Ambra

[172] Ambra (Ambra grisea, grauer Amber, orientalischer Agtstein), wird auf dem Meere schwimmend, an den Küsten des Indischen und Pazifischen Ozeans gefunden und bildet eine konzentrisch geschichtete aschgraue oder hellgraubläuliche, von lichteren und dunkleren Streifen durchzogene, undurchsichtige, zähe Masse, die in der Hand erweicht, auf heißem Wasser zu einer braunen, ölartigen Flüssigkeit schmilzt, mit rußender Flamme brennt, in Aether und ätherischen Oelen vollständig, in Alkohol nur teilweise löslich ist und einen moschusartigen, bei gehöriger Verdünnung der Droge seinen und lieblichen Geruch besitzt. Gegenwärtig kommt die größte Menge von Australien, Neuseeland und Tasmanien [3].

Ueber die Abstammung dieses kostbaren Stoffes konnten erst Vermutungen laut werden, als man in den Eingeweiden (hauptsächlich im Darme) des Potwales (Catodon macrocephalus Lacepède) Ambra aufgefunden hat; nichtsdestoweniger ist ihre eigentliche Herkunft bezw. ihre Bildungsart auch jetzt noch nicht einspruchsfrei aufgeklärt. Einige halten sie für ein Sekret, andre für einen Darmstein (Konkretion, etwa wie die Darmsteine der Pferde oder die Bezoarkugeln der Ziegen) oder für den Kot des Potwales, wofür insbesondere die Beobachtung sprechen soll, daß in manchen Stücken die Kiefer der Sepien (des Hauptnahrungsmittels der Potwale) ziemlich reichlich enthalten sind [1], [2]; durch Trocknen halbflüssiger Kotmassen des Potwales wurde eine Ambra sehr ähnliche Substanz erhalten (Beale). Endlich wird die Ambra auch als ein dem Adipocire oder Fettwachs analoges Produkt der faulenden Tintenfische angesehen, das der Potwal verschluckt. Der Hauptbestandteil ist das Ambrafett oder Ambraïn, das in zarten, weißen, büschelförmig vereinigten Nadeln kristallisiert und mehr als die Hälfte der Ambra ausmacht. Ambra enthält außerdem einen noch gänzlich unbekannten Riechstoff und Spuren von Asche. In der Parfümindustrie spielt Ambra eine wichtige Rolle; sie soll nämlich, abgesehen von dem ihr eigentümlichen Duft, die schätzenswerte Eigenschaft besitzen, andre Gerüche haltbarer und dauerhafter zu machen (zu fixieren), ohne sie zu decken, d.h. ohne sie unwirksam zu machen. Ambra nigra (schwarze Ambra) scheint ein Gemisch von echter Ambra mit wohlriechenden Harzen zu sein [2]. Ambra alba (weiße Ambra) mit 30% Asche (Calciumkarbonat und -phosphat) kommt aus Brasilien und ist ein der echten Ambra ähnliches, wahrscheinlich von andern Cetaceen (Delphinen) herrührendes Produkt [2]. Ambra citrina und Ambra flava sind Namen für Bernstein. Ambra liquida ist Storax.


Literatur: [1] A. Vogl, Kommentar zur 7. Ausgabe der österr. Pharmacopoe, Bd. II, S. 510, Wien 1892. – [2] Husemann-Moeller, in »Realencyklopädie der ges. Pharm.«, 2. Aufl., Wien 1904, Bd. I, S. 520. – [3] Pharmaceut. Post, S. 1028, Wien 1891.

T.F. Hanausek.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 172.
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