Walzen, Walzenstraße, Walzwerk [2]

[832] Walzen, Walzenstraße, Walzwerk. (Bd. 8, S. 825 ff).

Nach dem Vorschlag von Ortmann wird bei schweren Walzenstraßen, um den toten Gang in den Kupplungen zu vermeiden und an Raum zu sparen, zwischen Kammwalzgerüst und Antriebswelle keine Kuppelspindel u.s.w. angeordnet, sondern es bilden (Fig. 1) Antriebswelle und Kammwalze ein einziges Stück; ferner wird abweichend vom seither üblichen die obere Kammwalze angetrieben, um das infolge der auftretenden Kippmomente sonst eintretende Lockerwerden und Wackeln des Kammwalzgerüsts zu vermeiden. – Die Kammwalzgerüste werden jetzt vielfach zur Erhöhung der Standfähigkeit seitlich aufgelagert, Fig. 2. Ferner wird bisweilen das Kammwalzgerüst in den Fundamentrahmen der Antriebsmaschine eingebaut, Fig. 3.

An Stelle massiver Kuppelspindeln werden auch hohle (Fig. 4) verwendet, die bei Brüchen zu keinen Beschädigungen Veranlassung geben können wie die massiven. – Um die Kammwalzen nicht wegen der Abnützung der Kuppelzapfen auswechseln zu müssen, werden an deren Stelle Verschleißzapfen (Fig. 5) auf den Kammwalzenzapfen befestigt, die nach entsprechender Abnützung durch[832] neue ersetzt werden können. Fig. 6 zeigt eine leicht auszubauende Hauptkupplung, aus zwei hohlen, durch Klauenzähne und Schrauben miteinander verbundenen Hohlmuffenteilen bestehend, die je für sich durch den zwischen den Kuppelzapfen vorhandenen Zwischenraum hindurch entfernt werden können.

Bei Walzgerüsten mit starker Verstellung der Oberwalze, wie z.B. bei den Blockwalzwerken, wird wegen der Nachteile des hydraulischen Betriebs häufig elektrischer Antrieb zur Verstellung der Oberwalze gewählt; Fig. 7 zeigt eine solche Anordnung zum Heben und Senken der Oberwalze mittels elektrischen Antriebs (Deutsche Maschinenfabrik, A.-G., Duisburg). Das Einbaustück B der Oberwalze ist mittels der beiden Stangen C an der Traverse D federnd aufgehängt. Diese Traverse umschließt mit ihrer als Mutter ausgebildeten Bohrung eine hohle Schraubenspindel E. Letztere stützt sich auf das Anstellrad F, welches in der bisher üblichen Weise durch den Vierkantzapfen der Druckspindel A diese in Umdrehung versetzt. Die hohle Schraubenspindel E ist mit Schneckenrad F fest verbunden, so daß also sowohl die Schraubenspindel E wie die Druckspindel A genau dieselbe Drehbewegung ausführen. Dabei kann sich die auf und ab wandernde Druckspindel A mit ihrem vierkantigen Schaft in die hohle Spindel E hineinschieben; da beide Schraubenspindeln gleiches Gewinde haben, muß beim Drehen des Schneckenrads sowohl die Druckspindel A als die Traverse D die gleiche Auf- und Abwärtsbewegung ausführen. Mittels der Muttern G der Stange C wird das Einbaustück B fest gegen die Druckspindel A gepreßt. Mit Rücksicht auf die große vertikale Belastung ist zur leichteren Bewegung des Schneckenrads F dieses auf ein Kugellager H abgestützt Der gesamte[833] von der Oberwalze und dem Einbaustück erzeugte vertikale Druck wird von diesem Kugellager bezw. dem Walzenständer selbst aufgenommen, d.h. also die Eigengewichte. Diese Konstruktion hat den Vorteil, daß Ober- und Unterspindel stets gegeneinander im Gewinde geschlossen gehalten werden können, so daß beim Verschleiß der Druckspindel keine Stöße entstehen [2].

Bei den einzelnen Walzenstraßenanordnungen (vgl. Bd. 8, S. 828 ff.) ist folgendes nachzutragen: Bei den Trioblechwalzwerken erfolgt die Verstellung (Heben und Senken) der Mittelwalze auch mittels elektrischen Antriebs (Konstruktion der Friedrich-Wilhelmshütte, Mülheim-Ruhr). – Die Universalwalzwerke baut die Deutsche Maschinenfabrik A.-Q. in Duisburg nach Fig. 8. Zwecks leichten Ersatzes der vertikalen Walzen bildet der die vertikalen Walzen tragende Konstruktionsteil ein einheitliches, geschlossenes Ganzes; die vertikalen Walzen ruhen in einem aus Horizontalbalken[834] bestehenden und durch vertikale Traversen verbundenen Rahmen, der in kurzer Zeit aus dem Gerüst gehoben und durch einen Ersatzrahmen ersetzt werden kann.

Bei den Grobstraßen für Träger u.s.w. (vgl. Bd. 8, S. 832) werden jetzt vielfach, um an Walzgerüsten zu sparen, die ersten Gerüste mit anstellbarer Oberwalze (ähnlich wie die Blockwalzwerke) ausgeführt. Für Feineisen- und Drahtwalzwerke sind die Schöpf-Mosanersche (D.R.P.) sowie die Tobersche Umführung von großer Bedeutung geworden. Fig. 9 zeigt erstere an einem Triowalzgerüst und Fig. 10 den Fertigstrang einer modernen Drahtstraße, links eine Umführung neuer Konstruktion (Schlingen nach unten ausspringend), und rechts eine alter Konstruktion, Fig. 11 zeigt prinzipiell das Wesen der neuen Konstruktion gegenüber der alten nach Fig. 12. Ueber die Anwendung dieser Umführung bei Fein- und Drahtstraßen s. [3]. Bei der Toberschen Umführung (Fig. 13) wird eine Umführungsrinne durch einen oberhalb derselben angebrachten Elektromotor gedreht, und zwar mit einer Geschwindigkeit, welche mindestens so groß ist wie die Geschwindigkeit des austretenden Stabs. Der dünne[835] weiche Stab wird also durch die Rotation vermitteln der Zentrifugalkraft gegen die Wandung der Führung gepreßt und mit einem verhältnismäßig großen Druck in die Einführung des Walzgerüsts hinein- und zwischen die Walzen geschoben [2].

Die kontinuierlichen Walzwerke (S. Bd. 8, S. 833) haben auch in Deutschland eine erhöhte Bedeutung gewonnen. Sie werden hier als Knüppel- oder Platinenstraßen, Vorstraßen für Feinwalzwerke, Drahtstraßen, Bandeisenstraßen und Rohrwalzwerke, in Amerika auch für Block- und für Feinblechwalzwerke angewendet. Fig. 14 und 15 zeigen das reinkontinuierliche Drahtwalzwerk der Gelsenkirchener Bergwerks-A.-G. in Eschweiler bei Aachen (erbaut von Gebr. Klein in Dahlbruch). Im ganzen sind 17 Walzgerüste in zwei von einer 2200 PS. Dampfmaschine angetriebenen Gruppen angeordnet. Der Antrieb der ersten Gruppe geschieht von der Hauptwelle aus durch Stirnräder, die zweite Gruppe durch übereinanderliegende Riemen, und die vier Gerüste außerdem durch Zahnräder. Eine ausführliche Darlegung über kontinuierliche Walzwerke s. [4].

Ein neues Prinzip eines Duo-Walzwerks hat Lamberton geschaffen, Fig. 1618. Die in den Rahmen c gelagerten Walzen a a sind in den Ständern d d drehbar mit Hilfe der Zahnräder e e, die mittels einer hydraulisch betätigten Zahnstange gedreht werden; b ist das Kammwalzgerüst mit übereinanderliegenden Kammwalzen. Nach jedem Durchgang (Stich) des Walzguts werden die Walzen gedreht, So daß die Oberwalze zur Unterwalze wird; dadurch ist es möglich, bei gleichbleibender Drehrichtung der Walzen das Walzgut von beiden Seiten zwischen die Walzen zu stecken [5].

In Fig. 19 ist eine amerikanische Anordnung eines Schienenwalzwerks im Grundriß dargestellt. Das Wesentliche ist die Hintereinanderanordnung einzelner, je von einem besonderen Motor mit der entsprechenden Geschwindigkeit angetriebener Straßen. Eine Solche Anordnung ist nur bei außerordentlich hohem Bedarf eines und desselben Profils möglich [6].


Literatur: [1] Taschenbuch für Eisenhüttenleute, herausgeg. vom Akad. Verein »Hütte«, Berlin 1910. – [2] Berichte der Abteil, für praktisches Hüttenwesen des Intern. Kongresses für Bergbau, Hüttenwesen u.s.w., Düsseldorf 1910. – [3] Friedr. Bonte, Ueber kontinuierliche Walzwerke, Düsseldorf 1913. – [4] A. Holverscheid, Die Walzwerke (Sammlung Göschen), Leipzig 1912. – [5] »Stahl und Eisen« 1913, S. 873. Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1913, S. 1159. – [6] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1908, S. 734.

A. Widmaier.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 7.
Fig. 8., Fig. 9.
Fig. 8., Fig. 9.
Fig. 10.
Fig. 10.
Fig. 11 und 12.
Fig. 11 und 12.
Fig. 13.
Fig. 13.
Fig. 14.
Fig. 14.
Fig. 15.
Fig. 15.
Fig. 16–18.
Fig. 16–18.
Fig. 19.
Fig. 19.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 832-836.
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