[212] Eisenbahnwagen. Eiserne Personenwagen gelangen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika seit 1907 in immer größerer Zahl zur Einführung. Sie sind ganz aus Eisen und Stahl hergestellt und haben gegenüber den hölzernen Wagen, die bei Zugunfällen der Zerstörung durch Feuer ausgesetzt sind, den Vorzug der Feuersicherheit und der erheblich größeren Widerstandsfähigkeit gegen Zertrümmerung bei Zusammenstößen.
Infolge der größeren Fertigkeit des Eisens sind die Wagenkasten und Untergestelle steifer, die Verbindungen der einzelnen Teile einfacher und besser als bei den zum Teil sehr leichten hölzernen Personenwagen. Die Wagenuntergestelle und Kastengerippe sind aus Profileisen unter Verwendung von Preßblech und Stahlgußstücken zusammengesetzt. Die innere und äußere Verschalung der Wände und der Decke besteht aus dünnem Eisenblech; die Zwischenräume sind mit Asbestplatten oder ähnlichen, die Wärme schlecht leitenden Stoffen ausgefüllt, um die[212] Temperaturschwankungen im Wageninnern möglichst gering zu halten. Der Fußboden ist aus gewelltem oder ähnlich geformtem Blech gebildet, auf das eine zementartige Bodenmasse in breiigem Zustande aufgestrichen wird. Die Gerüste der Sitzbänke bestehen aus Eisen; auch die übrigen, sonst aus Holz hergestellten Teile im Wageninnern, wie Zierleisten und ähnliches, sind aus Eisen, Preßblech, Messing oder Aluminium gefertigt. Holz ist entweder ganz vermieden oder aber in geringem Umfange als Futter zur Befestigung der dünnen Eisenbleche, für Armlehnen und ähnliches benützt. Die neuesten sechsachsigen eisernen Personenwagen der Pennsylvaniabahn haben 88 Sitzplätze und wiegen 52750 kg, der Achsstand beträgt 19,270 m und die Gesamtlänge 24,480 m. Die sechsachsigen eisernen Pullman-Schlafwagen wiegen 66500 kg und sind 25 m lang. Ebenfalls ganz aus Eisen werden in Amerika auch die Post- und Gepäckwagen gebaut [1]. In Europa haben die preußischhessischen und die sächsischen Staatsbahnen Personen- und Gepäckwagen mit eisernem Kastengerippe im Betrieb [2].
Die Beleuchtung der Eisenbahnwagen geschieht neuerdings entweder durch Gasglühlicht oder elektrisch. Ursprünglich (1904) wurden stehende Glühstrümpfe verwendet, die sich aber als wenig dauerhaft erwiesen haben. Günstiger, auch bezüglich der Lichtwirkung und des Gasverbrauches, verhalten sich die heute fast ausnahmslos verwendeten hängenden Glühstrümpfe. Statt Mischgas wird bei Glühlichtbeleuchtung meist wieder reines Oelgas gebrannt, da das Acetylen die Glühstrümpfe angreift. Der Druck in den unter dem Wagengestell aufgehängten Gasbehältern beträgt 6 Atm., der Druck in den nach den Lampen führenden Leitungen (Hauptleitung und Zündleitung) 150 mm Wassersäule. Die mit einem Schutzkorb umgebenen Glühstrümpfe erreichen eine Lebensdauer von mindestens 200 Brennstunden. Die Lampen der Abteile I. und II. Klasse haben 50 bis 60 Kerzenstärken und einen stündlichen Gasverbrauch von 24 l, die der III. und IV. Klasse 35 bis 40 Normalkerzen und 16 l Gasverbrauch; hierzu kommt für jede Zündflamme 6 l Gasverbrauch in der Stunde. Bei wesentlich größerer Helligkeit ergibt die Glühlichtbeleuchtung eine nicht unerhebliche Gasersparnis gegenüber der Mischgasbeleuchtung mit Speckstein-Zweilochbrennern [3].
Die elektrische Einzelwagenbeleuchtung findet ihrer Vorzüge wegen (bequemes Ein- und Ausschalten, Reinlichkeit, kein Gasgeruch, Explosionssicherheit) trotz der hohen Beschaffungs- und Unterhaltungskosten in letzter Zeit größere Verbreitung, insbesondere seit es gelungen ist, brauchbare Metalldrahtlampen herzustellen, die ebenso hell brennen wie die Glühstrümpfe. Der einzelne Wagen ist ausgerüstet mit einer unter dem Wagenkasten aufgehängten, von einer Wagenachse aus angetriebenen Dynamomaschine, einem selbsttätigen Stromschalter und einer kleinen Sammlerbatterie, die während des Stillstandes und bei kleiner Fahrgeschwindigkeit die Lampen speist. Die verschiedenen Beleuchtungssysteme (Stone, Gesellschaft für elektrische Zugbeleuchtung, Pintsch-Grob, Brown Boveri u.a.) unterscheiden sich hauptsächlich in der Ausbildung der einzelnen Apparate, wie Stromerzeuger, Stromschalter. Die elektrische Beleuchtung ist auf den Schweizer Bundesbahnen und den belgischen Staatsbahnen vollständig, bei andern Eisenbahnen teilweise eingeführt; im besondern wird sie für Bahnpostwagen bevorzugt [4].
Literatur: [1] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1911, S. 1998. [2] Das deutsche Eisenbahnwesen der Gegenwart, Bd. 1, S. 151 u. 158. [3] Ebend., S. 162; Organ f. d. Fortschr. d. Eisenbahnw., 14. Erg.-Band 1912, S. 156. [4] Die Beleuchtung der Eisenbahnpersonenwagen von M. Büttner, 2. Aufl., 1912.
W. Dauner.