Zweiundvierzigste Geschichte

[37] geschah: Elieser isch Bartausse, der gab gern Zdoke (Almosen). Un wenn ihn die Gabboim (Vorsteher) sahen ankommen, die da Zdoke aufheben, da verbargen sie sich, denn er hat ein Seder (Gewohnheit) an sich, wenn er die Vorsteher von dem Almosen sah, Almosen aufnehmen (sammeln), so gab er ihnen alles was er bei sich hatt. – Einmal auf einen Tag, da ging der Elieser auf den Markt un wollt seiner Tochter noch etliche Sachen kaufen, die sie noch bedurfte zu ihrer Chassene (Hochzeit), denn sie war eine Kalle (Braut). Un wie der Elieser so ging, da sah er die Gabboim mit der Zdoke herumgehn. Un wie die Gabboim ihn sahen, so verbargen sie sich vor ihm weg. Da er das sah, so luf er ihnen nach un sagt wider sie: »Da beschwör ich euch bei der Schwue (Schwur), daß ihr mir sollt sagen für was ihr umgeht.« Da sagten sie: »Wir gehen für ein Jossem (Waisenknaben) un eine Jessome (Waisenmädchen) um, denn wir wollen sie zu einander geben.« Da schwört der Elieser bei der Awaudoh (bei Gott): »Die dasigen Jessomim (Waisen) gehen vor meiner Tochter,« un nahm alles was er bei sich hat, un gab es den Gabboim un behielt nit mehr als einen Schilling übrig. Da kauft er Weiz um den Schilling un trug es heim un schütt den Weiz auf seine Kornkammer. Un wie sein Weib kam heim, so fragt sie ihre Tochter: »Was hat dir dein Vater mit heimgebracht?« Da sprach die Tochter: »Alles, was mein Vater mir hat heimgebracht, das hat er in die Kornkammer geschüttet.« Da ging das Weib hinauf un wollt doch sehen, was ihr Mann gebracht hat. Un wollt die Tür auftun. Da konnt sie die Tür nit auftun, denn die ganze Kammer lag voll Weiz. Da sah sie in die Kammer herein. Da lag der Weiz bis an den Boden. Da sagt sie es ihrer Tochter. Da lief sein Tochter flugs zu ihrem Vater in das Beth-hamidrasch (Lehrhaus) un sagt: »Lieber Vater, geh heim, sieh was dir dein Freund, der Heilige, gelobt sei er, getan hat.« Un sagt ihm die Schmue (Geschichte) von dem Weiz. Da schwor er bei der Awaudoh (bei Gott): Es soll alles hekdesch (zu gutem Zweck verschenkt) sein, un du sollst nit mehr Hanoe (Vorteil) darvon haben als andere Aniim (arme) auch unter Jisroel. Da fragt Rabbi Schlaume in der Gemore: »Warum macht er alles hekdesch?«[37] Da erklärt man es so: Das war ein Neß (Wunder) mit dem Weiz, un wenn einem ein Neß geschieht, so schlägt man ihm es ab auf Jener Welt, derhalben wollt er kein Vorteil haben davon, un macht es alles hekdesch.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 37-38.
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