Gerbstoffe [3]

[251] Gerbstoffe , künstliche.

Als Ersatz für die pflanzlichen Gerbemittel hat man künstliche Gerbstoffe erzeugt. Der erste wurde von Stiasny hergestellt (D.R.P. Nr. 262558), der sie mit der Bezeichnung Syntane belegte. Man erhält sie durch Kondensation von Formaldehyd mit Phenolsulfosäuren unter bestimmten Versuchsbedingungen. Der zwecks mäßigste und billigste Ausgangsstoff ist Rohkresol (D.R.P. Nr. 265415). Die hierbei erhaltene Flüssigkeit stellt einen bräunlich gefärbten Sirup dar, der mit Wasser sehr helle und vollkommen klare, halbkolloidale Lösungen gibt. Diese fällen Gelatinelösungen und geben mit Eisenchlorid tiefblaue Färbungen und Niederschläge. Sie geben mit Salzsäure und Anilin die Procter-Hirtische Reaktion in gleicher Weise wie die Zellstoffauszüge. Andere Gerbstoffe von ähnlichen Eigenschaften gewinnt man durch Behandeln von Naphthalinsulfosäuren mit Formaldehyd (D.R.P. Nr. 292531). Es sind diesen Patenten noch weitere gefolgt, die von anderen Rohstoffen ausgehen. Die Deutsch-Koloniale Gerb- und Farbstoffgesellschaft m. b. H., Karlsruhe, stellt sie aus Formaldehyd und Oxy- bezw. Aminonaphthalinsulfosäuren her (D.R.P. Nr. 293041, 293042, 293640, 293693, 293866, 294825, 303640, 305795, ferner Ciba, D.R.P. Nr. 285772, Röhm & Haas, D.R.P. Nr. 265855, 265915). Ueber künstliche Gerbstoffe, die ohne Verwendung von Formaldehyd durch Erhitzen von Phenolsulfosäuren mit oder ohne Kondensationsmittel hergestellt werden können, vergleiche die D.R.P. der Badischen Anilin- und Sodafabrik Nr. 260379, 265415 und 266124. – Im Handel sind bis jetzt drei dieser künstlichen Gerbstoffe, das Neradol D, dargestellt nach D.R.P. Nr. 262558, das Neradol ND, dargestellt nach D.R.P. Nr. 292531, und das Ordoval G, sämtliche von der Badischen Anilin- und Sodafabrik hergestellt. Das Ordoval G übertrifft in seinen Eigenschaften die beiden Neradole, so daß diese als überholt anzusehen sind. Diese künstlichen Gerbstoffe haben ein ausgesprochenes Gerbvermögen und liefern ein Leder von sehr heller Farbe. Sie werden meist nicht allein, sondern in der Regel in Verbindung mit pflanzlichen Gerbemitteln verwendet. Es wird dadurch eine Beschleunigung der Gerbung erreicht. Mit der Herstellung dieser Stoffe hat die vorher ungelöste Aufgabe der Herstellung künstlicher Gerbstoffe eine technisch verwertbare Lösung gefunden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß hierdurch die Technik der Gerberei in ähnlicher Weise beeinflußt wird, wie es bei der Einführung der künstlichen Farbstoffe hinsichtlich der Färberei war.


Literatur: L. Diels, Gerbstoffe in L. Diels, Ersatzstoffe aus dem Planzenreich, Stuttgart 1918, S. 311–318; Bericht über die Tätigkeit d. Deutsch. Versuchsanstalt f. Lederindustrie zu Freiburg i. S. 1916.

Päßler.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 251.
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