und Himmel nun

Keine Lust und Freude spenden,

Als durch Euch, aus Euern Händen.

Nun übt Großmuth, edler Freund,

Großmuth ist des Mannes Krone!

Tief vergrabt in Eurer Brust,

Das Geheimniß meiner Leiden,

Das Geheimniß meiner Lust.[109]

Liebt mich, wie die Gottheit liebt,

Nur durch Thaten, ohne Worte.

Plaudert mit ihr in Gedanken,

Früh und spät, in allen Träumen;

Aber stumm bleib' Eure Lippe,

Still, wie der verschwieg'ne Tod.

Selbst die Augen laßt verstummen.

Gleich beschneieten Vulkanen,

Tragt das Herz voll ew'ger Flammen, –

Aber Blicke, kalt, wie Eis ...

Nun lebt wohl! Man wird mich suchen!


Sie will sich entfernen.


FLODOARDO.

Einen Augenblick verweilt!

Denn ich träume, fiebre, schwindle!

Weiß nicht, ob Ihr selbst es seid,

Oder ob ein schöner Wahnsinn

Zaubereien vor mir treibt?


Er kniet und küßt ihre Hand.


Laßt die treue Wirklichkeit

Meine Sinne überwiegen ...

Rosamund'! es ist kein Wahn.

Ja, der Himmel aller Sel'gen

Ist mir Sel'gen aufgethan,

ROSAMUNDE entzieht sich und geht einige Schritte.

Lebet wohl! – Ich höre Rauschen.

Sorgt, daß Ungeweihte nicht

Mit Verrätherohren lauschen![110]

FLODOARDO steht auf.

Eins nur! – Ach, das Eine noch!

Liebe gabt Ihr mir und Glauben,

Nur die Hoffnung wollt Ihr rauben?

ROSAMUNDE der Rosenstengel zittert in ihrer Hand. Sie läßt ihn fallen und geht langsam zur Thür, von der sie gekommen war.

FLODOARDO hebt ihn auf, drückt ihn an sein Herz, und eilt zum Hintergrunde nach der entgegengesetzten Seite.

Auch die Hoffnung läßt sie mir!


Er bleibt stehen, wendet sich und streckt die Arme nach Rosamunden.


Rosamunde!

ROSAMUNDE sieht, stehen bleibend, zurück.

Flodoardo!


Sie läßt die halberhobenen Arme mit einem Seufzer sinken und entfernt sich schnell. Eben so Flodoardo auf der andern Seite.


Quelle:
Heinrich Zschokke: Gesammelte Schriften. Band 15, Aarau 1865, S. 101-111.
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