Sechster Auftritt.

[199] Doge und Flodoardo.


FLODOARDO.

Mein durchlauchter Herr, ich möchte ...

DOGE hält ihm den Untertheil des Briefes vor die Augen.

Weß ist diese Unterschrift?

FLODOARDO.

Meine eigne.

DOGE hält ihm den ganzen Brief vor.

Und die Handschrift?

FLODOARDO.

Irr' ich nicht, so schrieb ich's selber.

DOGE steckt den Brief zu sich.

Wann habt Ihr dem Obersten

Der dalmatischen Besatzung

Diesen Brief gesandt? – Besinnt Euch.

FLODOARDO.

Dem schrieb ich noch keine Zeile.

DOGE.

Oberst Kassowich?

FLODOARDO.

Noch niemals.[199]

DOGE.

Sagt mir denn, was haltet Ihr

Von der Treue des Marcasca,

Hauptmanns bei der Zeughauswache?

FLODOARDO.

Ich bedaure, Eure Durchlaucht

Nicht befriedigen zu können,

Denn er ist mir unbekannt.

DOGE.

Nun denn ... Mehr ein and'res Mal.


Er will sich entfernen.


FLODOARDO.

Eure Durchlaucht, eine Bitte

Wollet Ihr mir noch gewähren ...

Ein Geschäft von Wichtigkeit ...

Nur des Augenblicks bedarf es,

Um die Sache abzuthun.

DOGE schon an der Seitenthür.

Dringenderes ruft mich fort.

Zögert hier ein Viertelstündchen,

Und verlasset nicht den Saal.


Ab.


FLODOARDO allein, verdrießlich.

Nur ein Viertelstündchen! Wüßt er's,

Wie Minuten heute schwer sind! – –

Und was wollt' er mir mit seinen

Sonderbaren Fragen deuten? –

Jener Brief dazu! – Vermuthlich

Gar ein Liebesdienst Parozzi's!

Und wozu? O, ganz gewiß

Will mir dieser glatte Flachkopf[200]

Einen übeln Streich versetzen.

Nattern tragen flache Köpfe!


Quelle:
Heinrich Zschokke: Gesammelte Schriften. Band 15, Aarau 1865, S. 199-201.
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