Flugtechnik

[102] Flugtechnik umfaßt alle Bestrebungen, die sich eine nutzbare künstliche Fortbewegung des Menschen durch die Luft zum Ziel gesetzt haben. Man unter scheidet hierin zwei Richtungen, die aerostatische (s. Ballon) und die aerodynamische (s. Flugmaschinen). Die aerostatische Flugtechnik teilt sich in die Unterabteilungen Ballontechnik und Fahrtechnik, die sich mit Bau von Ballons und Verbesserung von dessen technischer Einrichtung bezw. mit dem Gebrauch des Ballons als Fahrzeug beschäftigen. Die aerodynamische Richtung ringt zurzeit noch nach Gestaltung; sie besitzt kein fertiges brauchbares Fahrzeug; bei ihr soll letzteres erst erfunden werden.

Die Arbeiten des Flugtechnikers im allgemeinen und des aerodynamischen Flugtechnikers im besonderen haben gerade in den letzten Jahren einen außerordentlichen Aufschwung genommen, und es steht zu erwarten, daß die angestrebten Ziele erreicht werden, sobald angefangen wird, mit Versuchen im großen systematisch und wissenschaftlich vorzugehen. Alle bisher mit kleinen Modellen glücklich ausgeführten Experimente sind für den Bau großer Flugmaschinen wertlos. Ebenso wertlos für die Förderung der Flugtechnik sind theoretische Betrachtungen und Berechnungen, die nicht praktisch erworbene Versuchsresultate zur Unterlage haben. Die bisherigen Arbeiten haben indes bereits zwei große Erfolge zu verzeichnen, die man als erste Etappen auf dem Wege zur Lösung des Flugproblems betrachten kann. Sie haben einmal die Vorgänge beim Flug der Vögel klargelegt und ferner die Aufmerksamkeit auf die Strömungen und Wirbelbildungen der Luft gelenkt, die sowohl a priori vorhanden sind, als auch um jeden Flugkörper in der Luft sich bilden müssen und dessen Stabilität und Bewegungen mitbestimmen. Seit einer Reihe von Jahren haben sich in allen Ländern die Interessenten der Flugtechnik in Vereine zusammengeschlossen.

Die zurzeit bestehenden bedeutendsten Vereine dieser Art sind folgende:[102]

1. Berliner Verein für Luftschiffahrt in Berlin. 2. Münchner Verein für Luftschiffahrt. 3. Oberrheinischer Verein für Luftschiffahrt in Straßburg i. E. 4. Augsburger Verein für Luftschiffahrt. 5. Niederrheinischer Verein für Luftschiffahrt in Barmen. 6. Flugtechnischer Verein in Wien. 7. Aeronautical Society of Great Britain in London. 8. Société française de navigation aérienne in Paris. 9. L'aéroclub de France in Paris. 10. Abteilung VII der Kaiserlich russischen Technischen Gesellschaft in St. Petersburg. 11. Società Aeronautica Italiana in Rom. 12. Real Aéreo Club de España in Madrid. 13. The Aeroclub of America in New York.

Folgende Veröffentlichungen werden von diesen Vereinen herausgegeben:

Nr. 1–6, Illustrierte Aeronautische Mitteilungen, deutsche Zeitschrift für Luftschiffahrt, Organ des Deutschen Luftschifferverbandes und des Wiener Flugtechnischen Vereins, Straßburg, bei K.J. Trübner, erscheint monatlich. Nr. 2 Jahresberichte des Münchner Vereins für Luftschiffahrt, Herausgeber Emden, München. Nr. 7 Reports of the Aeronautical Society of Great Britain, erscheint vierteljährlich. Nr. 7 L'Aeronaute, Fondateur M. Abel Hureau de Villeneuve, Paris, erscheint monatlich. Nr. 8 L'Aérophile, directeurs M.G. Besançon et W. de Fonvielle, Paris, erscheint monatlich.


Literatur zum Bau von Ballons und Versuchen mit Flugmaschinen: Moedebecks Taschenbuch für Flugtechniker und Luftschiffer, Berlin 1904; Lilienthal, O., Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst, Berlin 1889; Graffigny, H. de, Traité d'aérostation théorique et pratique, Paris 1891.

Moedebeck.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 102-103.
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