Dritter Auftritt.

[240] Die Vorigen. Flodoardo.


ROSAMUNDE indem sie bei seinem Anblick die Hände betend zusammenlegt und mit Entzücken himmelwärts blickt.

Ja er ist's! Gelobt sei Gott!

FLODOARDO sich dem Dogen mit heiterm Antlitz nähernd.

Eure Durchlaucht ...

DOGE hastig.

Seid willkommen,

Edler Ritter, tausendmal ...

Habt Ihr Euer Wort gelös't?

FLODOARDO.

Alles, wie Ihr mir geboten,

Ist erfüllt; die Republik

Frei von jeglicher Gefahr;

Und der Himmel lächelt heiter.

DOGE.

Und der Mörder unsrer Freunde?[240]

FLODOARDO.

Abellino's Tod und Leben

Liegt in Eure Hand gegeben.

Die Verschwörung ist zertrümmert,

Ihre Banden sind gesprengt;

Ihre Helfershelfer füllen

Schon die Kerker und Bleikammern.

DOGE.

Und die Rädelsführer? ...

FLODOARDO.

Diese

Stehn im Saal hier schon beisammen.

DOGE bestürzt.

Wie?

FLODOARDO.

Ich hoffe sie zu zwingen,

Ohne Lärmen und Gewalt,

Vor der festlichen Versammlung

Ihr Verbrechen zu bekennen.

Hier sind viel erhabne Zeugen,

Glieder oberster Behörden.

Ihre Gegenwart ist wichtig.

Darum bitt' ich Eure Durchlaucht,

Zu gestatten, daß ich jetzt

Meinem Werke hier das Siegel

Der Vollendung geben dürfe.

DOGE kopfschüttelnd.

Dieses Fest, und dieser Ort,

Sind dafür nicht gut gewählt.

FLODOARDO.

Also scheint's. Doch wird die Folge[241]

Wahrlich die Rechtfertigung

Meiner Bitte bei Euch führen.

Halb nur ist mein Thun gelungen,

Ohne freies Eingeständniß

Der Verbrecher und der Schuld.

Dazu möcht' ich edler Zeugen

Wider diese mich bedienen;

Zeugen, welche wohl verdienen,

Theil am heut'gen Fest zu nehmen;

Zeugen, deren Rang und Würde

Ungern nur vor Richterstühlen,

Sündern gegenüberstände.

DOGE nach einigem Besinnen.

Wohl, es sei! Ich geb' Euch Vollmacht.

Doch gedenkt der zarten Frauen,

Die vom heut'gen Fest mit Recht

Fröhlichern Genuß erwarten.

FLODOARDO.

Ich verheiße diesen schönen

Töchtern unsrer Republik

Heut den seltensten Genuß,

Und was immer auch geschehe,

Niemand fürchte. Wir stehn sicher.

DOGE.

Ich vertrau' Euch. Ihr habt Vollmacht.

Nennt die Häupter der Verschwörung.

FLODOARDO zu den Verschwornen.

Contarino, Falieri,[242]

Memmo, und Parozzi, Ihr,

Auch Abbate Tolomeo,

Eure Schuld ist aufgedeckt.

Stehet Rede, gebet Antwort!

Jede Ausflucht ist verloren. –

Auf den Lidos werden sich

Keine Mißvergnügten sammeln,

Ihre Führer sind gefangen! –

Contarino, Euer Oberst

Follo liegt schon in den Eisen;

Die Dalmatier sind treu.

Kassowich befiehlt die Truppen,

Und Marcasca wacht persönlich

Vor des Arsenales Thor.

Kriegsvolk füllet den Palast,

Selbst den Saal; Ihr seid entwaffnet!

Euch Parozzi, Falieri,

Memmo, gibt um Mitternacht

Kein Kanonenschuß das Zeichen

Rosamundens Namensfest

In ein Blutbad zu verwandeln. –

Ihr, hochwürd'ger Herr Abbate,

Habt die Summen Roms verspielt;

Denn Venedigs Kirchenfreiheit

Steht von heut' an unerschüttert.

Alles Läugnen wird vergebens.

Redet! – Freies Eingeständniß

Kann die vollgefüllte Schale

Eures sträflichen Beginnens

Um ein Großes noch erleichtern.[243]

PAROZZI nach langer Stille, in der die Verschwornen betrübt dastanden.

Ist es möglich? – Redet Niemand?

Oder lähmet das Entsetzen

Ob der niegehörten Frechheit

Aller freien Edeln Zunge? – –

Wo wagt man uns, gegen Ordnung

Und Verfassung, anzuklagen?

Ist der Tanzsaal ein Gerichtshof?

Und wer wagt es, schamlos uns

Der Verrätherei zu zeihen?

Ist's ein Mensch von Ehre? nein!

Von Florenz, als Ränkestifter

Ausgetrieben, steht er selber

In Venedig wiederum

Schweren Hochverraths bezüchtigt.

Und ein solcher darf hier frech

Edle, unbescholtnen Namens,

Oeffentlich mit Schimpf besudeln?

Und Ihr schweigt, Venetianer?

Nun, – im Namen des Gesetzes,

Fordr' ich den Verhaft des Lügners!

Hört! ich selbst gab eigenhändig

Dem durchlauchten Herzog gestern

Einen Brief, den Flodoardo

Schrieb. Und dieser Brief ist Zeugniß

Von dem Hochverrath des Menschen!

FLODOARDO mit ruhiger Würde.

Wohl, daß Ihr mich des erinnert.[244]

Euer Schreiber, der so trefflich

Meine Schrift zu malen weiß,

Sitzt gefangen; ja noch mehr,

Hat die Büberei erzählt.

Und wie steht's? – Wo ist mein Ring?

Sprecht, wo ist mein Siegelring?

Gestern Nacht gab Abellino

Euch den Ring, als Pfand und Bürgschaft,

Daß er Euern Mordbefehl

Gegen mich vollzogen habe.

PAROZZI betroffen.

Welche ... beispiellose Bosheit! ...

Was schaff' ich mit Meuchelmördern,

Die bei Euch im Solde leben?

CONTARINO.

Länger, o Venetianer,

Dürfen wir es nicht erdulden,

Daß der fremde, eingeschlichne

Abenteurer uns entehre.

Wir begehren laut Gesetz,

Die Verhaftung dieses Menschen,

Gegen welchen die Gefang'nen

Schon im peinlichen Verhör,

Vor den Richtern Zeugniß gaben.

FLODOARDO.

Contarino, auch der Schneider,

Den Ihr weiland tapfer nanntet,

Hat mit Wankelmuth bekannt,

Wie Ihr meinen Namen ihm

Auf der Folter eingeflüstert.[245]

FALIERI.

Nun genug der schweren Schmach!

Will Venedigs Adel, will

Uns der Herzog selber nicht

Wider diesen Läst'rer schützen:

So verlassen wir den Saal

Und verwahren unser Recht.

FLODOARDO.

Halt! Ihr bleibt. Ihr seid Gefangne.

Eure Bosheit ist entlarvt.

Was im Finstern Ihr gebrütet,

Kriecht ans Licht, als Vipernbrut,

Die nach Euerm eignen Blut,

Mit den scharfen Zungen lechzet.

Auf, bekennet und bereuet!

Reue ist die letzte Tugend,

Die dem Sünder treu verbleibt.

Warum schweigt sie denn in Euch?

Muß ich fremde Hilfe rufen,

Ihr das Zungenband zu lösen?

FALIERI mit halber Fassung.

Rufe deine ganze Hölle;

Was vermagst du wider uns?

FLODOARDO.

O, nur Einer soll erscheinen

Aus dem Reich der Finsterniß!


Er entfernt sich.


DOGE nach einer Pause.

Kaum vermag ich's, vom Betäuben[246]

Des Entsetzens zu genesen.

So, wie Mocenigho sprach,

Sieges sicher spricht die Wahrheit

Mit zermalmender Gewalt.

Aber meine Seele sträubt sich,

Das Unglaublichste zu glauben. –

Ihr, Abbate Tolomeo,

Ihr, Parozzi und Ihr Andern,

Gräßlichen Beschuldigungen,

Wie sie wider Euch ergehn,

Soll man anders widerstehn.

Sagt, was brachte solche Lähmung

Euch in Stimme und Geberde?

Wer blies Euch die Todtenfarbe

Auf die hangenden Gesichter?

Warum bohren Eure Blicke

In die Erd', als wollten sie

Da sich einen Abgrund höhlen?

FALIERI schlägt die Augen auf.

Edelleute von Venedig

Sind, o Fürst, noch nicht gewöhnt,

Unvertheidigt und gesetzlos

Sich vor Euch beschimpft zu sehn.

Nur Bestürzung übermannt uns,

Furcht nicht. – Auch verbiss'ner Zorn

Jagt das Blut wohl aus den Wangen

Ins erstarrte Herz zurück.

DOGE warnend.

Falieri, Falieri!

Nehmet Eurer Schanze wahr!


Quelle:
Heinrich Zschokke: Gesammelte Schriften. Band 15, Aarau 1865, S. 240-247.
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