Sechsundachtzigste Geschichte

[74] geschah an einem König, der hat geheißen Munbas, der gab seinen Reichtum un seiner Eltern Reichtümer als weg in Zdoke (Almosen) in einem teueren Jahr. Der Munbas is gewesen vom Geschlecht helenischer Könige, vom Geschlecht der Hasmonaer. Un wie nun der Munbas all das Seine un all das Gut seiner Eltern hat hinweg gegeben, da kamen seine Brüder un sein Hausgesind bei ihm, un lernten sehr über ihn un sagten: »Deine Eltern haben allzeit Reichtümer gemehrt un die Schatzen allzeit gemehrt, aber du hast es vermindert. Du gibst es zu Unnutzen weg.« Wie er nun die Rede vernahm von seinen Freunden, da sprach er wider sie: »Ich mach es besser als meine Freunde haben gemacht. Un dasselbige will ich euch bescheiden, welches ihr mir selbst werdet müssen kekennen: Sieht, meine Eltern, die haben ihre Auzraus (Reichtümer) unten auf der Erde gemacht. Aber ich mach meinen Auzor (Reichtum) oben in dem Himmel, wie der Posuk (Schrift) sagt: ›Die Wahrheit vom Himmel, sie lohnt, wenn ihr Zdoke gebt.‹« Dernach spricht er: »Un die Gerechtigkeit vom Himmel sie tut lugen. Meine Eltern, die haben das ihrige verborgen an einem End da Menschenhände darzu können kommen. Aber ich hab das meinige verborgen an so einem Ort, da Menschenhände nit zu können kommen. Wie der Posuk sagt: Die Zdoke is ein Wohnung deines Thrones. Meine Eltern, die haben das ihrige verborgen auf einem Ort, daß es keine Frucht kann tragen. Aber ich verberg das meine, daß es ja Frucht kann tragen.« Un der Posuk spricht: »Sagt wider den Frommen, die Frucht ihrer Werken werden sie essen.« Meine Eltern haben verborgen das Geld, aber ich hab verborgen meinen Leib, wie der Posuk geht: »Der da seinen Leib bewahrt, der is ein Weiser.« Meine Eltern haben das ihrige verborgen vor anderen Leuten, aber ich hab das meinige verborgen vor mir selbst, wie der Posuk spricht:[74] »Un zu dir wird sein die Zdoke.« Meine Eltern haben das ihrige verborgen auf dieser Welt, aber ich hab das meine verborgen auf Jener Welt, wie der Posuk geht: »Sie wird gehen dir zuvor deine Gerechtigkeit, auf Jener Welt.« Un dernach geht der Posuk weiter: »Un die Ehre von Gott, die wird dich eintun.« Nun habt ihr wol gehört, wie ich das mein zu Unnutzen hab ausgegeben. Wie das nun seine Brüder hören, da haben sie ihm alle zugegeben, daß er wol gehandelt hat, un wehrten ihm weiter nix mehr.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 74-75.
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