Arbeitsnachweis [1]

[288] Arbeitsnachweis, dient sowohl den Arbeits- wie den Arbeitergesuchen. Den Arbeitsuchenden wird über die Arbeitsgelegenheiten, den Arbeitgebern über die vorhandenen Arbeitskräfte Nachweisung erteilt.

Der Arbeitsnachweis, mit dem in der Regel auch die Arbeitsvermittlung verbunden ist, wird von Privaten, von Vereinen und Anstalten der verschiedensten Art, von berufsgenossenschaftlichen (Arbeitgeber- oder Arbeitnehmer-) Organisationen (Innungen, Gewerkvereinen, Gewerkschaften u.s.w.), neuerdings in hervorragendem Maße von den Gemeinden, seltener von größeren Kommunalverbänden betrieben. Wegen der strengen Unparteilichkeit, ihrer engen Fühlung mit den konkreten Erwerbsverhältnissen und der Möglichkeit, Angebot und Nachfrage auf dem[288] Arbeitsmarkt in weitgehendstem Maße zu erfassen, entfalten die kommunalen Arbeitsnachweise eine besonders ersprießliche Wirksamkeit. Erwähnt seien ferner die an zahlreichen Hochschulen bestehenden studentischen Arbeitsnachweise, von den Studentenschaften ins Leben gerufene Vermittlungsstellen für praktische Beschäftigung und Unterrichtstätigkeit, sowie die militärischen Arbeitsnachweise, die in Deutschland von einzelnen Armeekorpskommandos insbesondere für die zur Entladung gelangenden Reservisten eingerichtet worden sind. Die gewerbsmäßig betriebene Stellenvermittlung ist wegen der Mißstände, die mit ihr verbunden sein können (Täuschung der Parteien durch wahrheitswidrige Angaben, Verleitung zu leichtfertigem Stellenwechsel, Forderung zu hoher Gebühren, Ausbeutung der Notlage der Arbeitsuchenden und Verleitung derselben zur Unsittlichkeit), in Deutschland durch die Reichsgewerbeordnung (§§ 34, 38, 47, 53, 75 a, 79) unter besondere Aufsicht gestellt. Das Geschäft eines Gesindevermieters oder Stellenvermittlers ist für konzessionspflichtig erklärt; die Landeszentralbehörden sind befugt, über den Umfang der Befugnisse und Verpflichtungen, sowie über den Geschäftsbetrieb der Gesindevermieter und Stellenvermittler, soweit darüber die Landesgesetze nicht Bestimmungen treffen, Vorschriften zu erlassen, insbesondere die Ausübung des Gewerbes im Umherziehen sowie die gleichzeitige Ausübung des Gast- und Schankwirtschaftsgewerbes zu beschränken oder zu untersagen. Die kommunalen Arbeitsnachweisstellen (Arbeitsämter), die sich in verschiedenen deutschen Staaten besonderer staatlicher Unterstützung erfreuen, besorgen die Arbeitsvermittlung in der Regel für beide Teile, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, unentgeltlich oder doch nur gegen geringe Gebühren, sie bestehen meist aus einer gleichen Anzahl von Arbeitgebern und Arbeitnehmern unter dem Vorsitz eines weder diesen noch jenen angehörenden unparteiischen Dritten. Erhöht wird die Wirksamkeit der Arbeitsämter durch Anschluß derselben an eine Landeszentralstelle – bemerkenswerte Vorgänge hierfür insbesondere in den süddeutschen Staaten –, mit der die einzelnen Arbeitsämter womöglich telephonisch verbunden sind und die die Aufgabe hat, die von den einzelnen Arbeitsnachweisstellen gelieferten Nachrichten über die Lage des Arbeitsmarkts zu sammeln und in weitere Kreise, namentlich auch in die Gemeinden ohne besondere Arbeitsnachweisstellen, an die Arbeiterkolonien, Wanderarbeitsstätten u. dergl. zu bringen. Für Deutschland wurde 1898 ein allgemeiner »Verband deutscher Arbeitsnachweise« gegründet, dessen Preßorgan die Jastrowsche Zeitschrift »Der Arbeitsmarkt« (s. unten) ist.

Von der sehr zahlreichen Literatur seien hervorgehoben: Freiherr v. Reitzenstein, Der Arbeitsnachweis, seine Entwicklung und Gestaltung im In- und Auslande, Berlin 1897; nach dem Tode des Verfassers herausgegeben von Dr. R. Freund (auf S. 48 eine Zusammenstellung der wichtigsten über den Gegenstand erschienenen schriftstellerischen Arbeiten); Adler, Artikel »Arbeitsnachweis und Arbeitsbörsen« im Handwörterbuch der Staatswissenschaften, herausgegeben von Conrad, Elster, Lexis und Löning, 2. Aufl., Bd. 1, S. 951 ff., Jena 1898; Jastrow, Sozialpolitik und Verwaltungswissenschaft, Bd. 1, Arbeitsmarkt und Arbeitsnachweis, Gewerbegerichte und Einigungsämter, S. 55 ff., Berlin 1902; ferner die »Schriften des Verbandes deutscher Arbeitsnachweise«, Berlin, Carl Heymanns Verlag; Jastrows Zeitschrift »Der Arbeitsmarkt, Monatsschrift der Zentralstelle für Arbeitsmarktberichte und Organ des Verbandes deutscher Arbeitsnachweise«; die Veröffentlichungen in der vom Kaiserlichen Statistischen Amt, Abteilung für Arbeiterstatistik, herausgegebenen Zeitschrift »Reichs-Arbeitsblatt« und in der Wochenschrift »Soziale Praxis« (Herausgeber E. Francke, Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig); über die französischen Verhältnisse außer dem erwähnten Artikel von Adler-Pelloutier, Histoire des bourses du travail, Paris 1902; über die amerikanischen Verhältnisse Warner, Die Organisation und Bedeutung der freien öffentlichen Arbeitsnachweisämter in den Vereinigten Staaten von Amerika (8. Heft der volkswirtschaftlichen und wirtschaftsgeschichtlichen Abhandlungen, herausgegeben von Prof. Wilhelm Stieda, Leipzig 1903).

Köhler.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 288-289.
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