Zweihundertdreiundvierzigste Geschichte

[334] geschah an einem Menschen, der sagt wider Rabbi Gamliel: »Wo wohnt der Heilige, gelobt sei er, oder was is er?« Da sagt Rabbi Gamliel: »Ich weiß nit.« Da sagt der Mann wieder: »Is das dann euere Tefille (Gebet) un euere Chochme (Weisheit), die ihr alle Tag sagt, vor dem Heiligen, gelobt sei er, un ihr wißt nit wo der Heilige, gelobt sei er, is.« Da sagt Rabbi Gamliel wider den Menschen: »Du hast mich eppes gefragt, das is gar weit von mir. Wol fünfhundert Jahr Reise. Denn von dem Himmel bis auf die Erd is fünfhundert Jahr Reise. Ich will dich aber eppes fragen, das is bei dir gegeben Tag un Nacht. Sag mir an, welcher Ort is es.« Da fragt der Mann: »Was is das denn?« Da sagt Rabbi Gamliel: »Ich mein die Neschome (Seele), die der Heilige, gelobt sei er, dir gegeben hat. Die hast du bei dir Tag un Nacht. Sag du mir, wo hast du sie, oder in welcher Seiten is sie?« Da sagt der Mensch wider Rabbi Gamliel: »Ich weiß nit.« Da flucht Rabbi Gamliel un sprach: »Verflucht seist du, du loser Mann. Ich frag dich eppes, das nahe bei dir is, un du weißt es nit, un du willst ein Ding von mir wissen, das fünfhundert Jahr Reise von mir is.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 334.
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