[353] Hafenzeit (engl. establishment of port) ist eine für die Seeschiffahrt besonders wichtige Angabe, die sich auf den Eintritt des Hoch- und Niedrigwassers (Ebbe und Flut, s.d.) an einem bestimmten Küstenort oder in einer Flußmündung bezieht.
Man nennt Hafenzeit die Uhrzeit (mittlere Ortszeit), zu welcher am Tage des Voll- resp. Neumondes das Hochwasser eintritt. Eine große Anzahl von Häfen und Flußmündungen sind für Schiffe von bestimmtem Tiefgänge nur zur Zeit des Hochwassers anzulaufen, und daher muß der Schiffsführer dessen Eintrittszeiten für die einzelnen Orte genau kennen. Ist diese für die Zeit des Vollmondes bekannt, so kann sie für die andern Tage der Lunationsperiode mit einiger Sicherheit angegeben werden. Die allgemeinen Bedingungen richten sich nach dem bekannten Verlauf der Ebbe- und Fluterscheinungen, die von der Bewegung und dem Abstande des Mondes und der Sonne von der Erde abhängen. Freie Bewegung, entsprechend diesen mathematischen Bedingungen, kann aber nur auf dem offenen Ozean stattfinden, und selbst dort wird die Erscheinung sehr von Stärke und Richtung des Windes beeinflußt. Für Küstenorte ist eine außerordentliche Komplikation der Erscheinung vorhanden. Insbesondere läßt sich die Hafenzeit rechnerisch nicht angeben, ohne eine genaue, auf längere Zeit gegründete Beobachtungsreihe am gegebenen Ort. Es muß daher die Hafenzeit als ein jedem Hafen nach Lage und sonstigen Umständen (Strömungsverhältnisse, vorherrschende Windrichtung und Art der Verbindung mit dem offenen Meere) eigentümliches Datum angesehen werden [2]. Versuche, die Hafenzeiten nach einheitlichen Gesichtspunkten zu ordnen oder gar systematische Karten mit Linien gleicher Hafenzeiten zu ziehen (sogenannte Homopleroten) sind als ganz verfehlt zu betrachten [1]. In den Nautischen Jahrbüchern finden sich für die wichtigsten[353] Küstenorte in Verbindung mit den Tafeln für Hoch- und Niedrigwasser auch solche für die Hafenzeiten. In den beiden großen Ozeanen, dem Pazifischen und dem Atlantischen, sind die Erscheinungen des Eintritts der Hafenzeit generell verschieden. An der amerikanischen Küste sind die Hafenzeiten fast gleichzeitig, dagegen an der europäischen Küste ungleich verteilt. Der Astronom und Nautiker Börgen, der sich als Vorstand des Marineobservatoriums in Wilhelmshaven sehr eingehend mit diesen Erscheinungen beschäftigt hat [2], erklärt diesen merkwürdigen Unterschied dadurch, daß er annimmt, im Atlantischen Ozean schwinge die Flutwelle in dessen längster Achse, also von Süd nach Nord, im Pazifischen aber im wesentlichen von Osten nach Welten. Alle Erscheinungen lassen sich aber dadurch nicht erklären [3].
Das beigegebene Kärtchen gibt eine übersichtliche Darstellung des Verlaufes der Hafenzeiten in der Nordsee und an den großbritannischen Küsten.
Mit Hilfe der Angaben dieses Kärtchens kann man die Zeiten des Hochwassers finden, wenn man erstere zu den Kulminationszeiten (mittlere Ortszeit) des Mondes zur Zeit des Vollmondes für den betreffenden Ort addiert. Bei strengerer Rechnung muß noch auf den Einfluß der Sonne Rücksicht genommen werden, welcher in der sogenannten »halbmonatlichen Ungleichheit« zum Ausdruck kommt, für die in den Nautischen Jahrbüchern ebenfalls Tafeln gegeben sind. In den Nautischen Jahrbüchern [4] gibt man gewöhnlich den Eintritt des Hochwassers für die Häfen in der Weise an, daß man die Anzahl der Stunden und Minuten einträgt, um die dasselbe für den betreffenden Hafen früher () oder später (+) als an einer Basisstation (London Bridge, Kuxhaven) eintritt. Das Deutsche Nautische Jahrbuch gibt z.B. mit Bezug auf Kuxhaven für:
Auch diese Zusammenstellung zeigt die von den oben angegebenen Ursachen abhängigen großen Unterschiede.
Literatur: [1] Whewell, William, Essay towards a First Approximation to a Map of codital Lines, Philosoph. Trans. 1833; diese Untersuchungen sind fortgesetzt in einer großen Reihe von Abhandlungen in d. Phil. Trans, bis 1850. Müller, A., Elementare Theorie der Entstehung der Gezeiten, Leipzig 1906. [2] Borgen, C., Die harmonische Analyse der Gezeitenbeobachtungen, Annalen der Hydrographie 1884; ders., Abhandlungen und Aufsätze über Gezeiten, Sonderabdr. aus den Annalen der Hydrographie u.s.w., gesammelt 18781908. [3] Krümmel, O., und Boguslawski, C., Handbuch der Ozeanographie, 2. Aufl., 2 Bde., Stuttgart 19071911; Darwin, G.H., Ebbe und Flut, Leipzig 1902; ders., Ebbe und Flut und verwandte Erscheinungen im Sonnensystem, 2. Aufl., Leipzig und Berlin 1911. [4] Gezeitentafeln, herausgeg. vom Reichsmarineamt, jährlich, auf 1 bis 2 Jahre im voraus; ähnliche Tafeln werden von der englischen und amerikanischen Admiralität herausgegeben.
L. Ambronn.
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