[147] Sonnenuhren. Unter diesem Namen faßt man eine Anzahl von Einrichtungen zusammen, bei denen der Schatten eines Stabes oder das durch eine enge Oeffnung auf einer gegenüberstehenden Fläche erzeugte Sonnenbildchen selbst durch ihr Fortschreiten mit der täglichen Bewegung der Sonne zur Zeitmessung[147] benutzt werden. Es sind die ältesten Instrumente, welche zu diesem Zwecke verwendet wurden. Vgl. a. Gnomon und Uhren.
Jede Sonnenuhr besteht aus einem Teile, der die tägliche Wanderung der Sonne durch seinen Schatten oder dergl. anzeigt, und einer Fläche, auf welcher die Wanderung gemessen wird. Ist der erstere Teil, wie es meistens der Fall ist, ein Stab oder dergl. (der Stylus), so kann dieser senkrecht stehen oder auch mit der Weltachse parallel sein (Polos). Die den Schatten auffangende Fläche kann eine Ebene oder auch eine Kugelschale sein. Steht der Stab senkrecht und ist die Ebene horizontal, so hat man die Einrichtung des Gnomon (s.d.). Am einfachsten gestaltet sich die Konstruktion einer Sonnenuhr, wenn der Schattenzeiger in der Weltachse liegt und dann wieder, wenn die auffangende Ebene dem Aequator parallel, also senkrecht zum Zeiger liegt. Es ist klar, daß dann der Schatten des Zeigers mit der Meridianebene stets einen Winkel bildet, der gleich dem Stundenwinkel der Sonne selbst ist, also gleich der jeweiligen wahren Zeit (s. Zeitbestimmung). Machen also beide Richtungen einen Winkel von 15°, 30°, 45° u.s.w. miteinander, so ist es resp. 1h, 2h, 3h u.s.w. oder 23h = 11 Uhr vormittags, 22h = 10 Uhr vormittags, 21h = 9 Uhr vormittags u.s.w., je nachdem der Schatten östlich oder westlich der Meridianebene liegt. Zieht man also auf der Ebene Linien, die mit der dem Meridian entsprechenden Linie die angegebenen Winkel einschließen, und zwar auf beiden Seiten der Fläche (oberhalb für den Sommer in nördlichen Breiten und unterhalb für den Winter), so hat man eine solche Sonnenuhr. Weniger einfach gestalten sich die Beziehungen der Schattentage zur Meridianlinie, in die der Schatten stets fallen muß, wenn die Sonne durch den Meridian geht (wenn es also Null Uhr wahre Zeit ist) im Falle andrer Lagen der auffangenden Fläche. Nach deren Lage unterscheidet man dann horizontale und vertikale Sonnenuhren und unter diesen wieder solche, bei denen die Ebene senkrecht zum Meridian (Mittagsuhr) steht oder mit diesem einen Winkel einschließt (bei 90° als Morgen- oder Abenduhr). Die Regeln der sphärischen Astronomie (speziell die der Gnomonie) liefern die Formeln für die Berechnung der Winkel, den für bestimmte Stundenwinkel (t) der Schatten mit der Meridianebene einschließen muß. Danach lassen sich dann leicht alle Arten von Sonnenuhren entwerfen. Für eine Horizontaluhr muß z.B. sein, wenn x der gesuchte Winkel und φ die geographische Breite des Ortes ist: tg x = sin φ tg t. Das gibt z.B. für die Breite von 50°
Für eine vertikale Sonnenuhr, wenn die als Zifferblatt dienende Ebene genau von Ost nach West gerichtet ist, hat man
tg x = cos φ tg t.
(x ist dann der Winkel, welchen der betreffende Stundenstrich mit der Vertikalen einschließen muß.) Damit hat man in gleicher Weise wie oben für φ = 50°
Ist die Ebene des Zifferblattes gegen den Meridian um a Grad geneigt (hat sie das Azimut a ), so ist die Relation für x komplizierter, nämlich
cotg x = cotg t sin a/cos φ ± cos a tg φ.
Wird a = 0°, d.h. liegt die Zifferblattebene im Meridian, so hat man eine Morgenuhr bezw. eine Abenduhr. Dann muß man aber dem Zeiger eine andre Stellung geben, denn er würde ja so in die Ebene des Zifferblattes fallen, was natürlich nicht angängig ist. Die Berechnung der Lage der Stundenstriche wird dann noch umständlicher, so daß es heutigentags zweckmäßiger sein dürfte, die Stunden auf Grund der Vergleichung mit einer guten Taschenuhr aufzutragen, nachdem deren Angaben auf »wahre Zeit« korrigiert sind. Da weder die Mittagsuhr, noch weniger aber die beiden letzteren Formen der Sonnenuhr für alle Tageszeiten ausreichen, hat man sie häufig kombiniert, z.B. an den drei Seiten von Kirchtürmen.
Allgemein brauchbar sind die Sonnenuhren, bei denen das Zifferblatt, wie oben schon angeführt, eine Kugelschale ist, deren begrenzende Diametralebene horizontal liegt und deren Zeiger in Gestalt einer kleinen Kugel oder einer kleinen Oeffnung im Mittelpunkte angebracht ist. Der Verlauf des Schattens und somit die nötige Einteilung ist dann leicht zu übersehen.
Man hat auch den durch das Licht des Mondes erzeugten Schatten zu sogenannten Monduhren benutzt; deren Angaben ist immer noch eine Korrektion hinzuzufügen.
Literatur: Vitruvius, De architectura, Lib. IX, Cap. 9. Ueber die antiken Sonnenuhren vgl. unter den älteren Schriften besonders Wöpcke, Disquisitiones arch.-math. circa solaria veterum, Berlin 1842, unter den neueren mehrere der zahlreichen Abhandlungen von Bilfinger über Zeitmaße und Zeitmessung der Alten, z.B. Die antike Stundenzählung (Progr. Stuttgart 1883) und Die antiken Stundenangaben (Stuttgart 1888); über antike Sonnenuhren auf nicht sphärischer Fläche vgl. z.B. Laussedat, C.R., Bd. 71 (1870), S. 264; Rayet, ebend., Bd. 78 (1874), S. 841, u.s.w. Faye, Cours d'astronomie de l'Ecole polytechn., Paris 1883, Bd. 2, S. 19. Schweiger-Lerchenfeld, Atlas der Himmelskunde, Wien 1898. Die Formeln und Anleitungen zur Konstruktion von Sonnenuhren finden sich mehr oder weniger ausführlich in: Doppelmayr, Gründliche Anweisung zur Beschreibung großer Sonnenuhren, Nürnberg 1719; Sonndorfer, R., Theorie und Konstruktion der Sonnenuhren, Wien 1864; Jordan, Grundzüge der astronomischen Zeit- und Ortsbestimmung, Berlin 1885; Hammer, Lehrbuch der ebenen und sphärischen Trigonometrie, 3. Aufl., Stuttgart 1907, S. 569 ff.; Wolf, R. Handbuch der Astronomie, I, S. 429 ff. Neuere Konstruktionen finden sich besprochen in: La Leta, Gnomonica etc., Mailand 1897; Hammer, Ref. in Naturw. Wochenschrift, Berlin 1893; Maurer, Zeitschr. für Instrumentenkunde 1903, S. 207, und Ref. von Maurer über eine Sonnenuhr; Cozza, R., Sonnenuhr für mittlere Zeit, Zeitschr. für Instrumentenkunde 1903, S. 375.
Ambronn.