Reitwagenbahnen

[407] Reitwagenbahnen, Bahnen mit einer oder zwei auf Pfosten oder Böcken ruhenden Fahrschienen, auf welchen die Wagen rittlings sitzen, also zu beiden Seiten über die Fahrschienen hinunterhängen. Nur die Bahnen mit einer Fahrschiene, auf welcher die Wagen auf Fahrrollen mit doppelten Spurkränzen laufen, haben bis jetzt einige Bedeutung erlangt.

Reitwagenbahnen sind ausgeführt sowohl als Feld- und Grubenbahnen wie als Bahnen für den Personen- und Güterverkehr. Die erste Bahn dieser Art wurde schon 1821 von Palmer erfunden [1]. Ende der 1860er Jahre des vorigen Jahrhunderts hat Fell eine zweischienige Bahn [2] konstruiert, auf der die Wagen noch mittels zweier seitlicher Schienen durch besondere, unten an den Seitenteilen der Wagen angebrachte wagerechte Rollen geführt wurden, und Le Roy Stone hat 1876 auf der Weltausstellung in Philadelphia eine Bahn mit einer Fahrschiene und zwei seitlichen Führungsschienen auf bis 9 m hohen Pfosten erbaut, um Personen zu befördern [2]. Diese und noch andre hierhergehörige Bauarten (s. [1]) haben aber keine praktische Bedeutung erlangt; dagegen hat Lartigue eine Bauart erfunden, die anfangs der 1880er Jahre in Algier als mit Mauleseln betriebene Feldbahn in größerem Umfang Anwendung fand [3 a]. Im Jahre 1888 wurde sodann im südwestlichen Irland von Listowel nach Ballybunsan eine mit Dampf betriebene, 16 km lange Bahn für den Personen- und Güterverkehr nach der Bauart Lartigues eröffnet [4] und 1893 in Frankreich eine solche von 19 km Länge von Feurs nach Panissière, Departement Loire. Die hohe Sicherheit gegen Entgleisen hat den Deutschengländer Behr veranlaßt, die Bauart Lartigue für den elektrischen Schnellverkehr unter Anwendung einer Fahrschiene und vier seitlichen Führungsschienen umzugestalten. Auf der Weltausstellung in Brüssel 1897 hat Behr eine Probestrecke gebaut, auf der trotz ungünstiger Verhältnisse und ungenügenden Stroms doch 136 km stündliche Geschwindigkeit erzielt wurden, und laut Parlamentsbeschlusses soll eine elektrische Schnellbahn von Manchester nach Liverpool in dieser Weise erbaut werden ([3b]–[7]).


Literatur: [1] Engineering 1886. – [2] Heusinger v. Waldegg, Handbuch für spezielle Eisenbahntechnik, Berlin 1877, Bd. 5, S. 519 ff. – [3a] Zentralblatt der Bauverwaltung 1889, S. 215; [3b] 1899, S. 550. – [4] Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens 1887, S, 41; 1888, S. 253; 1889, S. 184. – [5] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1900, Bd. 1, S. 131, u. 1902, Bd. 1, S. 486. – [6] Zeitschr. d. Oesterr. Ing.- u. Arch.-Ver. 1899, S. 585. – [7] Engineering 1897, S. 788, 815 u. 849.

H. Kübler.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 407.
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