Binti1 Matari Schemschi.

[58] Es war einmal ein Häuptling, der hatte einen Sohn. Er erzog ihn, bis er herangewachsen war. Alsdann sagte der Sohn: »Ich möchte die Binti Matari Schemschi zur Frau.« Sein Vater antwortete: »Diese Frau bekomme ich nicht für Dich; denn sie hat viele Soldaten und einen grossen Besitz, umgeben von einer Mauer von Erz.« Der Sohn weinte sehr und sprach: »Vater, Du liebst mich nicht.« Er erwiderte: »Mein Sohn, da kann ich nicht hingehen, um sie zu werben, denn, wenn ich hingehe, werde ich sterben.«

Da sagte er zu seiner Mutter: »Mache mir Brot für die Reise zurecht und thue mir Wasser in die Reiseflasche.« Sie besorgte das alles und gab es ihm. Dann bestieg er sein Pferd und brach auf. Unterwegs traf er mit dem Teufel und mit einer siebenköpfigen Schlange zusammen, welche den Teufel verschlingen wollte. Der Jüngling ging hin, begrüsste den Teufel und befragte ihn. Dieser sprach: »Hilf mir, denn diese Schlange will mich fressen.« Der Jüngling zog sein[58] Schwert und traf die Schlange, welche jenen töten wollte, und sie starb.

Da sprach der Teufel zu ihm: »Gehen wir nach meinem Hause!« Der Jüngling antwortete: »Zu Euch geht niemand; jeder, der hingeht, muss sterben.« »Bei uns stirbt niemand«, erwiderte dieser, »wenn Du stirbst, so soll es auf mich zurückfallen!« Sie gingen miteinander bis ganz in ihre Nähe; dann sagte der Teufel: »Wenn Du zu uns kommst, lache nicht, denn es giebt dort Leute, die das Gesicht auf einer Seite haben; ferner Leute mit einem Fuss, andere mit einer Hand, wieder andere mit nur einem Auge.« Er antwortete: »Ich werde nicht lachen.«

Sie gingen nun bis zur Stadt und langten bei seinem Vater an, und dieser fragte: »Wo hast Du diesen Menschen her?« Er sprach: »Er hat mir unterwegs das Leben gerettet, wenn er nicht gewesen wäre, wäre ich tot. Wir trafen nämlich mit einer Schlange zusammen, die mich verschlingen wollte, da tötete sie dieser und ich sagte zu ihm: ›Komm mit in meine Heimat.‹ Er weigerte sich jedoch, bis ich ihn schliesslich mit allen Mitteln dazu bewog.« Nun wurde ein grosses Fest veranstaltet und die Trommeln geschlagen. Er blieb vier Monate dort, dann sagte er: »Ich möchte von dannen ziehen, denn ich bin lange ausgeblieben.«

Der Teufel sprach zu ihm: »Freund, wir gehen zum Vater, er wird Dir ein grosses Vermögen geben, schlage es aus und verlange nur einen jungen Sklaven mit Namen Kibelei.« Sie gingen nun zusammen zum Vater, um sich für die Reise zu verabschieden, und er bekam sieben Kameele, jedes Kameel mit einer Last Silber und Gold beladen; ferner erhielt er sieben Kameeltreiber; ein jeder hatte Kleider im Werte von hundert[59] Realen. Er schlug alles aus und sagte: »Ich möchte den Kibelei.« Sobald er dies gesagt, fiel er zu Boden. Sie brachten ihn ins Haus, er war ohne Besinnung und lag vier Tage lang krank. Am fünften Tage kam er wieder zu sich und man fragte ihn: »Mein Sohn, was wünschest Du?« Er sprach: »Ich will den Kibelei.« Nun wurden Leute ausgesandt, um den Kibelei zu suchen; und sie fanden ihn. Als er ihm gegeben worden, ärgerte sich der junge Mann sehr und sprach: »Du, mein Freund, bist recht schlecht, Du hast es nicht zugelassen, dass mir das Vermögen gegeben wurde, jetzt giebst Du mir diesen Sklavenjungen, der ist keine zehn Rupien wert.« »Ich gebe ihn Dir«, erwiderte jener, »nimm ihn nur.«

»Lass uns jetzt zur Mutter gehen, um Abschied zu nehmen; vom Vater haben wir uns verabschiedet, gehen wir nun zur Mutter.« »Von der Mutter wirst Du ebenfalls viele Geschenke bekommen; schlage sie aus und verlange eine Metallschüssel.« Er antwortete: »Ich habe verstanden.« Sie begaben sich zur Mutter und er sagte: »Mutter, lebe wohl, ich ziehe meines Weges.« Sie gab ihm zehn Kameele und jedes Kameel hatte eine Last Silber, dazu zehn Treiber. Er schlug alles aus und sprach: »Ich möchte eine Metallschüssel haben.« Als er das gesagt hatte, fiel er hin. Sie brachten ihn in ein Haus, in welchem er dreitagelang blieb, am vierten Tage kam er wieder zu sich. Nun erhielt er die Metallschüssel, brach dann auf und zog seines Weges.

In seinem Herzen ärgerte er sich sehr und sprach bei sich: »Mein Freund ist schlecht, er hat mir Sachen gegeben, die keine fünf Rupien wert sind!« So brach er traurigen Herzens auf und zog mit seinem Sklaven[60] und seiner Schüssel seines Weges. Unterwegs beschleunigte er sehr seinen Gang, um sich jenes Sklaven zu entledigen, da er ihn nicht wollte. Aber wo er auch hinging, der Sklave war immer hinter ihm. Um die sechste Stunde kamen sie in eine grosse Stadt und ruhten daselbst.

Der Sklave sprach zu seinem Herrn: »Weshalb unterhalten wir uns nicht?« Sein Herr antwortete: »Mit wem sollte ich mich denn unterhalten?« Er erwiderte: »Was würdest Du mit dem Vermögen, das Du bekommen solltest, gemacht haben?« »Ich würde ein Steinhaus gebaut haben«, sprach er, »drei Stockwerke hoch, dann würde ich junge Sklaven und Sklavinnen und schöne Frauen gekauft haben und würde so reich geworden sein.« »Auf welchen Platz würdest Du gebaut haben?« Er antwortete: »Ich würde auf einen Berg gebaut haben.« »So setz Dich auf die Schüssel«, erwiderte jener, »und sprich: ›Im Namen Gottes, hebe Dich.‹« Da hob sich die Schüssel und führte ihn dahin, wo er hingewollt hatte.

Plötzlich entstand daselbst ein grosses Steinhaus mit vielen Sklavinnen und Sklaven, mit viel Silber und vielen Frauen. Die Leute dort sagten: »Was ist das für ein Wunder? Eben war noch ein Wald hier und jetzt steht ein Haus da, da ist ein Haus der Teufel jetzt entstanden.« Sie liefen alle weg.

Er blieb allein in der Stadt zurück, und sein Sklave sprach: »Ich werde die Leute mit List wieder zurückrufen.« Er kaufte nun alle Sachen für einen hohen Preis an. Das erregte ihr Verlangen, so dass viele Leute herbeiströmten, um ihre Sachen zu verkaufen, und er kaufte alles an. So kamen Leute zur Stadt und liessen sich auch daselbst nieder, aber noch fürchteten sie sich[61] dort zu ihm hinaufzugehen. Da ging Kibelei, jener Sklave, zur Stadt und sprach: »Ich bin von meinem Herrn geschickt worden; er ladet alle Leute in der Stadt ein, um die dritte Stunde zu ihm zu kommen.« Die Leute erwiderten: »So Gott will, kommen wir.«

Nun liess Kibelei viel Reis kochen und in silbernen Tellern auftragen und hinter jeden Teller stellte er einen Sklavenjungen als Diener. Dann liess er das Empfangszimmer reinigen, stellte die Teller auf und deckte sie mit Tüchern zu. Und die Leute kamen und assen, und die, welche sich gefürchtet hatten, bereuten es. Aber der Herr des Kibelei stieg nicht herab zu ihnen. Als sie gegessen hatten, zogen sie ihrer Wege.

Kibelei begab sich zu seinem Herrn und sagte: »Du wolltest doch die Binti Matari Schemschi heiraten, warum gehst Du nicht hin?« Er sprach: »Erfinde eine List, dass wir hinkommen.« »So steige in die Schüssel«, erwiderte jener. Er stieg hinein und die Schüssel trug ihn davon und brachte ihn zur Binti Matari Schemschi bis an ihre Thüre. Da trafen sie dreihundert Soldaten und er sprach zu seinem Herrn: »Siehst Du diese Soldaten?«

Sie stiegen zum zweiten Stockwerk und trafen hundert Soldaten an; im dritten Stockwerk trafen sie hundert Sklavinnen; sie stiegen bis zum vierten Stockwerk und fanden die Herrin schlafend. Als er sie anschaute, fiel er zu Boden. Der Sklave fragte: »Herr, warum fällst Du nieder?« Er erwiderte: »Seit meiner Geburt habe ich keine so hübsche Frau wie diese gesehen.« Kibelei sagte ihm: »Binde ihr ein Tuch um die Augen, dann wollen wir sie fassen und in die Schüssel legen.« Sie ergriffen sie und legten sie in die Schüssel. Diese hob sich und brachte sie nach ihrem Hause zurück; hier liessen sie sich nieder.[62]

Als die junge Frau aufwachte, fragte sie: »Wo bin ich?« Es wurde ihr gesagt: »Wir kamen zu Euch und nahmen Dich mit.« So blieb die Frau bei ihrem Herrn. An den Sklaven dachte dieser garnicht mehr; von oben, wo er wohnte, kam er nicht mehr nach unten, noch rief er ihn, noch gab er ihm zu essen. Jener Sklave sprach bei sich: »Mein Herr ist schlecht, er hätte dies alles nicht bekommen, wenn ich nicht gewesen wäre. Heute wird gesagt: ›Gebt diesem kein Essen, gebt ihm kein Wasser.‹ Ich weiss nicht, was ich verbrochen habe; seine Sklaven schlagen mich jeden Tag.«

Sein Herr schlief und träumte, er habe in der Vorhalle gesessen und auf Kasawa-Wurzel3 gewartet, um sie zu kauen. Als er aufwachte, war er wieder zu Hause in seiner Heimat ohne Kleider, ohne Mütze und ohne einen Pesa.4 Da dankte er Gott und sprach: »Gott hat es mir gegeben und hat es mir wieder genommen.«

So endete diese Geschichte.

1

Tochter, Fräulein.

3

Gewöhnliche Speise der armen Leute.

4

Pfennig.

Quelle:
Velten, C[arl]: Märchen und Erzählungen der Suaheli. Stuttgart/Berlin: W. Spemann, 1898, S. 58-63.
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