[582] Dampfkesselexplosion. Die wirklichen Ursachen der Kesselexplosionen können in folgenden Umständen gefunden werden: fehlerhafte Konstruktion, schlechtes Material, Altersschwäche, nachlässige Bedienung.
Fehlerhafte Konstruktion kann gegeben sein in der Verwendung zu schwacher Bleche, mangelhafter Verankerung und nachlässiger Arbeit. Altersschwäche entsteht durch inneres und äußeres Abrollen der Kesselbleche, Stehbolzen und Anker, ferner durch Beulenbildung in den Blechen infolge undichter Nieten, Nietnähte oder Garniturteile. Bei nachlässiger Bedienung entliehen Kesselexplosionen infolge Wassermangels, zu hoher Dampfspannung oder zu starker Kesselsteinbildung. Der Wassermangel entsteht meist durch vernachlässigte Speisung, ferner durch Ueberkochen oder plötzliche Undichtheit. Durch Wassermangel werden Teile der Heizfläche bloßgelegt und erglühen. Die dadurch entstehende Verminderung der Fertigkeit des Bleches gibt zu Beulen oder Rissen Veranlassung, die des weiteren eine Explosion im Gefolge haben können. Eine Ueberschreitung der zulässigen Dampfspannung kann nur eintreten, wenn die Sicherheitsventile schlecht funktionieren oder das Manometer unrichtig zeigt. Die Kesselsteinbildung verursacht leicht eine Ueberhitzung der Bleche, die durch die damit verbundene Festigkeitsverminderung zur Beulen- und Rissebildung Veranlassung gibt. Eine weitere Ursache zur Bildung von Beulen kann, wie v. Bach nachgewiesen hat [1], die durch unreines, besonders ölhaltiges Speisewasser entstehende örtliche Wärmestauung in den Feuerplatten sein. Die Einbeulungen bezw. Ausbauchungen treten hierbei auch ohne Wassermangel, ohne Erglühen, also ohne Weichwerden des Bleches und ohne Ueberschreitung der höchsten zulässigen Betriebsspannung infolge übertriebener, wenn auch nur kurze Zeit währender Inanspruchnahme der betreffenden Heizflächenteile bei gleichzeitiger Erschwerung des Wärmeübergangs vom Kesselblech ins Speisewasser, auf. Gelangt das im Speisewasser enthaltene Oel an eine solche Stelle der Kesselwand, so wird dort trotz der geringen Stärke der Oelschicht der Wärmeübergang aus der Heizfläche in das Wasser außerordentlich erschwert. Die von der Wärmestauung betroffenen Flächen werden heißer als die benachbarten vom Wasser gekühlten Teile der Wandung und suchen sich auszudehnen; da die kältere Umgebung dieses Bestreben aber nicht genügend unterstützt, so entsteht die Neigung, nach der Seite auszuweichen, d.h. sich auszuhauchen bezw. einzubeulen, je nachdem die Wandung unter innerem oder äußerem Ueberdruck lieht. Diese Formveränderungen gehen zwar zunächst nur so weit, als es das Bestreben der wärmeren Stelle sich auszudehnen unter Einwirkung des Dampfdruckes verlangt; es kann sich aber an der Beule durch Ueberanstrengung des Materials ein Riß bilden, der bei einer möglichen weiteren Vergrößerung eine solche Entlastung des Dampfkessels durch Ausströmen von Wasser und Dampf bewirkt, daß die mit der Druckverminderung freiwerdende Wärme des Wassers plötzlich die Dampfentwicklung massenhaft steigert und eine wirkliche Explosion des Kessels herbeiführt.
Der Zentralverband der preußischen Dampfkesselüberwachungsvereine in Gemeinschaft mit dem Verbände deutscher Privatfeuerversicherungsgesellschaften und dem Internationalen Verbände der Dampfkesselüberwachungsvereine hat folgende Definition der Dampfkesselexplosion aufgestellt: Erleidet die Wandung eines Dampfkessels eine Trennung in solchem Umfange, daß durch Ausströmen von Wasser und Dampf eine plötzliche Ausgleichung der Spannungen innerhalb und außerhalb des Kessels stattfindet, so ist dieser Unfall als Explosion zu bezeichnen.
Literatur: [1] Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1894, S. 1420; 1902, S. 73 ff.; 1905, S. 111 ff. und 379.
G. Schwarz.
Lueger-1904: Dampfkesselexplosion [2]