[70] Achsenlibelle heißt eine Libelle (in der praktischen Astronomie sagt man dafür meist Niveau), die dazu dient, die »Kippachse« eines Messungs-Instruments unmittelbar horizontal zu legen oder bei feinern Instrumenten die Neigung dieser Achse gegen den Horizont direkt zu messen. Die Fassung dieser Libelle, die für kleinere Instrumente als »Setzlibelle, Aufsatzlibelle, Reitlibelle oder Stützenlibelle«, für größere (z.B. transportable oder fest aufgestellte Durchgangsinstrumente u.s.f.) vielfach als »Hängelibelle« ausgeführt wird, zeigt im ersten Fall zwei unten meist gabelförmig (-förmig) gestaltete Stützen zum Aufsetzen der Libelle auf die »Zapfen« der Achse, im zweiten Fall zwei Haken zum Anhängen an diese Zapfen, die gutgehärteten, stählernen, genau kreisförmig und möglichst genau nach demselben Durchmesser abgedrehten Enden der zu nivellierenden Kippachse.
Bei größern Instrumenten, z.B. Durchgangs! Instrumenten, großen Universalinstrumenten kommen hier äußerst seine Libellen vor, und da bei der beträchtlichen Entfernung zwischen beiden Zapfen (Länge der Kippachse), besonders bei Durchgangsinstrumenten, die »Fassung« der Libelle auf große Länge frei tragen muß, so ist bei der Konstruktion dieser Fassung aufs sorgfältigste zu beachten, daß von ihr das Libellenglas keine schädliche Spannung erhalten kann; vgl. a. den Art. Durchgangsinstrumente. Ferner sind neben den vertikal wirkenden Korrektionsschrauben stets auch seitlich wirkende Justierschrauben anzubringen, um den Fehler der Libelle beseitigen zu können, der daher rührt, daß Libellenachse und Gebrauchslinie der Libelle (Aufsetz- oder Anhängelinie in ihrer Fassung) windschief gegeneinander liegen (zu erkennen durch seitliches Neigen der auf die Achse aufgesetzten Libelle, wobei die Blase sich nicht verschieben darf). Große, seit aufgestellte Passageninstrumente werden mit Achsenlibellen von etwa 2", transportable Passageninstrumente oder große Universalinstrumente mit Libellen von 24" Empfindlichkeit (je auf 1 Par. Linie) ausgerüstet, kleinere Universalinstrumente mit 5", 6" u.s.w. Libellen. Die Anwendung der Achslibelle beruht auf dem Satz: Wenn man eine Setzlibelle in irgendwelcher Fassung auf ihrer Aufsetzlinie (z.B. Schnur für grobe Hängelibelle, Ebene für »Tischlibelle« oder hier Achszapfen für Achslibelle) genau umsetzt, so rührt ein Unterschied im Stand des Blasenmittelpunktes in der ersten und zweiten Lage zur Hälfte her von der Unrichtigkeit der Libelle (nichtparallelen Lage der Libellenachse und der Gebrauchslinie, Aufsetz- oder Anhängelinie der Libellenfassung) und zur Hälfte von der nicht horizontalen Lage der Linie, auf (an) der die Libelle umgesetzt (umgehängt) wurde. Bei seinen Libellen wird jene Unrichtigkeit der Libelle nicht völlig wegzubringen gesucht, was, je seiner die Libelle, desto schwieriger ist und desto kürzer sich erhält, vielmehr nur in kleinen Grenzen gehalten; die Libelle wird beim Gebrauch stets umgesetzt. Um also die Neigung einer Achse mit der Achslibelle zu messen, die Achse zu nivellieren, hat man unter der vorläufigen Voraussetzung zweier genau gleicher kreisförmiger Zapfen die Libelle in beiden Lagen aufzusetzen und durch Ablesung der Blasenenden an der Libellenteilung den Stand des Blasenmittelpunkts zu ermitteln. Der Fehler der Libelle (Winkel zwischen Libellenachse und Benutzungslinie der Libelle an ihrer Fassung) kommt dabei nicht in Betracht, er wird durch das Umsetzen eliminiert. Je nach der Bezifferung der Libellenteilung ist aber verschieden zu rechnen: bei weniger seinen Libellen ist die Teilung in der Mitte meist auf ein bestimmtes Stück unterbrochen, das oft nicht eine bestimmte Anzahl von Libellenteilen umfaßt, und man hat in diesem Fall je von dem ersten Striche zu beiden Seiten der Unterbrechung nach jeder Seite hin zu zählen: 0, 5, 10 ... oder auch a, a + 5, a + 10 ... (vgl. Fig. 1); bei seinen Libellen geht die Libellenteilung und ihre Bezifferung von einer Seite zur andern hin vollständig durch (vgl. Fig. 2).
Beispiel: Die Neigung der Kippachse eines Universalinstruments (mit exzentrischem Fernrohr) ist zu bestimmen. Man kann nacheinander zweierlei Libellen verwenden, die eine mit dem (gedachten) Teilungsnullpunkt in der Mitte, ihre Empfindlichkeit ist 4",52, eine zweite mit durchgehender Teilung und Bezifferung, ihre Empfindlichkeit ist 2",25. Die Neigung i der Achse soll als positiv bezeichnet werden, wenn das »Kreis-Ende« der Kippachse höher liegt als das »Fernrohr-Ende«. Die Zapfen der Achse sind vorläufig als genau gleich angenommen. Man hat für diese beiden verschiedenen Arten von Libellen folgende Ablesungen und Rechnung (p bedeutet: Partes der Libelle):
1. Libelle, Teilungsnullpunkt Mitte.
Erste Lage der Libelle.
Ablesung am Kreis-Ende = 7p,4 (oder auch z.B. 17,4)
Ablesung am Fernrohr-Ende = 6p,8 (oder auch z.B. 16,8)
Zweite Lage der Libelle. (Lib. umgesetzt.)
Ablesung am Kreis-Ende = 8p,5 (oder auch 28,5)
Ablesung am Fernrohr-Ende = 5p,8 (oder auch 25,8)
Damit wird: i = 1/4 ∙ {(7,4 6,8) + (8,5 5,8)} = + 3,3/4 = +0p,82 oder, da
1 Pars der Libelle = 4",52, i = +3",7,
2. Libelle, Teilungsnullpunkt am einen Ende.
Erste Lage der Libelle.
Nullpunkt der Teilung am Kreis-Ende.
Ablesung am Kreis-Ende = 12p,4
Ablesung am Fernrohr-Ende = 36p,7
Zweite Lage der Libelle. (Lib. umgesetzt.)
Nullpunkt der Teilung am Fernrohr-Ende.
Ablesung am Kreis-Ende = 40p,0
Ablesung am Fernrohr-Ende = 15p,8
Damit wird: i = 1/4 {(40,0 + 15,8)(12,4 + 36,7)} = + 6,7/4 = + 1p,67 oder, da
1 Pars der Libelle = 2",25, i = + 3",8.
[70] d.h. die Neigung der Kippachse ist nach den beiden Bestimmungen mit Libellen von verschiedenem Teilwert übereinstimmend derart, daß sie in der Richtung gegen das Kreis-Ende hin um 3",7 ansteigend von der Horizontalen abweicht.
Beim Passageninstrument im Meridian »bezieht« man die Neigung der von Wellen nach Osten gerichteten Kippachse »auf das Westende«, d.h. man gibt der Neigung das Zeichen {±}, je nachdem die verlängerte Achse das Himmelsgewölbe im {Westen/Osten} über dem Horizont schneidet. Man hat demnach hier nach der eben angegebenen Rechnungsweise die Regel: die Achsneigung mit ihrem richtigen Vorzeichen ist in Libellenteilen gleich dem arithmetischen Mittel der vier Ablesungen, die man in den zwei Lagen der Libelle an den Blasenenden macht, wenn bei durchgehender Libellenteilung die zwei Ablesungen bei der Libellenlage: Nullpunkt im {Osten/Westen} als {positiv/negativ} angeschrieben werden, während im (hier aber nur ausnahmsweise vorkommenden) Fall der in der Mitte unterbrochenen Libellenteilung und Zählung nach beiden Seiten hin in jeder Lage der Libelle die Ablesungen am Blasenende im {Westen/Osten} als {positiv/negativ} anzuschreiben sind. Die Neigung in " erhält man in beiden Fällen durch Multiplikation der so in Libellenteilen lieh ergebenden Zahl mit der Empfindlichkeit der Libelle (Teilwert) in ".
Im vorgehenden sind die beiden Zapfen genau gleich angenommen worden; wenn eine Ungleichheit der Durchmesser vorhanden ist, so ist die nach den gegebenen Vorschriften ermittelte Neigung noch zu verbessern um
wobei i1 und i2 die je mit Umsetzung der Libelle erhaltenen Neigungen der oberen Zapfenmantellinie in der ersten und zweiten Lage der Achse (Achse auf den Lagern umgelegt, Kippachsenenden vertauscht; man spricht gewöhnlich von beiden Kreislagen der Achse, nämlich Kreis O und Kreis W oder Kreis links und Kreis rechts) nach den obigen Vorschriften bedeuten, ferner W den halben Winkel der Lagerflächen , die zur Aufnahme der Achse dienen, und ω den halben Winkel der Aufsetz- oder Anhängeflächen jeder der beiden Libellenstützen oder Haken (s. oben) bezeichnet. Meist sind W und w so nahe einander gleich, daß man einfacher schreiben kann
Δi = ± 1/4 (i1 i2);
dabei ist (i1 i2) durch eine große Zahl von Versuchen zu bestimmen und das Vorzeichen von Δi in jedem Fall so zu nehmen, daß die in beiden Kreislagen sich ergebenden Neigungen (deren Unterschied konstant sein soll) durch Anbringung von Δi einander genähert werden. Zur Konstruktion großer seiner Achsenlibellen, ihrer angegebenen Verwendung und den angeschriebenen Gleichungen s. die Handbücher der Astronomie oder der praktischen oder sphärischen Astronomie oder astronomischen Instrumentenkunde, z.B. [1] oder [2] oder [3]; für die kleinern Achsenlibellen geodätischer altazimutal aufzustellender Instrumente geodätische Lehr- und Handbücher wie [4], [5], [6], [7] u.s.f.
Bei seinen Instrumenten müssen übrigens nicht nur die Durchmesser der Kippachszapfen geprüft, sondern es muß auch die Form der Zapfen auf etwaige Abweichung vom Kreisquerschnitt untersucht werden; den Einfluß einer geringen Elliptizität der Zapfen hat besonders R. Wolf gezeigt [8]. Die Methode, Kippachsen von Meridianfernrohren ohne Libelle zu nivellieren mit Hilfe des Quecksilberhorizonts (Nadirhorizonts), geht auf Bohnenberger zurück [9]; auf eine Methode, die Zapfen eines Meridianinstruments ohne Libelle zu prüfen (Methode der Interferenzen von Fizeau), kann ebenfalls nur verwiesen werden [10].
Ost (und, wenn die Einrichtung des Instruments dieses Verfahren ermöglicht, vielfach ganz zweckmäßig) wird auch die Achsenlibelle nicht, wie oben angenommen, umgesetzt, sondern auf oder an der Achse flehend oder hängend zugleich mit dieser umgelegt, wodurch man ebenfalls den Libellenfehler eliminieren kann. Aus den Ablesungen bei der ersten und zweiten Lage der Achse erhält man hier das arithmetische Mittel der Achsneigungen in beiden Lagen; z.B. für den Fall eines »Instruments im Meridian« (Kippachse O W)
1/2(i1 + i2) = 1/4 [(ω1 + ω2) (o1 + o2)],
wo w und o die Ablesungen an der durchlaufend bezifferten Libelle am Weit- und Ostende der Blase bedeuten. Aus diesem Mittel erhält man die wirkliche Neigung i für jede der Lagen durch Addieren oder Subtrahieren der Korrektion für Zapfenungleichheit. Die Methode setzt im Vergleich mit der des Umsetzens der Libelle allein in jeder Lage des Fernrohrs große Konstanz der Unterstützungspunkte der Achse voraus, also sehr feste Aufstellung und kurze Zwischenzeit; in vielen Fällen ist sie aber der andern vorzuziehen (z.B. bei Zeit- oder Azimutbestimmung mittels Sterndurchgängen im Vertikal des Polarsterns, u.s.f.).
Literatur: [1] Artikel Niveau (von Herz) im Handwörterburch der Astronomie, herausgegeben von Valentiner, Bd. 3, 1, Breslau 1899, S. 289296. [2] Herr-Tinter, Sphärische Astronomie, Wien 1887. [3] Ambronn, Handb. d. astronom. Instrumentenkunde, Bd. 1, Berlin 1899, S. 4877 (Achsen S. 284290). [4] (Für die altern Konstruktionen gut:) Hunäus, Die geometrischen Instrumente, Hannover 1864. [5] Vogler, Lehrbuch der praktischen Geometrie, 1. Teil, Berlin 1885, S. 87, 96, 104110. [6] Vogler, Abbildungen geodätischer Instrumente u.s.f.,[71] Berlin 1892. [7] Hartner-Wastler-Doležal, Niedere Geodäsie, Bd. 1, 1, Wien 1903, S. 169 sf., 184. [8] Wolf, Handbuch der Astronomie, II (1), Zürich 1892, S. 4041, wo auch weitere Literaturangaben zu finden sind. [9] Vgl. besonders »Neue Methode, den Indexfehler eines Höhenkreises zu bestimmen und die Horizontalachse eines Mittagsfernrohrs zu berichtigen ohne Lot oder Libelle«, Astron. Nachr., Nr. 89 (1826). [10] Hamy, Untersuchung der Zapfen u.s.f., Compt. rend., t. CXVII (1893), S. 659 u.f.
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