Fünfundachtzigste Geschichte

[73] geschah: Einer hat geheißen Binjomin Hazaddik, der war gesetzt, daß er sollt die Zdoke (Almosen) austeilen. Auf einen Tag kam zu ihm eine arme Frau in den hungrigen Jahren. Un sie sagt zu ihm: »Lieber Rabbi speis mich.« Da schwor er bei der Awaudoh (so wahr ich Gott diene), es is auf dieser Zeit keine Zdoke vorhanden. Da sprach die Frau wieder: »Lieber Rabbi, wenn du mich nit speist, fürwahr ich sag dir, daß eine Frau mit sieben kleinen Kindern müssen sterben von wegen Hunger.« Wie nun das Binjomin Hazaddik hört, so speist er sie von seinem Gut. Nit lang darnach da war Binjomin Hazaddik gar sehr krank, daß jedermann[73] vermeint, daß er von die Kränk sterben wird. Da sagten die Malochim (Engel) von dem Heiligen, gelobt sei er: »Herr all der Welt, du hast gesagt, wer einen Menschen von Jisroel speist, das is gleich so viel gerechnet als ob er den ganzen Aulom (Welt) hätte gespeist. Un dieser Binjomin Hazaddik hat eine Frau mit sieben Kindern gespeist. Un hat sie beim Leben behalten in den hungrigen Jahren. Un derselbige soll nun sterben mit so wenig Jahren?« Wie nun der Heilige, gelobt sei er, das von den Malochim (Engeln) hört, da zerriß man ihm sein Din hamowes (Todesurteil), das ihm gesetzt war. Wir haben gelernt, man hat ihm sein Leben zweiundzwanzig Jahr gemehrt. Derhalben soll man Zdoke geben wie der Posuk (Vers) geht: »Zdoke (Almosen) errettet vom Tode.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 73-74.
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